ESC-Sieger JJ: "Die Privatsphäre ist weg"
So ist die Nummer deutlich radiotauglicher, poppiger, erinnert in der Produktion eher an Vorbilder wie Charli XCX oder Taylor Swift. Und das Falsettelement ist praktisch gänzlich in den Hintergrund getreten. Inhaltlich geht es dabei wieder um eine unglückliche Liebe, die einen nicht loslässt. Aus Anlass der Veröffentlichung des Songs bei Warner Music sprach der 24-Jährige nun mit der APA über seine bewusste Hinwendung zum Radiopop, seinen Fokus auf die Musik anstelle öffentlicher Aussagen und die Entscheidung, den ESC 2026 nicht zu moderieren.
APA: "Back to Forgetting" ist ganz anders gelagert als Ihr ESC-Siegersong "Wasted Love". Wo würden Sie ihn selbst stilistisch einordnen?
JJ: Ich würde sagen, er ist sehr facettenreich, deutlich poplastiger als "Wasted Love", hat aber trotzdem noch klassische und elektronische Elemente. Und er ist auch für mich persönlich angenehmer zum Hören, weil ich nicht immer an ein Cis denken muss ...
APA: Nicht nur angenehmer zu singen, sondern sogar selbst zu hören?
JJ: (lacht) Sowieso! Und er ist auch leichter für Menschen zum Mitsingen.
APA: Das Falsett, also die Kopfstimme, spielt praktisch keine Rolle mehr. Ist das ein bewusster Bruch mit dem bisher eingeschlagenen Weg?
JJ: Ja, denn ich wollte schon als Kind immer Popstar werden, das war schon immer mein Traum. Ich habe "Hannah Montana" geschaut und mir gedacht, ich möchte das Leben als Popstar und daneben ein ganz normales Leben führen. Und ich stand immer vor dem Spiegel mit einer Bürste in der Hand und habe so getan, als wäre vor mir ein Millionenpublikum. Diesem Traum wollte ich nun nachgehen und habe mich entschlossen, diese andere Richtung zu zeigen, die man noch nicht von mir gehört hat.
Alltagsleben ist perdu
APA: Keith Richards hatte, glaube ich, nie den Traum, neben dem Leben als Popstar noch ein ganz normales Alltagsleben zu führen ...
JJ: Nach meinem Sieg beim ESC ist die Privatsphäre jetzt natürlich weg, aber das habe ich mit meiner Bewerbung auch in Kauf genommen. Und nur mit dem Leben als Popstar geht es auch. (lacht)
APA: Das bedeutet, dass "Back to Forgetting" keine Eintagsfliege sein soll, sondern Ihren künftigen Weg als Künstler eher vorzeichnet als "Wasted Love"?
JJ: Genau, das ist die Geburt einer neuen Ära. Es zeigt eine neue Seite von mir, die man vielleicht jetzt nicht erwartet als Nachfolgesingle, und diesen Weg will ich weiterhin gehen. Aber ich werde trotzdem noch die klassischen Elemente beibehalten, weil das natürlich mein Spezialgebiet ist. Ich werde die Klassik nie vergessen.
APA: Stichwort "Era". Gab es musikalische Vorbilder für Sie, denen Sie hier nacheifern - abseits von "Hannah Montana" ...
JJ: Ich habe auf jeden Fall als große gesangliche Inspiration meine Lieblingssängerin Ariana Grande im Kopf gehabt, und bei den elektronischen Stellen habe ich an Charli XCX gedacht. Das sind die zwei Personen, die mich schon in meiner Kindheit sehr geprägt haben.
Trennung vom alten Songwriter-Team
APA: War es dafür notwendig, sich vom alten ESC-Songwritingteam rund um Teya zu trennen? Das ist bei der neuen Single nicht mehr an Bord.
JJ: Wir waren ja schon Freunde, bevor wir zum ESC gefahren sind und sind es auch weiterhin. Und ich habe einige gemeinsam geschriebene Songs abgespeichert, aber ich musste die schwere Entscheidung treffen, wie es jetzt weitergehen soll. Aber ich bin Teya und Thomas Turner sehr dankbar für die Musik, die wir zusammen geschrieben haben. Und vielleicht kommt ja auch mal was davon raus ....
APA: Apropos. Wird es weitere Singles geben demnächst? Wann kommt ein Album?
JJ: Also im Spätherbst wird es auf jeden Fall eine zweite Single geben. Und im Zuge des ESC nächstes Jahr werde ich dann auch eine EP rausbringen.
Keine Moderation des ESC
APA: Kann es da mit Ihrer Idee klappen, gleichzeitig den ESC in Wien zu moderieren, wenn Sie an einer neuen Platte arbeiten?
