Das Lehár Festival Bad Ischl zeigt "Eine Nacht in Venedig"
Mit "Orpheus in der Unterwelt" von Jacques Offenbach war man vor wenigen Tagen in die 65. Saison gestartet, und Intendant Thomas Enzinger zeigte sich vor dem Beginn der zweiten Produktion gewiss: "Die Operette lebt!" Tatsächlich versteht man es in Ischl, durch den souveränen Umgang mit der Materie zu überzeugen: Hier wird nicht demontiert, aber auch nicht zelebriert. Hier wird versucht, das Vorhandene mit größtmöglicher künstlerischer Kompetenz umzusetzen, ohne zu verdrängen, dass an Spielhandlungen und Figuren der Zahn der Zeit mitunter ordentlich Spuren hinterlassen hat.
Am sympathischsten wird dies bei manchem Augenzwinkern spürbar. Wenn etwa Matjaž Stopinšek als Herzog Guido von Urbino alles daran setzt, die Frau des auf einen von ihm zu vergebenen Posten spitzenden Senators ins Bett zu kriegen, dann halten sich komödiantische und stimmliche Vorzüge die Waage (was man von "Senator" Erich Langwiesner an diesem Abend leider nicht behaupten kann). Und wenn mit der Gondel zum Stelldichein geschippert wird, dann reichen ein paar geschwungene blaue Stoffbahnen und der vor sich hergetragene charakteristische Gondelbug ("fero da prora" heißt der, verrät das Online-Lexikon), um alles Nötige anzudeuten.
Dabei scheut man in Bad Ischl den großen Aufwand keineswegs. Bühnenbildner Stefan Wiel und Kostümbildner Sven Bindseil benützen die einschlägigen Klischees rund um "Karneval in Venedig" so, dass der Kitsch gerade noch als charmant durchgehen kann. Chor und ein sechsköpfiges Tanzensemble führen dazu, dass auf der nicht allzu großen Bühne mitunter recht viel Getümmel herrscht, das Regisseur Wolfgang Dosch routiniert in geordnete Bahnen lenkt. Das lustvolle Maskenspiel, das ermöglicht, für eine Nacht soziale und amouröse Grenzen zu überschreiten und dazu führt, dass am Höhepunkt niemand mehr der ist, für den er gehalten wird, erhält Drive und Witz, ohne Gefahr laufen, mit Abgründen zu verstören. Über tiefe, dunkle Gewässer verfügt die Lagune nicht. "Eyes Wide Shut" spielt anderswo.
Solides Orchester, schöne Stimmen
Gepunktet wird nicht mit psychoanalytischen Deutungen oder tollen Regieeinfällen, sondern mit dem von Marius Burkert solide geführten Franz Lehár-Orchester und schönen Stimmen. Tina Jaeger überzeugt als heftig umworbene Anina ebenso wie Yichi Xu als ihr Geliebter Caramello, der erst so richtig weiß, was er an ihr hat, als der Herzog ihr als mächtiger Rivale gefährlich nahe kommt. Marie-Luise Engel-Schottleitner gefällt als Zofe Ciboletta mit bodenständiger Keckheit.
Aber auch das Gesamtpaket stimmt im Nach-Kulturhauptstadtjahr. Vom eleganten neuen Hotel "Grand Elisabeth" zum Kongress & TheaterHaus im Kurpark sind es für die Gäste nur ein paar Schritte. Im Theaterfoyer hat Kurzzeit-Theatermuseums-Direktorin Marie-Theres Arnbom die bis 24. August laufende Ausstellung "Wahrhaft Wonne - 200 Jahre Johann Strauss" gestaltet.
Buchpräsentation in der Lehár-Villa
Am Donnerstag (17. Juli) wird in der frisch renovierten Lehár-Villa mit großem Programm das von Herta Neiß im Böhlau Verlag herausgegebene Buch "In Ischl habe ich immer die besten Ideen. Franz Lehár und seine Villa an der Traun" präsentiert. Dabei treten nicht nur Bürgermeisterin Ines Schiller oder die zuständige Fachinspektorin des Bundesdenkmalamtes auf, sondern gibt es auch ein Wiedersehen und vor allem Wiederhören mit Mitgliedern des "Eine Nacht in Venedig"-Ensembles. Wenn Yichi Xu dann "Dein ist mein ganzes Herz" aus "Land des Lächelns" zum Besten gibt, sollte jedem und jeder klar werden: Das Strauss-Jahr mag am 31. Dezember zu Ende gehen. Für das Lehár-Jahr gilt in Bad Ischl jedoch die Devise: Alle Jahre wieder.
(Von Wolfgang Huber-Lang/APA)
(S E R V I C E - "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauss, Libretto von Friedrich Zell und Richard Gené, Spielfassung von Wolfgang Dosch. Musikalische Leitung: Marius Burkert, Inszenierung: Wolfgang Dosch, Choreographie: Evamaria Mayer, Bühne: Stefan Wiel, Kostüme: Sven Bindseil; Mit: Matjaž Stopinšek - Herzog Guido von Urbino, Ena Topčibašić - Barbara Delaqua, Tina Jaeger - Anina, Yichi Xu - Caramello, Roman Martin - Pappacoda, Miriam Portmann - Agricola, Erich Langwiesner - Senator Bartolomeo Delaqua, Marie-Luise Engel-Schottleitner - Ciboletta, Nikola Basta - Enrico Piselli, Lehár Festival Bad Ischl, Kongress & TheaterHaus Bad Ischl, Weitere Vorstellungen: 18., 25., 31. Juli und 2., 7., 16., 23. August jeweils um 20 Uhr, 16., 20., 23., 27. Juli und 3., 13., 18., 21. August jeweils um 15.30 Uhr. www.leharfestival.at; Herta Neiß (Hg.): "In Ischl habe ich immer die besten Ideen", Böhlau Verlag, 128 Seiten, 31 Euro, ISBN: 978-3-205-22273-6, Buchpräsentation am 17. Juli, 16.30 Uhr, in der Lehár Villa, Franz-Lehar-Kai 8)
Zusammenfassung
- Das Lehár Festival Bad Ischl zeigt als zweite Premiere der Saison 2024 die Operette "Eine Nacht in Venedig" von Johann Strauss.
- Mit rund 65 Jahren Festivalgeschichte und laut Eigenaussage Europas größtem Operetten-Festival setzt die Inszenierung auf venezianisches Flair und traditionelle Elemente.
- Das Franz Lehár-Orchester unter Marius Burkert und die Solistinnen Tina Jaeger und Yichi Xu werden für ihre musikalischen Leistungen hervorgehoben.
- Bis 24. August läuft im Theaterfoyer die Ausstellung "Wahrhaft Wonne - 200 Jahre Johann Strauss" und am 17. Juli wird in der Lehár-Villa ein neues Buch über Franz Lehár präsentiert.
- Weitere Aufführungen von "Eine Nacht in Venedig" finden bis 23. August zu verschiedenen Terminen im Kongress & TheaterHaus Bad Ischl statt.