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Erwin Steinhauer wird 70: Neues Programm mit alten Liedern

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Erwin Steinhauer bestellt im Kaffeehaus einen Roibuschtee. Die Kellnerin fragt nach dem Impfpass. Der Gast versteht "Im Fass?", schmunzelt irritiert und winkt generös ab: Ein Fass Tee sei ihm zu viel, eine Kanne würde ihm schon reichen. Höchste Verwirrung nun bei der Kellnerin, die keine Ahnung hat, was das soll. Was wie eine Kabarettnummer klingt, ist der Beginn des APA-Interviews mit dem Schauspieler und Kabarettisten, der am 19. September seinen 70. Geburtstag feiert.

Dabei ist Erwin Steinhauer, den der Titel eines neuen Buches, das am Mittwoch präsentiert wird, einen "Tragikomiker" nennt, eigentlich gar nicht zum Scherzen aufgelegt. Der Zustand der Gesellschaft ist nicht zum Lachen. Und das Interview ist politisch, sehr ernüchtert und durchaus angriffig.

Ende September wird Erwin Steinhauer ein neues Programm mit alten Liedern herausbringen. "Alles Gute ... und alles Erfolgreiche" heißt es. "Das Gute ist nicht notwendigerweise das Erfolgreiche", sagt er. Das gelte auch für sein eigenes, umfangreiches Schaffen, bei dem in seiner Rückerinnerung nicht allzu viel wirklich Bestand hat. "Ein paar Schwarzenberger-Filme liegen mir am Herzen, 'Single Bells' etwa, aber auch die 'Polt'-Reihe hat die Herzen der Menschen getroffen. Aber die Basis von allem war 'Der Sonne entgegen'. Ich bin jetzt 45 Jahre im Beruf, aber das ist den Leuten wirklich in Erinnerung geblieben", sagt er, und fügt lachend an: "Und manchen nur das." In der 1984/85 gedrehten TV-Serie spielte er einen Teil eines Aussteigerquartetts, das sich in ein jugoslawisches Fischerdorf absetzte.

Die Liste der Filme, Programme und Stücke, an denen der Wiener mitwirkte, füllt Seiten. Würde er im Rückblick sagen: ein geglücktes Leben? Steinhauer antwortet nach einer Nachdenkpause: "Nein, da gehört noch viel dazu. Beruflich bin ich meiner Neigung, die ich schon mit fünf, sechs Jahren hatte, trotz aller Schwierigkeiten, die mir in den Weg gelegt wurden, schnurstracks gefolgt. Privat fühle ich mich aber gar nicht erfolgreich. So ist es eben."

Steinhauers Einstieg in die (Klein-)Kunst war ein überaus politischer. Mit der Kabarettgruppe Keif spielte er im Oktober 1974 im Folkclub Atlantis das Erstlingsprogramm "Habt acht Gebote!", Untertitel: "Radikal-Dilettantisches über Gott und die Welt, vom Exorzisten über Chile zum Bauringskandal". Der Erfolg war durchschlagend, "da haben wir uns mit allen angelegt". Dass er heute nicht mehr von der Bühne herunter austeilt, habe nichts mit innerer Emigration zu tun, beteuert er: "Für eine innere Emigration bin ich zu konfliktfreudig. Und ich bin ein Newsjunkie. Wenn ich etwa das Niveau der Debatten im Deutschen Bundestag und im Nationalrat miteinander vergleiche, kommt mir das Weinen. Es ist traurig, aber ich muss dem Herrn Bundespräsidenten widersprechen: Wir sind so. Mit allem Drum und Dran. Wir sind rechtskonservativ aufgestellt. Alles andere war historisch ein Irrtum."

Während Kanzler Kurz beweise, dass es keine FPÖ brauche, um FP-Politik zu machen, seien die Grünen "eine der größten Enttäuschungen meines Lebens in der letzten Zeit. Aber da bin ich sicher nicht allein. Wenn es jetzt Wahlen gäbe, wären sie wohl einstellig. Nach Bruno Kreisky war ich immer Grün-Wähler. Was ich in Zukunft wählen werde, weiß ich nicht. Die Grünen müssten viel mehr auf Konfrontation gehen. Und ich denke, sie könnten damit auch Erfolg haben." Justizministerin Alma Zadic und Umweltministerin Leonore Gewessler zeigten zwar "unvergleichliches höheres Niveau" in ihrer Arbeit als andere, hätten aber gegen einen Regierungspartner, der sich "mit allen Mitteln, auch jenen der Unwahrheit, an die Macht klammert", keine Chance. "Wenn jemand so den Parlamentarismus verhöhnt wie Herr Blümel, bleibt mir der Mund offen stehen."

