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Burgtheater-Wiedereröffnung mit "Maria Stuart" umjubelt

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Die Transponierung von der Perner-Insel in Hallein auf die Bühne des Burgtheaters war erfolgreich. Martin Kušejs "Maria Stuart"-Inszenierung, die bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte, war am Sonntagabend als erste Vorstellung nach 307 Corona- und Umbau-bedingten Schließtagen im Haus am Ring zu sehen und wurde umjubelt. Die neuen Sitzreihen erwiesen sich als bequem, nötigten jedoch vielfach zu Kniebeugen: Die Nummern der Reihen sind nur aus der Nähe zu entziffern.

Ein paar Umstände haben sich verändert: Die Bühne, auf der sich 30 meist nackte Männer tummeln, hatte auf der Perner-Insel mit ihrer steiler ansteigenden Tribüne zumindest aus Parkett-Perspektive deutlich mehr Tiefe. Die Spieldauer ist mit 165 pausenlosen Minuten offenbar eine Spur länger geworden. Und dem Wiener Publikum präsentierte sich offenbar krankheitsbedingt eine unangekündigte Umbesetzung: Statt Oliver Nägele spielte Wolfram Rupperti den rechtschaffenen Shrewsbury, den Einzigen am Hof, der nicht von Eigennutz, sondern von Moral und Menschlichkeit getrieben ist. Er verleiht seinem Plädoyer für Recht und Gerechtigkeit deutlich mehr Schärfe und Nachdruck.

Rund um ihn bastelt man an Intrigen und Komplotten, werden Fallstricke ausgelegt. Norman Hacker als Oberschurke Burleigh, Itay Tiran als schmieriger, dem Alkohol zugetaner Leicester, Rainer Galke als strenger Wärter Paulet und Franz Pätzold als dessen Neffe Mortimer, den der Glaube und die Liebe zu allerlei unüberlegten Handlungen verleiten, sind nun bestens eingespielt und haben sichtlich Spaß an ihren Auseinandersetzungen. Tim Werths als Staatssekretär Davison ringt weiterhin verzweifelt damit, den Willen seiner Königin zu ergründen, und ahnt, dass er doch von ihr bedenkenlos geopfert wird.

Zwei in Salzburg aufgeworfene Fragen bleiben auch in Wien offen. Die Logik, nach der die Wandpaneele der von Annette Murschetz ersonnenen Bühne ihr Dekors wechseln - vom schwarzen Stoff über kartonartiges Ocker, schlichtes Weiß, Türkis schimmernd bis zu verspiegelt - erschließt sich weiterhin nicht. Und warum Kušej 30 Komparsen braucht, um die ohnedies in den Männerrollen und dem Agieren der beiden Königinnen klar werdende männliche Dominanz zu illustrieren, ist ebenso wenig klar wie ihre Auftritts-Choreografien und das Konzept des Wechsels ihrer Nacktheit oder ihrer Bekleidung mit Mänteln. Doch, das muss man zugeben, gewöhnt man sich rasch an diese Installation, in der die Schauspieler ganz selbstverständlich agieren. Zentrale Szenen finden ohnedies auf der ganz leeren Bühne statt.

So etwa die Konfrontation der beiden Königinnen im finsteren Kerker. Im Burgtheater hätte man gestern eine Stecknadel fallen gehört, so atemlos gespannt verfolgte das Publikum, was sich da zwischen Birgit Minichmayr und Bibiana Beglau abspielt. Wie zu Beginn des Abends der abgeschlagene Kopf der Stuart über der Männer-Schar, pendelt nun eine nackte Glühbirne zwischen den beiden Schwestern, die einander erstmals begegnen und zunächst aus der Distanz neugierig mustern. Es ist Marias einzige Überlebenschance, und sie möchte sie nutzen. Sie wirft sich vor Elisabeth auf den Boden, damit rechnend, dass ihr sogleich wieder aufgeholfen werde. Doch die Königin ergreift die ausgestreckte Hand ihrer Gefangenen nicht. Noch kein Grund für Maria, aufzugeben. Sie argumentiert selbstsicher und agiert, als hätte sie bereits gewonnen. Sie fordert das erlösende Wort ein, das ihr Elisabeth nicht verweigern dürfe: "Frei." Nahe, sehr nahe kommen einander die beiden, Rührung und Berührung sind greifbar - und doch bricht der Zauber plötzlich. Elisabeth besinnt sich, und Maria geht lieber stolz in den Tod als gedemütigt in die Freiheit. Eine ganz große Szene.

Es ist hoch interessant zu verfolgen, wie die beiden Schauspielerinnen agieren. Beide sind nicht nur als Sexobjekt den Begehrlichkeiten der Männer ausgeliefert, sondern setzen ihre erotische Anziehungskraft auch auf verschiedene Weise ein. Während Maria in Verzweiflung beginnt und immer gefasster wird, je auswegloser ihre Lage ist, so löst sich die anfangs steife, würdige Haltung der Elisabeth zunehmend auf. Seelenqualen und Gewissensbisse schlagen sich direkt in den Verrenkungen ihres Körpers nieder. Kušej setzt da auch optisch auf starke Signale. Während Maria ganz in Weiß zum - vom nackten Männerchor mit blanken Schwertern gebildeten - Schafott geht, bleibt Elisabeth in engem, roten Kleid (Kostüme: Heide Kastler) als Königinnen-Statue einsam zurück. Burleigh hat sie in die Verbannung geschickt, Leicester ist längst auf nach Frankreich.

Viel Applaus für den Auftakt einer Saison, die endlich wieder ganz durchgespielt werden möge. Die neuen Sitze sollen sich ja so rasch wie möglich amortisieren. Und der Direktor ruft per Tonband auf: "Lassen Sie sich impfen!"

(S E R V I C E - "Maria Stuart", Trauerspiel von Friedrich Schiller, Regie: Martin Kušej, Bühne: Annette Murschetz, Kostüme: Heide Kastler, Musik: Bert Wrede. Mit: Bibiana Beglau - Elisabeth, Königin von England, Birgit Minichmayr - Maria Stuart, Königin von Schottland, Itay Tiran - Robert Dudley, Graf von Leicester, Wolfram Rupperti - Georg Talbot, Graf von Shrewsbury, Norman Hacker - Wilhelm Cecil, Baron von Burleigh, Rainer Galke - Amias Paulet, Ritter, Hüter der Maria, Franz Pätzold - Mortimer, sein Neffe, Tim Werths - Wilhelm Davison, Staatssekretär. Burgtheater, Nächste Vorstellungen: 6., 11., 12.9., Karten: 01 / 51444-4545, www.burgtheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Die Transponierung von der Perner-Insel in Hallein auf die Bühne des Burgtheaters war erfolgreich.
  • Martin Kušejs "Maria Stuart"-Inszenierung, die bei den Salzburger Festspielen Premiere hatte, war am Sonntagabend als erste Vorstellung nach 307 Corona- und Umbau-bedingten Schließtagen im Haus am Ring zu sehen und wurde umjubelt.
  • So etwa die Konfrontation der beiden Königinnen im finsteren Kerker.
  • Noch kein Grund für Maria, aufzugeben.

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