APA/APA/ÖAW/Wien Museum/Nachlass Ritopečki/Jovan Ritopečki

Bilddatenbank illustriert "Gastarbeiter"-Alltag ab den 70ern

Heute, 05:01 · Lesedauer 2 min

Es ist eine visuelle Zeitreise in das Österreich vor 50 Jahren aus ganz besonderer Perspektive: Der jugoslawische Fotoreporter Jovan Ritopečki (1923-1989) hat in den frühen 70er-Jahren damit begonnen, das Leben seiner Landsleute zu dokumentieren, die als sogenannte Gastarbeiterinnen und Gastarbeiter ins Land kamen. 3.500 Fotos umfasst der Nachlass, der von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) erstmals wissenschaftlich erschlossen und digitalisiert wurde.

Die neue Bilddatenbank, die daraus entstanden ist, gibt Einblicke in den Alltag der Zugezogenen zwischen Wohnküche und Werksgelände, in Vereinslokalen, bei Behörden oder im öffentlichen Raum. Mehr als zwei Jahrzehnte umfasst die visuelle Chronik dieser Migrationsgeschichte. "Ritopečkis Fotos sind von einer Haltung getragen, die die Menschen vor der Kamera als Individuen ernst nehmen", wird die Historikerin Vida Bakondy vom Institut für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes der ÖAW in einer Aussendung am Dienstag zitiert. Sie hat die Aufnahmen im Rahmen des Forschungsprojekts "Picturing Migrants' Lives" analysiert und dabei auch deren Entstehungs- und Publikationskontexte erforscht. Neben Auftragsbildern aus der Arbeitswelt thematisierte der Fotograf, der 1966 - im Jahr des Anwerbeabkommens zwischen Österreich und Jugoslawien - nach Wien gekommen war, auch die harten Lebensbedingungen und die strukturelle Diskriminierung, der viele seiner Landsleute ausgesetzt waren.

Außergewöhnlich macht Ritopečkis Bilder zudem der Fokus auf Migrantinnen in einer Zeit, in der weibliche Arbeitsmigration in der öffentlichen Wahrnehmung kaum existierte. Seine Aufnahmen zeigen sie bei der Arbeit, in der Freizeit oder zu Hause - lachend, rauchend, tanzend und damit fern von Stereotypen der Fremdheit oder einer Opferrolle.

"Das Besondere an Ritopečkis Fotografien jugoslawischer Migrantinnen ist nicht nur, dass er explizit feminisierte Arbeitsbereiche dokumentiert, sondern dass in veröffentlichten Zeitungsberichten Geschichten von Frauen präsentiert werden, die die Vielfalt ihrer persönlichen Lebenslagen und Migrationserfahrungen widerspiegeln", erklärt Historikerin Bakondy: "Einige kamen allein, andere schlossen sich bereits in Österreich lebenden Familienmitgliedern an, und wieder andere waren verheiratete Frauen, die sich in Österreich niederließen und dort Familien gründeten", so die Forscherin.

Zusammenfassung
  • Die Österreichische Akademie der Wissenschaften hat 3.500 Fotos des jugoslawischen Fotoreporters Jovan Ritopečki aus den 1970er-Jahren erstmals wissenschaftlich erschlossen und digitalisiert.
  • Die neue Bilddatenbank dokumentiert den Alltag jugoslawischer Gastarbeiter:innen in Österreich über mehr als zwei Jahrzehnte und zeigt sie in Arbeitswelt, Freizeit und öffentlichem Raum.
  • Ein besonderer Fokus liegt auf der Darstellung von Migrantinnen abseits von Stereotypen, wobei ihre vielfältigen Lebenswege und feminisierten Arbeitsbereiche sichtbar gemacht werden.