APA/Wolfgang Huber-Lang

"Der König stirbt": Jubel um Peymann in den Kammerspielen

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Die lebendigsten Momente von "Der König stirbt" gab es beim Schlussapplaus: Im Inszenieren von Applausordnungen bleibt Claus Peymann ein Meister. Strahlend arrangierte der 84-Jährige gestern am Ende seines Debüts an den Kammerspielen der Josefstadt immer neue Verbeugungs-Kombinationen und nahm auch alleine den Jubel des Publikums entgegen. Der Theaterkönig, der vor zwei Jahren bei seiner Regie von Ionescos "Die Stühle" selbst dem Tod von der Schaufel gesprungen war, lebt!

Seine Inszenierung hingegen wirkt wie eine Geschenk-Box, die allzu lange nicht aufgemacht wurde. Für diesen Eindruck sorgt auch das Bühnenbild von Achim Freyer, der mit Tüchern einen hohen Thronsaal begrenzt, der bereits Risse hat, aber gelegentlich hübsch bunt angestrahlt wird. Unter dem Deckel wartet nicht das Theater-Springteuferl, das einem höhnisch ins Gesicht schnellt, sondern ein Aufzieh-Ringelspiel, in dessen Getriebe schon einiger Staub gekommen ist. Peymann zelebriert Ionescos Text, anstatt aufs Tempo zu achten. Eine Stunde 45 Minuten lang läuft der Countdown Richtung Tod. Es ist ein langatmiges Ringen um den letzten Atemzug, das dank Margit Koppendorfers Kostümen - von Ritterrüstung bis Reifrock - wie ein Clownspiel vom Sterben wirkt.

Im Burgtheater ringen derzeit in "Maria Stuart" zwei Königinnen auf Leben und Tod miteinander. So auch in den Kammerspielen, bloß sind Königin Margarete (Lore Stefanek) und Königin Maria (Maria Köstlinger) demselben Mann angetraut: Der König, den Bernhard Schir als altes, trotziges Kind anlegt, hat seine Frau durch eine Jüngere ergänzt. Klar, das die beiden einander Spinnefeind sind, besonders jetzt, da der Arzt, der gleichzeitig auch Scharfrichter und Sternendeuter in einer Person ist (Johannes Krisch gibt ihm eine gute Portion Dämonie), des Königs baldigen Tod voraussagt. In die sich daraus ergebenen höfischen Auseinandersetzungen werden auch die junge Haushälterin (Johanna Mahaffy) und der geharnischte Wächter (Marcus Bluhm) mit hineingezogen.

Das ganze naiv wirkende Treiben würde über weite Strecken wie ein die Letzten Dinge heiter bis absurd abhandelndes Kindertheater wirken, gäbe es da nicht drei Aspekte, die dem Abend zumindest passagenweise tiefere Dimension verliehen. Zum einen zeigt dieser 1962 uraufgeführte Klassiker des absurden Theaters ein rapide dem Verfall preisgegebenes Reich, in dem die Macht in Agonie liegt und gar nicht mehr in den Lauf der Dinge eingreifen kann, weil der Zeitpunkt dafür versäumt wurde. Die Risse in den Wänden werden immer bedrohlicher. Zum Zweiten geht es Ionescos König ab dem Moment seiner letale Diagnose wie Hofmannsthals "Jedermann". Er beginnt zu feilschen, denn er sei noch gar nicht auf den Tod vorbereitet: "Ich wollte gerade damit anfangen." Und schließlich geht es in "Der König stirbt" unverhohlen auch um einen Bühnentod. Diesen Aspekt hebt Peymanns Inszenierung besonders heraus.

Erst als es dem König wirklich an den Kragen geht, packt einen auch die Inszenierung. Das langsame Bühnen-Sterben des Bernhard Schir, das vom kleinen Zittern bis zum großen Abschiednehmen reicht, macht es unmöglich, nicht nur an entsprechende Szenen der eigenen Familiengeschichte zu denken, sondern auch an das einstige oder noch bevorstehende Abtreten großer Theatermacher - von Molière, der 1673 bei einer Vorstellung von "Der eingebildete Kranke" zusammenbrach, bis zum 91-jährigen Otto Schenk, der im Frühjahr schmerzlich feststellen musste, für seine Abschiedsvorstellungen von Tschechows "Der Kirschgarten" nicht mehr genug Kraft zu haben.

Und natürlich denkt man an Claus Peymann selbst, der seit Jahren in Interviews genussvoll darüber sinniert, welche Teile seines Körpers in Berlin und welche in Wien ihre letzte Ruhestätte finden sollen. Er lässt den König seinen letzten Weg alleine gehen und nach den Sternen greifen. Die Thronstiege wird dabei zur Himmelstreppe: Krone, Mond und Sterne. Ein schönes Schlussbild für eine Inszenierung, die insgesamt jedoch nicht allzu hell am Theaterhimmel leuchtet.

(S E R V I C E - "Der König stirbt" von Eugene Ionesco, Deutsch von Claus Bremer und Hans Rudolf Stauffacher, Regie: Claus Peymann, Bühnen- und Lichtkonzept: Achim Freyer, Bühnenbildmitarbeit: Moritz Nitsche, Kostüme: Margit Koppendorfer, Musik: Franz Wittenbrink, Mit: Bernhard Schir - Der König, Lore Stefanek - Margarete, die erste Königin, Maria Köstlinger - Maria, die zweite Königin, Johannes Krisch - Der Arzt, Johanna Mahaffy - Julchen, Haushälterin beim König, Marcus Bluhm - Ein Wächter; Kammerspiele der Josefstadt, Karten: 01 / 42 700-300, Nächste Vorstellungen: 26., 30.9., 12., 14., 18.10, www.josefstadt.org)

ribbon Zusammenfassung
  • Die lebendigsten Momente von "Der König stirbt" gab es beim Schlussapplaus: Im Inszenieren von Applausordnungen bleibt Claus Peymann ein Meister.
  • Strahlend arrangierte der 84-Jährige gestern am Ende seines Debüts an den Kammerspielen der Josefstadt immer neue Verbeugungs-Kombinationen und nahm auch alleine den Jubel des Publikums entgegen.
  • Im Burgtheater ringen derzeit in "Maria Stuart" zwei Königinnen auf Leben und Tod miteinander.

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