Eine echte Comeback-Story: Michaelina Wautier im KHM
In der großen Herbstausstellung zeige man nur unstrittige Werke der Malerin, von der momentan lediglich 35 bekannt seien, wie KHM-Generaldirektor Jonathan Fine bei der Präsentation der Schau unterstrich. Diese Zahl stelle aber mutmaßlich nur einen Bruchteil des Wautier-Œuvres dar. Genauer lässt sich dies allerdings nur schwer beziffern, ist das Leben der Künstlerin doch über weite Strecken ein weißes Blatt.
Auch wenn Habsburgs Statthalter Erzherzog Leopold Wilhelm in Brüssel ihre Werke sammelte, gibt es heute keine Zeugnisse aus Wautiers Hand - wenn man von der Signatur auf ihren Bildern absieht. Entsprechend wenig ist von der Barockmalerin bekannt, die rund um 1614 geboren sein dürfte und 1689 starb - und heute in zahlreichen Namensvarianten wie Woutiers bekannt ist. Sie stammte aus dem wallonischen Teil des heutigen Belgiens und erarbeitete sich auch ohne eine formelle Ausbildung den Einzug in die künstlerischen Kreise am Habsburger-Hof in Brüssel. Gemeinsam mit ihrem ebenfalls malenden Bruder Charles Wautier lebte sie zusammen und teilte sich vermutlich auch ein Atelier.
Ein Leben aus den Bildern ableiten
"Wir müssen das Meiste über ihr Leben von ihren Bildern ableiten", zog Fine den Schluss. Und die sind in der Schau zahlreich vorhanden. Markant ist etwa, dass sich die Künstlerin anders als die meisten Geschlechtsgenossinnen ihrer Zeit, nicht auf Stillleben beschränkte, sondern lebendige Historiengemälde im starken Pinselstrich schuf - einer der Gründe, weshalb ihre Werke später oft Männern zugeschrieben wurden. Von welcher Monumentalität diese Arbeiten teils waren, verdeutlicht man nicht zuletzt mit einem Digitalprojekt zum "Triumph des Bacchus", der - im 18. Jahrhundert massiv beschnitten - nun mittels KI digital vervollständigt wird.
Zu den Hauptwerken des KHM wie dem "Bacchus" gesellen sich für die Ausstellung Leihgaben, so Wautiers Selbstporträt mit Malutensilien aus einer Privatsammlung oder ihre Serie "Die fünf Sinne" aus der Rose-Marie and Eijk Van Otterloo Collection, die erstmals vollständig in Europa zu sehen ist. Dabei wird vor allem deutlich, wie eigenständig der Gestus der Malerin bei den Porträts ausfiel. Die fünf Burschen, die für je einen der Sinne stehen, zeigen den humorvollen und individuellen Blick der Künstlerin. Und auch das Porträt des Jesuitenpaters Martino Martini in chinesischem Hofgewand streicht die Eigenständigkeit des Abgebildeten heraus.
Klassische Comeback-Story
"Die Ausstrahlung ihrer Bilder ist am stärksten, wenn man sie live sieht", warb Fine für die Entdeckung der großen Unbekannten in den Hallen des KHM. Die belgische Kunsthistorikerin und Wautier-Expertin Katlijne Van der Stighelen zeigte sich zuversichtlich, dass die Künstlerin nach Jahren der Ignoranz nun bereit für den Durchbruch sei. "Die Antwort von Museumsmachern war in den vergangenen Jahren stets: Man kann keine Ausstellung über eine Künstlerin machen, die niemand kennt." Dies sei dank des KHM nun anders. Nicht zuletzt ist das Comeback von Michaelina Wautier schlichtweg auch eine gute Story.
(S E R V I C E - "Michaelina Wautier" im Kunsthistorischen Museum, Maria-Theresien-Platz 1, 1010 Wien von 30. September 2025 bis 22. Februar 2026. Danach in adaptierter Form in der Royal Academy of Arts in London vom 27. März bis 21. Juni. Dazu erschienen: "Michaelina Wautier", hrsg. von Gerlinde Gruber, Katlijne Van der Stighelen und Julien Domercq, Belser Verlag, 192 Seiten, 39,95 Euro. www.khm.at/ausstellungen/michaelina-wautier)
Zusammenfassung
- Das Kunsthistorische Museum Wien zeigt ab 30. September 2025 erstmals fast alle bekannten Werke der flämischen Barockmalerin Michaelina Wautier, darunter 29 Gemälde, eine Zeichnung und eine Druckgrafik.
- Von der Künstlerin, die um 1614 geboren wurde und 1689 starb, sind bislang weltweit nur 35 Werke bekannt, wobei ihr tatsächliches Gesamtwerk vermutlich deutlich größer ist.
- Die Ausstellung umfasst auch Leihgaben wie das Selbstporträt und die Serie 'Die fünf Sinne', läuft bis 22. Februar 2026 und wird anschließend in London zu sehen sein.