JJ: Ich habe mir das noch mal durch den Kopf gehen lassen, und ich weiß natürlich, dass das alles sehr viel Zeit in Anspruch nehmen würde. Ich glaube, eine Moderation wäre dann doch ein bisschen zu viel. Aber auf jeden Fall werde ich nächstes Jahr ein Teil vom ESC sein und meine Siegernummer und auch eine neue performen.
APA: Sie sind also fix nicht Teil des Wiener ESC-Moderationsteams?
JJ: Ich überlasse den Posten den lieben Kolleginnen.
APA: Das bedeutet auch generell, dass Sie anders als etwa Conchita nicht den Weg gehen und abseits der Musik eine Fernsehpersönlichkeit werden?
JJ: Ach, ich könnte mir schon gut vorstellen, dass ich als Juror irgendwo sitze oder eine Sendung moderiere. Aber jetzt konzentriere ich mich mal auf die Musik.
Fanbase bleibt treu
APA: Sie sahen sich nach Ihrer Aussage zur Teilnahme von Israel beim ESC in Wien deutlicher medialer Kritik ausgesetzt. Was haben Sie aus dieser Phase mitgenommen? Was haben Sie für sich gelernt aus den Reaktionen?
JJ: Die Interaktion mit den Fans ist das, was mich am meisten freut. Ich werde mittlerweile sehr oft auf der Straße erkannt und nehme mir auch die Zeit, mit den Fans ein bisschen zu tratschen und Fotos zu machen. Sie sind so unterstützend und schenken mir so viel Liebe.
APA: Das bedeutet, von der Fanbase gab es keine negativen Reaktionen?
JJ: Meine Fans sind wirklich super und haben mich von Anfang an unterstützt, auch schon vor dem ESC.
APA: Positionieren Sie sich künftig ausschließlich als Künstler oder pochen Sie darauf, als Person der Öffentlichkeit auch weiterhin Ihre Meinung äußern zu können?
JJ: Ich konzentriere mich auf das, was ich am besten kann, und das ist die Musik. Meine Songs haben auch immer eine persönliche Geschichte dahinter. Ich freue mich sehr, dass ich diese Emotionen einbinden kann und die Leute hier Anknüpfungspunkte finden.
APA: Dabei geht es in "Back to Forgetting" wie schon bei "Wasted Love" um eine unglückliche Liebe. Was ist denn los bei Ihnen?!
JJ: (lacht) Naja, "Back to Forgetting" ist quasi die Fortsetzung von "Wasted Love". Die Person, die im neuen Song angesprochen wird, ist auch die Person, über die ich "Wasted Love" geschrieben habe. Aber ich bin jetzt in einer sehr glücklichen Beziehung. Und vielleicht schreibe ich ja auch mal einen Song darüber. (lacht)
(Das Gespräch führte Martin Fichter-Wöß/APA)
(ZUR PERSON - Geboren wurde Johannes Pietsch am 29. April 2001 in Wien. Der Sohn einer philippinischen Köchin und eines österreichischen IT-Experten wächst allerdings in Dubai auf, bevor die Familie 2016 zurück in die Donaumetropole zog. Der junge Countertenor schaffte es in die Opernschule der Wiener Staatsoper und studierte Sologesang bei der renommierten Wagner-Ikone Linda Watson an der Musik und Kunst Privatuniversität. Über die Opernwelt hinaus bekannt wurde Pietsch unter seinem Künstlernamen JJ aber im Mai in Basel, als er mit seinem Lied "Wasted Love" den Eurovision Song Contest gewann und den Bewerb damit 2026 nach Österreich holte.)
Zusammenfassung
- Der 24-jährige ESC-Sieger JJ veröffentlicht mit 'Back to Forgetting' eine neue, poppige Single, die sich stilistisch klar von seinem Siegersong 'Wasted Love' abhebt.
- JJ trennt sich für die neue Musikrichtung vom bisherigen ESC-Songwritingteam rund um Teya, betont aber den Fortbestand der Freundschaft.
- Nach dem ESC-Sieg und der damit verbundenen medialen Aufmerksamkeit sieht JJ seine Privatsphäre als verloren an, nimmt dies aber für die Karriere in Kauf.
- JJ plant im Spätherbst 2025 eine weitere Single und will im Rahmen des ESC 2026 eine EP veröffentlichen, verzichtet jedoch auf die Moderation des Events.
- Trotz Kontroversen um seine Israel-Aussage beim ESC bleibt ihm seine Fanbase treu und JJ legt den Fokus in Zukunft verstärkt auf seine Musik.