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"Dr. Melchiors lustige Tiere": Gedichte von Köhlmeier

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Es ist eine bunte Menagerie, die der Vorarlberger Michael Köhlmeier in seinem Lyrikband "Dr. Melchiors lustige Tiere" in hundert Gedichten vorstellt. Den tierischen Protagonisten der sprachverspielten, humoristischen Vierzeiler scheint nichts Menschliches fremd. Dabei stellt der Autor mit viel Sympathie für Ausgestorbene und Ungeliebte das Mensch-Tier-Verhältnis zur Diskussion. Der Künstler Lorenz Helfer steuerte dazu ausdrucksstarke Illustrationen bei.

Viel erfährt man nicht über den titelgebenden Dr. Melchior, den man sich vielleicht als Alter Ego Köhlmeiers, als Schausteller mit Wandermenagerie oder vagabundierenden Scholar vorstellen kann: "Mir kommt die Fauna seltsam vor: Drum frag ich Doktor Melchior. Der zeigt mir alle Viecher her, als ob er selber eines wär", so das erste Gedicht. In knappster Form erzählt der Autor im Folgenden davon, wie die Giraffe beinahe das Aussterben der Dinosaurier verhindert hätte und berichtet über einen Frosch, der mit vorstellbaren Folgen einen Storch für einen Engel hält. Er stellt Überlegungen über das Halten von Walross und Spatz als Haustier an - Stichwort Platzbedarf, man erfährt den Grund für die Abneigung der Mücke gegen Brecht-Gedichte sowie dass die Taube ihre Rolle als Friedenssymbol satthat, sie "wär so gern ein fieses Schwein".

Vor allem "großkopferte" Tiere bekommen in den an Sinnsprüche, Werbeslogans, Urban Legends oder Ratschläge angelehnten Gedichten ihr Fett ab. Für sogenanntes Ungeziefer, für Ausgestorbene, Kleine, Unbeachtete offenbart sich dagegen eine gewisse Zuneigung - oder erfahren sie nur nicht die sonst so häufige Abwertung? Dabei geht es in diesem literarischen Zoo nicht nur um allzu menschliche Tiere, auch illustre Persönlichkeiten aus Kunst, Geschichte und Politik tauchen auf. Köhlmeier hat eine wundersame, skurrile Welt aus vierhebigen Versen gezimmert, in der die Reime auch mal lustvoll schief daherkommen. Der Ton ist oft derb, manchmal aber auch nachdenklich.

Vor den Wortspielen Köhlmeiers, seinem Hintersinn und Witz, ist in dem schmalen Bändchen buchstäblich keine Tierart sicher. Stellte Christian Morgenstern sein Wiesel bekanntlich "um des Reimes willen" auf den Kiesel im Bachgeriesel, spekuliert Köhlmeier, der Hecht könnte uns nur als ehrlich erscheinen, weil er sich auf "echt" reimt. Das Gnu bringt er aufgrund seines kurzen Namens mit einer ebensolchen Lebensdauer in Verbindung und den Bauern, der aus Spaß eine Ente tötet, zwingt der machtvolle Reim mal eben in die Rente.

Der 1949 geborene Vorarlberger Schriftsteller ist vor allem für Erzählungen, Essays und Romane (zuletzt "Matou", 2021) bekannt, veröffentlicht aber immer wieder auch Lyrik, darunter "Der Liebhaber bald nach dem Frühstück" (2012), "Das Lied von den Riesen" (2015) und "Ein Vorbild für die Tiere" (2017). Zum Werk hat Köhlmeiers Sohn Lorenz Helfer mehr als dreißig Illustrationen beigesteuert. In dicken Strichen hat der ausgebildete Maler Tierbilder geschaffen, die in ihrer Ausdrucksstärke und Lebendigkeit auch ganz ohne die Gedichte bestehen können.

(S E R V I C E - Michael Köhlmeier: "Dr. Melchiors lustige Tiere". Illustriert von Lorenz Helfer. Leykam Verlag. 120 Seiten. 20 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Es ist eine bunte Menagerie, die der Vorarlberger Michael Köhlmeier in seinem Lyrikband "Dr. Melchiors lustige Tiere" in hundert Gedichten vorstellt.
  • Dabei stellt der Autor mit viel Sympathie für Ausgestorbene und Ungeliebte das Mensch-Tier-Verhältnis zur Diskussion.
  • Zum Werk hat Köhlmeiers Sohn Lorenz Helfer mehr als dreißig Illustrationen beigesteuert.

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