"Eurotrash" in Gmunden mit überzeugendem Schauspieler-Duo
Die Bühnenfassung von Krachts gleichnamigem Roman ist ein Road-Trip eines Mannes - der namensident mit dem Autor ist - mit seiner alkohol- und tablettensüchtigen, psychisch angeschlagenen und allmählich dement werdenden Mutter durch die Schweiz. Die Beziehung der beiden ist durch allerlei Konflikte aufgeladen, beide tragen emotionalen Ballast von Missbrauchserfahrungen bis zur Nazi-Geschichte der Familie mit sich herum. Dennoch will der Sohn, der erkennt, dass es mit seiner Mutter zu Ende geht, mit ihr auf eine Reise gehen, teils Katharsis, teils Versöhnung hat er im Sinn.
Beide wollen das Geld ihrer Familie unter die Leute bringen, denn: "Wenn Geld nicht sinnfrei verjubelt und verschenkt wird, dann landet es immer im Krieg, wird in Kriegswaffen investiert", weiß die Mutter - dank ihres Aktienpakets aus eigener Erfahrung. Also werden das schmutzige Vermögen im Plastiksackerl, Perlenkette, Stoma-Ersatzbeutel und natürlich jede Menge Tabletten und Flaschen eingepackt. Die Reise mit Rollator und Taxi führt die beiden über eine menschenarme rechtsextreme Spinner-Kommune in die Hände von Betrügern und schließlich ins Hochgebirge, weil die Mutter einmal ein Edelweiß in freier Wildbahn sehen will.
Über einen Sandhaufen und in einer Seilbahngondel (Bühne: Christin Treunert) geht es auch über die weltanschaulichen europäischen Gräben, die in anderen Teilen der Welt vielleicht als Luxusprobleme erachtet werden, vom Veganismus bis zur Vergangenheitsbewältigung. Die Fassade der bürgerlichen Kultiviertheit und des fragwürdig erworbenen Wohlstands bröckelt ebenso wie die geistige und körperliche Verfassung der Mutter.
Petra Morzé und Benedikt Steiner brillieren
Roadtrips sind ohnehin selten durch besonders stringente rote Fäden gekennzeichnet und eher Bettelarmbändern ähnlich, "Eurotrash" ist aber selbst für dieses Genre eine nur mäßig zusammenhängende Ansammlung an Kuriositäten, was aber durch das Fehlen einer Pause und - vor allem! - durch brillante schauspielerische Leistungen unter der Regie von Dominique Schnizer nahezu völlig aufgefangen wird.
Wenn Petra Morzé ihren Bühnensohn auffordert, ihr eine Geschichte zu erzählen, ihm staunend lauscht wie ein Kind und plötzlich überraschend reflektierte Fragen stellt, wenn sie sich am Rollator aufrichtet und auf reiche Lady macht, um den Bankmitarbeiter zu mehr Zuvorkommen zu animieren, einen Betrüger austrickst, mit Literaturzitaten um sich wirft, die sie nicht versteht und trotzdem gekonnt einsetzt - dann weiß man nicht, ob sie bösartig oder lieb, verrückt oder weise, noch da oder schon weg ist. Eine perfekte Studie der beginnenden Altersdemenz! Der wandlungsfähige Benedikt Steiner als ich-erzählender Sohn schlüpft nebenbei auch in die kleinen Nebenrollen vom germanischen Medizin-Jünger bis zum betrügerischen Privatpiloten. Am Ende bringt er seine Mutter in die Klinik, wo sie sich auf Zebra-Safari in Afrika wähnt. Hoffentlich ergeht es der in die Jahre kommenden europäischen Lebensart einmal besser.
(Von Verena Leiss/APA)
(S E R V I C E - "Eurotrash" von Christian Kracht, Inszenierung: Dominique Schnizer, Bühne & Kostüme: Christin Treunert, mit Petra Morzé und Benedikt Steiner. Weitere Vorstellung im Stadttheater Gmunden am 28. Juni um 19.30 Uhr, Premiere im Landestheater Linz am 18. Oktober. https://www.festwochen-gmunden.at)
Zusammenfassung
- Die Salzkammergutfestwochen Gmunden zeigten mit 'Eurotrash' von Christian Kracht eine Koproduktion mit dem Landestheater Linz, die am 28. Juni in Gmunden und am 18. Oktober in Linz Premiere feiert.
- Im Zentrum stehen Petra Morzé und Benedikt Steiner als Mutter-Sohn-Duo auf einem Roadtrip durch die Schweiz, geprägt von familiären Konflikten, Missbrauchserfahrungen und dem Versuch, das zweifelhafte Familienvermögen auszugeben.
- Die Inszenierung von Dominique Schnizer wird vor allem durch die brillante Darstellung der beginnenden Demenz durch Morzé und die Vielseitigkeit Steiners getragen.