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Badener "Matilda" als flottes und angestaubtes Familienevent

13. Dez. 2025 · Lesedauer 4 min

In Übersee zählt Matilda, die skurrile Fabel über das hochbegabte Mädchen, das in einer tyrannischen Schule landet, zum Kanon der Kinderliteratur. Auch die Musicalvariante des Romans von Roald Dahl läuft seit 2011 erfolgreich im Londoner West End und heimste etliche Preise ein, darunter mehrere Tony Awards. Der seit September tätige künstlerische Leiter der Bühne Baden, Andreas Gergen, holt mit Matilda nach Wicked nun den nächsten internationalen Hit in die Kurstadt bei Wien.

Die Österreich-Premiere für "Roald Dahls Matilda: Das Musical" am Freitagabend war zugleich die Erstaufführung in deutscher Sprache. Für das hiesige Publikum wurden die Lieder von Tim Minchin übersetzt, das Buch basiert aber weiter auf dem Original von Dennis Kelly - in Baden inszeniert von Gergen selbst.

Als wären Rabeneltern nicht schlimm genug, bekommt es Schulanfängerin Matilda Wurmwald obendrauf mit Direktorin Knüppelkuh zu tun, die ihre Schüler sadistisch drangsaliert. Als es der Titelheldin reicht, entwickelt der Bücherwurm telekinetische Kräfte und setzt sich zur Wehr.

Für Unterhaltung beim jungen Publikum dürfte jedenfalls gesorgt sein. Eingedeutschte Refrains in zentralen Nummern wie "Wunderkind" oder "Bald bin ich groß" haben Ohrwurm-Potenzial, dazwischen unterstreicht ulkiges Tongeplänkel die aberwitzigen Dialoge, beim Finale darf dann mitgeklatscht werden. Nur bei den Chorliedern hakt es gelegentlich, denn die sind laut, aber der Text manchmal unverständlich.

Daneben halten das dynamische Bühnenbild und viele visuelle Gags bei der Stange. Kulissen wechseln nahtlos zwischen trashigen Wohnanlagen und den dunstigen, geradezu kerkerartigen Schulhallen. Durch einen großen Monitor oder Effekte auf dem zweiten Stock der Bühne ist fast immer für Bewegung im Raum gesorgt, wobei die Darsteller gelegentlich in den Publikumsreihen spielen. Rülps-Witze kommen auch immer gut an. Manche abstrusen Abschnitte des Buchs, etwa wenn Knüppelkuh eine Schülerin an den Zöpfen wie einen Hammer schleudert, wurden nicht unbedingt realistisch, aber kreativ umgesetzt.

Trotz hohen Tempos müssen Kinder aber Geduld mitbringen: Mehr als zweieinhalb Stunden dauert die Aufführung, inklusive einer Pause.

Heimkino oder Musical?

Auf der Bühne zeigte sich das gesamte Kinderensemble selbstbewusst und holte sich beim großteils erwachsenen Publikum der Premiere wohlverdienten Applaus ab - nicht zuletzt nach Solonummern. Beim Gesamtcast fehlen aber ein wenig die herausstechenden Rollen.

Anna Rosa Döller als gutgesinnte Lehrerin Frau Honig überzeugt mit starkem Gesang, spielt aber gemessen am ulkigen Buch etwas steif. Aus den Rabeneltern wurde wiederum White Trash gemacht. Boris Pfeifer als Vater Wurmwald macht den Slapstick solide und ein paar der dödeligen Pointen von Mutter Wurmwald (Ann Mandrella) kamen im ganzen Saal gut an. Allerdings ist diese Art von Spiel für ältere Zuschauer auch ausgereizt - Al Bundy, Frau Knackal und Martina Hill als Heidi Klum lassen grüßen.

Es wäre übertrieben, die Matilda-Verfilmung von Danny DeVito (1996) als großen Klassiker zu bezeichnen. Allerdings legte der Comedy-Star damals eine Performance als schmieriger Autoverkäufer hin, die im Gedächtnis blieb. In der Netflix-Fassung des Musicals von 2022 tobte sich wiederum Emma Thompson als Knüppelkuh aus. Dagegen wirkt der Musical-Cast oft farblos.

Immerhin setzt der deutsche Andreas Lichtenberger als fiese Direktorin einen eigenen Akzent, der mehr überkorrekt als nur sadistisch ist. Zumindest geht Lichtenberger sichtlich darin auf, seinen Bühnenkollegen Gemeinheiten an den Kopf zu werfen. Denn im Musical teilt Knüppelkuh mehr verbal aus, als mit den Fäusten.

"Hey, teacher..."

Keine Toleranz für unfaire Schikane durch Obrigkeiten und autoritäres Gehabe. Durch die überzeichnete Schulkulisse ist die Moral der G'schicht auch für das junge Publikum leicht verdaulich und kommt in einem der finalen Songs "Der Aufstand" nachvollziehbar zusammen. Allerdings baut der Plot das Thema Zusammenarbeit eher schwach auf und verglichen mit anderen Adaptionen kommt das Ende etwas abrupt.

Die zweite Moral bei Matilda: mehr Lesen, weniger Glotzen. Inzwischen wirkt das Motiv in dieser Form aber aus der Zeit gefallen. Aus einem ironischen Motto wie "Ich bin schlau, weil ich viel fernsehe" und einer überdrehten Tanzperformance wird zwar eine ganz unterhaltsame Nummer. Allerdings ist das große Sorgenkind bei der Erziehung nicht mehr der große Monitor, sondern der kleine. Ein Update des Stoffs auf Smartphone, Tablet & Co. wäre angebracht, wenn nicht sogar notwendig gewesen.

(Von Klaus Kainz/APA)

(S E R V I C E - https://www.buehnebaden.at/de/produktionen/matilda/5362)

Zusammenfassung
  • Die Österreich-Premiere von 'Matilda: Das Musical' fand am Freitagabend in Baden statt und war zugleich die erste Aufführung in deutscher Sprache.
  • Das Stück dauert über zweieinhalb Stunden, überzeugt mit dynamischem Bühnenbild, eingedeutschten Songs und einem starken Kinderensemble, wobei jedoch herausragende Rollen im Gesamtcast fehlen.
  • Kritisiert wird, dass das Motiv des Fernsehens als Erziehungsproblem veraltet wirkt und ein Update auf aktuelle Medienthemen wie Smartphones in der Inszenierung fehlt.