APA/APA/Festwochen/Kurt Van der Elst

Festwochen: Das universale Trauerspiel "Grief of Red Granny"

20. Juni 2025 · Lesedauer 3 min

Trauer ist so individuell wie der Betroffene. Und sie ist so universell wie die Menschheit. Diese Janusköpfigkeit des Verlusts bringt der Künstler Gorges Ocloo in der belgischen Produktion "The Grief of Red Granny" in Einklang. Ein für Antwerpen entstandenes, surreales Tableau, mehr Klanginstallation denn Musiktheater, und gerade deswegen kraftvoll. Am Donnerstag feierte das in seiner artifiziellen Gestalt berührende Werk Premiere im Rahmen der Wiener Festwochen.

Nebel fluten zu Beginn die Szenerie im Odeon-Theater - sie werden sich erst später lichten. Ein Bach verlässt ein Bett (nicht seines), in dessen Mitte welteschen-gleich ein Baum wächst. Am Ende wird in einer Toilette eine Blumenwiese erblühen. Viel bildliche Symbolik also, der das barocke Hochamt der Trauerdarstellung, Giovanni Battista Pergolesis "Stabat Mater", als atmosphärische Grundierung unterlegt wird.

Ocloo jedoch amalgamiert als Universalkünstler, der für Text, Bühne, Regie und eben auch Komposition zuständig zeichnet, diese paradigmatische, in Noten transzendierte Trauer mit afrikanischen Rhythmen und Abschiedsritualen zu einem neuen Ganzen. Die Facetten unendlicher Trauer im westlichen Gestus werden kontrastiert mit dem Ausdruck der Lebensfreude im afrikanischen Begräbniskontext, der Fest und Abschied vereint. Dabei stellt "The Grief of Red Granny" kein Crossover, sondern eine Verschmelzung dar, die der Vorlage mit Würde begegnet, sie inkorporiert.

Monochrom und polyglott

Dafür hat Ocloo eine sechsköpfige Musikformation aus drei Stimmen, Schlagwerk, Gitarre und Cello zur Verfügung, die er in rote, offenbar dem "Star Wars"-Universum entsprungene Kostüme kleidet. Dieser Formation gegenüber steht als Einsame die herausragende niederländische Schauspielerin Tine Joustra. Fließend zwischen Niederländisch, Französisch, Englisch und Deutsch wechselnd, bringt sie in einem abstrakten Charakter die Authentizität in den Abend.

Joustra stellt kein Individuum dar, sondern einen vielstimmigen Chor des Verlusts und von dessen Bewältigung. Sie verkörpert polyglott die Trauer, die nicht immer hochtrabend und hochmütig daherkommt, sondern handfest, körperlich, sich an Banalitäten klammernd, mit Wut verbunden.

Getrenntes wird zum Universellen

Lange Zeit bilden dabei die Darstellerin und die Musizierenden zwei getrennte Universen, die erst nach einer Dreiviertelstunde zu interagieren beginnen. Die Musikgruppe vollzieht undeutbare Rituale, deren Sprachen Zulu und Xhosa unübertitelt bleiben. Und doch finden diese beiden Ebenen am Ende zusammen. Der Schmerz der Gottesmutter über ihren toten Sohn im "Stabat Mater" wird zur universellen Trauerarbeit des Menschen an sich. Und "The Grief of Red Granny" damit ein Stück, das in seinem kulturüberspannenden Gestus universell vereint.

(Von Martin Fichter-Wöß/APA)

(S E R V I C E - "The Grief of Red Granny" nach "Stabat Mater" von Giovanni B. Pergolesi. Konzept/Text/Regie/Komposition/Bühne/Licht: Gorges Ocloo, Kostüme: Tanya Maldonado/ Esther Reijnen. Mit Tine Joustra, Nobulumko Mngxekeza-Nziramasanga, Nonkululeko Nkwinti, Profondo Ntuthuko Ziqubu, Charlton Daniels, Dane Coetzee, Carla Williams. Weitere Aufführungen am 20. und 21. Juni. www.festwochen.at/the-grief-of-red-granny)

Zusammenfassung
  • Das surreale Musiktheater "The Grief of Red Granny" von Gorges Ocloo feierte am Donnerstag im Odeon-Theater im Rahmen der Wiener Festwochen seine Premiere.
  • Weitere Aufführungen des Werks finden am 20. und 21. Juni statt.