Es stimme ihn traurig, dass die SPÖ daraus keinerlei Kapital schlagen könne. Die Frage, wo er sich in der Konfliktlinie Rendi-Wagner - Doskozil denn einordnen würde, beantwortet der "familiär verwurzelte Sozialdemokrat" überraschend: "Bei Barbara Blaha. Und Andreas Babler. Das wäre die Sozialdemokraten, die für mich Zukunft bedeuten würden." Und in der Zukunft werde es ohne radikale Maßnahmen nicht gehen, ist der bald 70-Jährige, der drei Kinder und drei Enkel hat, sicher. Anders sei die Klimakrise nicht zu bewältigen. "Wir sehen den Gefahren ins Auge. Aber wir reagieren nicht, weil die Politik glaubt, der Bevölkerung nichts zumuten zu können. Das sehen wir jetzt auch beim Herumlavieren in Sachen Coronaimpfung. Es geht der Politik immer nur um Machterhalt. Dabei ist klar, dass wir mit fossilen Brennstoffen den Planeten ruinieren. Es kann so nicht weitergehen. Und es wird wehtun", sagt Steinhauer. Gleichzeitig stehe die Demokratie "auf ganz schwachen Beinen. Und je besser es uns geht, desto wackliger werden sie."

Spürt er nicht gelegentlich doch ein Verlangen, diesen Furor auch wieder von der Bühne herunter einzusetzen, seine Bekanntheit zu nutzen, um politische Aufklärungsarbeit für das, was ihm wichtig ist, zu leisten? Steinhauer winkt ab. "Lukas Resetarits und Josef Hader machen hoch politisches Kabarett, das ich sehr schätze. Aber ich bin ja kein Autor. Es gehört mehr dazu, als nur der Wille dazu. Ich trau mir das nicht zu."

Und gibt's auch kein Comeback im Sprechtheater? Schließlich hat Erwin Steinhauer fast überall das Publikum begeistert - von der Freien Szene bis zum Burgtheater und den Salzburger Festspielen. Als Antwort erzählt er davon, wie Herbert Föttinger ihn vor zwei Jahren zunächst zur Mitwirkung bei Werfels "Jacobowsky und der Oberst" überredet habe. Zwei Monate vor Probenbeginn habe er jedoch abgesagt: "Ich hab' gesehen: Ich bin's nicht. Seit damals habe ich die Angst, dass ich den Theatervirus verloren habe. Vielleicht bin ich künftig immun gegen ihn." Und es klingt, als wüsste er noch nicht recht, ob das nicht eigentlich ganz in Ordnung so wäre.

Also wird das Liedprogramm neben seinem laufenden musikalischen H.C.-Artmann-Abend "Ich bin Abenteurer und nicht Dichter" vorläufig die einzige Möglichkeit bleiben, ihn auf der Bühne zu sehen. Am 30. September geht's in der Bühne im Hof in St. Pölten los. "Am 14. Oktober gastieren wir dann im Globe Wien. Da bin ich gespannt, denn da gehen doch sehr viele Leute rein. Es wird schwer, das zu füllen."

Der Roibuschtee ist ausgetrunken. Letzte Frage: Wie feiert man einen 70er unter Coronabedingungen? "Ich bin ja eigentlich ein Feier-Flüchtling. Beim 60er bin ich nicht ausgekommen, denn da hab ich gerade an der Josefstadt gespielt. Jetzt hab ich meinen Kindern gesagt: Wenn ihr wollt, organisiert halt was. Aber bitte mit möglichst wenig Menschen."

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

ribbon Zusammenfassung
  • Erwin Steinhauer bestellt im Kaffeehaus einen Roibuschtee.
  • Die Kellnerin fragt nach dem Impfpass.
  • Dabei ist Erwin Steinhauer, den der Titel eines neuen Buches, das am Mittwoch präsentiert wird, einen "Tragikomiker" nennt, eigentlich gar nicht zum Scherzen aufgelegt.
  • Der Zustand der Gesellschaft ist nicht zum Lachen.
  • Steinhauers Einstieg in die (Klein-)Kunst war ein überaus politischer.
  • Am 30. September geht's in der Bühne im Hof in St. Pölten los.

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