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Autorin Barbara Frischmuth: "Die Natur reagiert immer"

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Mitte April hat der Frühling in Altaussee noch nicht ganz Einzug gehalten. "Es ist ein Auf und Ab. Drei Mal innerhalb weniger Tage hat es einen richtigen Schneesturm gegeben", erzählt Barbara Frischmuth. Die Autorin ist tief verwurzelt in ihrem Heimatort, wo sie seit über zwei Jahrzehnten wieder lebt. Dass sie auch mit der Natur eng verbunden ist, davon erzählen ihre literarischen Gartenbücher. Ihr neues Buch "NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen" ist anders.

In dem soeben im Residenz Verlag erschienenen Band sind zwei Vorlesungen enthalten, die sie eigentlich im Februar in Graz hätte halten sollen. Corona kam dazwischen - und hat alle Pläne durcheinandergewirbelt. Die beiden Vorlesungen im Literaturhaus Graz sollen nun im Juni nachgeholt werden. Bereits am 18. Mai wird sie aber in der Alten Schmiede in Wien ihr nächstes belletristisches Werk, den Erzählband "Dein Schatten tanzt in der Küche", vorstellen. Ob die vielen geplanten Lesungen auch stattfinden werden? "Ich bin sehr gut gebucht", schmunzelt die Autorin, "aber ich bin ein wenig skeptisch."

Am 5. Juli feiert Barbara Frischmuth ihren 80. Geburtstag. Gemäß ihrer Altersgruppe wurde sie am Tag vor dem Telefoninterview mit der APA erstmals gegen Covid-19 geimpft - mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer und ohne nennenswerte Nebenwirkungen. Sie habe sich schon immer impfen lassen und sich nun angesichts der marginalen Zahlen über Komplikationen im Vergleich zu den weltweiten Corona-Toten sehr über die Impf-Gegner geärgert, sagt sie. "Die Leute haben das Vertrauen verloren. Aber vielleicht bringt die Pandemie viele auch grundsätzlich zum Nachdenken darüber, warum so etwas passiert."

Und schon ist man im Gespräch beim Thema ihres neuen Buches. Dort steht nämlich das Verhältnis der Menschen zur Natur im Mittelpunkt, historisch, sprachlich und kulturell. "Die Natur reagiert immer auf das, was in und mit ihr geschieht. Noch nie sind wir ihr so nahe getreten. Es gibt soviel Raubbau wie nie zuvor. Unberührte Natur gibt es ja praktisch nicht mehr. Wenn aber der natürliche Ausgleich zerstört wird, dann kommen Dinge in Gang. So sind etwa Karstlandschaften entstanden oder die Trockenheiten in Afrika. Das waren ja nicht nur zufällige Naturereignisse."

Und so sieht Frischmuth die Pandemie als "ein Warnzeichen für eine viel größere Zerstörung, die vom Menschen ausgeht". Artensterben, Klimawandel oder Verschmutzung der Meere seien Dinge, die der Mensch der Natur antue, weil er es verlernt habe, sie als ein großes System zu begreifen, in dem alles miteinander in Verbindung stehe. "'Macht Euch die Erde untertan!' ist der schrecklichste Spruch, der dazu je getan wurde." In ihrem Buch beschreibt sie einen Pilz, den in Japan als Spezialität hoch geschätzten Matsutake, als perfekten Netzwerker, der zu seinem, aber auch zum Vorteil von anderen agiere. Was kann der Mensch vom Matsutake lernen? "Na, sehr viel. Dass alles nicht so ist, wie man denkt", lacht die Autorin. "Gerade dieser Pilz, der mit wenig auskommt, kann für so viele andere Organismen viel bewirken. Leider kommen in der Natur ja echte Symbiosen seltener vor als Wirt-Parasit-Verhältnisse. Konkurrenz ist häufiger als Kooperation."

Was Frischmuth in "NATUR" theoretisch ausführt, hat sie im eigenen Garten vielfach erlebt. "Ich bin ja 1941 geboren und habe die Nachkriegszeit noch gut im Gedächtnis. Schon, weil es sonst kein Gemüse gab, musste man einen Garten haben. Ich bin auch mit Tieren aufgewachsen. Da lernt man eine ganze Menge." Sollte der Trend zum Garteln nicht eigentlich ein Zeichen dafür sein, dass sich immer mehr Menschen intensiver mit der Natur beschäftigen möchten, oder handelt es sich dabei um eine reine Modeerscheinung? "Es ist wohl beides", meint die Autorin. "Aber vergessen wir nicht, dass auch Trends zum Motor des Lebens gehören." Als Gärtnerin sei sie zwar "Partei" und greife schon auch in den natürlichen Lauf der Dinge ein, "das Größte ist für mich aber, wenn Sämlinge ganz von selber aufkommen".

Ihr bisher letztes Buch, der Roman "Verschüttete Milch", behandelte 2019 mit starken autobiografischen Bezügen eine Kindheit in Altaussee, "Dein Schatten tanzt in der Küche" werde nun Erzählungen umfassen, "die mit meinem Leben nichts zu tun haben", sagt die Autorin. Eigentlich habe sie der Verlag um einen "Best of"-Erzählband zu ihrem 80er gebeten, zu dem sie ein, zwei neue Erzählungen schreiben wollte. "Dann hat eines das andere ergeben. Es war wie Contact Tracing von einer Figur zur nächsten. Jetzt sind es sechs neue Erzählungen."

Romane seien ihr mittlerweile zu aufwendig, ebenso wie Reisen, erzählt Frischmuth. "Ich bin soviel gereist. Alleine in den USA war ich zwölf oder dreizehn Mal. Dazu habe ich keine Lust mehr. Dazu fühle ich mich zu alt. Lieber gehe ich regelmäßig mit meinem Mann spazieren." Überhaupt habe die Lockdown-Zeit für sie keine großen Veränderungen gebracht. "Schreiben ist ja Einzelhaft vor einem Schreibgerät. Ich bin das gewohnt." Und auch, ob die Corona-Bedingungen größere Geburtstagsfeierlichkeiten zulassen werden, bereite ihr kein Kopfzerbrechen. "Darüber mache ich mir keine großen Gedanken. Das Altwerden gehört zum Natürlichsten der Welt. Wenn man nicht alt werden will, gibt es nur eine Alternative: früh sterben. Und das habe ich verabsäumt", lacht sie. Vorerst wartet sie also erst einmal auf das Eintreffens des Frühlings in Altaussee. Und auf den zweiten Impftermin am 26. Mai.

(Das Gespräch führte Wolfgang Huber-Lang/APA)

(S E R V I C E - Barbara Frischmuth: "NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen", Residenz Verlag, 80 Seiten, 18 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • Dass sie auch mit der Natur eng verbunden ist, davon erzählen ihre literarischen Gartenbücher.
  • Ihr neues Buch "NATUR und die Versuche, ihr mit Sprache beizukommen" ist anders.
  • "Ich bin sehr gut gebucht", schmunzelt die Autorin, "aber ich bin ein wenig skeptisch."
  • Was Frischmuth in "NATUR" theoretisch ausführt, hat sie im eigenen Garten vielfach erlebt.
  • "Aber vergessen wir nicht, dass auch Trends zum Motor des Lebens gehören."

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