APA/APA (dpa)/Sophia Kembowski

Bachmann-Preisträger Urs Jaeggi ist tot

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Der Soziologie und Künstler Urs Jaeggi ist tot. Der in der Schweiz geborene Wissenschafter sei im Alter von 89 Jahren am Samstag in Berlin gestorben, wie seine Familie mitteilte. Jaeggi lebte abwechselnd in Berlin und Mexiko-Stadt. Mit seinem Buch "Macht und Herrschaft in der BRD" galt er als einer der wichtigsten Ideengeber der Studentenbewegung der 1960er Jahre.

"Manchmal war es ein etwas krummer Weg, aber ich habe mir alle meine Wunschträume erfüllt", sagte er zu seinem 85. Geburtstag der dpa. "Mir war es wurscht, wenn die Leute gesagt haben: Muss er denn das jetzt auch noch machen?"

Der 1931 in Solothurn geborene Sohn aus sozialdemokratischem Hause hatte immer den Wunsch, über den Tellerrand zu blicken. Er studierte Kunstgeschichte, Ökonomie und Soziologie in Genf, Berlin und Bern. Nach seiner Habilitation in Bern ging er an die Ruhr-Universität Bochum und später zur New School for Social Research nach New York.

"Ich weiß bis heute nicht, wie das zustande kam", sagte Jaeggi über den Erfolg seiner Analyse, dass eine vergleichsweise kleine Elite die Schaltstellen der Macht beherrscht. Freunde machte sich der undogmatische Denker damit nicht nur. Konservative hielten ihn für einen linken Rädelsführer, Ultralinke für einen "Scheißliberalen".

Den Konflikt arbeitete Jaeggi später in seinem autobiografischen Roman "Brandeis" (1978) auf: Es geht um einen Professor, den der ideologische Furor der Studentenbewegung zunehmend in einen Zwiespalt mit sich selbst treibt. Zusammen mit den Romanen "Grundrisse" und "Rimpler" wird daraus eine Trilogie zum großen gesellschaftlichen Umbruch der 68er Jahre.

Weitere literarische Arbeiten sind etwa die Heimatgeschichte "Soulthorn" und der Wenderoman "Weder noch etwas". 1981 wurde Jaeggi mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt ausgezeichnet. Immer wichtiger wurde aber auch die Kunst, schon als Kind hatte Jaeggi Maler werden wollen. Doch prügelnde Lehrer trieben dem Linkshänder die Lust aus. Nach dem frühen Tod des Vaters machte er zunächst eine Lehre als Bankkaufmann und holte die Matura nach.

Von 1972 bis 1993 war er Professor am Institut für Soziologie der Freien Universität (FU) Berlin, auch als Ordinarius und zuletzt auf einer halben Stelle, weil er bei einem Bildhauer das Handwerk nochmals von der Pike auf lernte. Seit 1985 stellte er seine Werke im In- und Ausland aus. Die Wände in seiner Berliner Altbauwohnung hingen voll mit Bildern. Acht Stunden am Tag arbeitete er in seinem nahe gelegenen Atelier oder am Computer, Gymnastik und Jazztanz gehörten zum täglichen Programm.

Mit seiner zweiten Frau lebte er halb in Berlin, halb in Mexiko. Seine Tochter Rahel aus erster Ehe mit der Psychoanalytikerin Eva Jaeggi ("Alte Liebe rostet schön") ist Philosophie-Professorin geworden.

ribbon Zusammenfassung
  • Der in der Schweiz geborene Wissenschafter sei im Alter von 89 Jahren am Samstag in Berlin gestorben, wie seine Familie mitteilte.
  • Der 1931 in Solothurn geborene Sohn aus sozialdemokratischem Hause hatte immer den Wunsch, über den Tellerrand zu blicken.
  • Er studierte Kunstgeschichte, Ökonomie und Soziologie in Genf, Berlin und Bern.
  • 1981 wurde Jaeggi mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis in Klagenfurt ausgezeichnet.