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"Aufbruchsstimmung" bei der Madrider Kunstmesse ARCO

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Irgendwie gehört es fast schon zur Tradition, dass die Internationale Madrider Kunstmesse ARCO mit einer Kontroverse beginnt. In diesem Jahr sorgte vor allem die peruanische Künstlerin Wynnie Mynerva mit ihrem Werk "Cerrar para abrir" für geschockte Messebesucher - und natürlich auch für Schlagzeilen. Ihr großformatiges Gemälde ist bunt, sexuell, irgendwie gewalttätig und zeigt die nackte Künstlerin mit einer zugenähten Vagina.

Damit wollte sie ihre "Negation der Sexualität" darstellen. Sie protestiert damit auch gegen das Image der Frau als Sexual-Objekt in der peruanischen Gesellschaft, gegen die sexuelle Gewalt in ihrem Land. Das Bild am Stand der Galerie Ginsberg hätte vielleicht gar nicht so viel Aufmerksamkeit erregt, liefe daneben nicht das Video, in dem zu sehen ist, wie ein Chirurg die Vagina der Künstlerin zunäht. Das war für viele Besucher der Madrider Kunstmesse einfach zu explizit, zu brutal. So musste sogar Messe-Direktorin Maribel López Stellung beziehen. Doch sie stellte gleich klar, auf der ARCO werde niemals wieder ein Werk zensiert.

Damit nahm sie Bezug auf die Fotoarbeit "Politische Gefangene" von Santiago Sierra, die auf der Messe 2020 gezeigt wurde. Der spanische Provokations-Künstler stellte darauf die inhaftierten katalanischen Separatisten ab. Die ehemaligen Mitglieder der katalanischen Regionalregierung wurden ein Jahr zuvor wegen der Durchführung eines illegalen Unabhängigkeitsreferendums in der nordöstlichen Wirtschaftsregion zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Ein hochbrisantes politisches wie gesellschaftliches Thema in Spanien. Dementsprechend groß war der Aufschrei. Die Messe-Leitung bat damals die deutsch-spanische Galeristin Helga de Alvear, dass Werk wieder abzuhängen. Das verschlimmerte den Skandal nur noch. Es ging um Zensur, um freie Meinungsäußerung, um Künstlerfreiheit.

Aber nicht nur die Werke von Mynerva sorgen heuer für Polemik auf der ARCO. Spaniens Provokations-Künstler Eugenio Merino zeigt in der ADN Galerie aus Barcelona "anti-koloniale" Postkarten aus verschiedenen Städten mit Kolumbus-Statue. Bewusst greift er damit die Anti-Rassismus-Proteste der "Black Lives Matter"-Bewegung von vor zwei Jahren auf, die ihre Wut auch an Denkmälern historischer, vor allem spanischer Persönlichkeiten auslebte, die in Verbindung mit der Kolonialzeit und Sklaverei standen.

So historisch falsch es ist, Kolumbus für die fast 500 Jahre später verübten Gräueltaten der Sklavenhändler verantwortlich zu machen, so absurd ist auch das Werk "Meine Lieblingsführer der extremen Linken" des Finnen Riiko Sakkinen am Stand der finnischen Galerie Forsblom. Die Zeichnung zeigt das Gesicht von Spaniens sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und vergleicht ihn mit linken Diktatoren wie Fidel Castro, Pol Pot oder Mao Tse-tung.

Mit seinem Porträt von Spaniens ehemaligen Skandalkönig Juan Carlos spricht der in Spanien lebende Finne allerdings vielen Spaniern aus dem Herzen. Juan Carlos setzte sich nach Schmiergeld- und Steuerhinterziehungsvorwürfen nach Abu Dhabi ins Exil ab, wo er bis heute verweilt. Neben der Zeichnung des ehemaligen Monarchen befindet sich ein Aufkleber mit der Aufschrift: "For sale. Was King. Now only Fugitive".

Doch natürlich dreht sich auf der noch bis zum Sonntag laufenden ARCO nicht alles um polemische Werke. In der Galerie Elba Benítez steht eine eindrucksvolle Pappkarton-Installation des portugiesischen Konzeptkünstlers Carlos Bunga, der im vergangenen Herbst in der Wiener Secession einen großen Erfolg feierte. Rolf Art aus Buenos Aires füllte fast seinen gesamten Stand mit der interessanten Super-8-Filminstallation von Andrés Denegrí. Bei der Marlborough Galerie hängen wunderschöne Arbeiten von Juan Genovés und Arco-Mitgründerinnen Helga de Alvear und Juana De Aizpuru präsentieren sich mit Werken von Angela de la Cruz, Wolfgang Tillmans, Heimo Zobernig, Thomas Demand, James Casebere und den Spiegelarbeiten der Kubanerin Glenda León.

Bei einem der teuersten Werke auf der ARCO dürfte es sich um einen Miró handeln, der von der Madrider Galerie Leandro Navarro für rund zwei Millionen Euro angeboten wird. Doch auch Chagals Selbstporträt als Hahn, Werke von Tàpies und zwei Zeichnungen von Matisse aus dem Jahr 1939 begeistern an dem Stand.

Bei Max Estrella sorgt die politische Digital-Malerei von Daniel Canogar für Aufmerksamkeit, in welcher brandaktuell Fake-News und Russland Herrscher Wladimir Putin thematisiert werden, der am Donnerstag die Ukraine angriff. Bei der Pariser Lelong-Galerie sorgt eine großformatige Kindergesicht-Skulptur für 500.000 Euro des berühmten spanischen Bildhauer Jaume Plensa für Blitzgewitter der Kameras.

Die ARCO feiert heuer pandemiebedingt ihr 40-Jahr-Jubiläum nach. Deshalb wurde die Ausgabe auch offiziell "40 (+1)" genannt. 185 Galerien aus 30 Ländern nehmen an der Jubiläumsausgabe teil. Darunter befinden sich mit Krinzinger, Crone, Korbath, Nächst St. Stephan Rosemarie Schwarzwälder, Thaddaeus Ropac und Elisabeth & Klaus Thoman heuer auch sechs österreichische Galerien.

Aufgrund der Pandemie wurde die Zahl der teilnehmenden Galerien zwar reduziert und die Größe der Gänge erweitert, aber dennoch füllte sich die Messe bereits am Eröffnungstag. "Man spürt die Lust der Menschen nach Normalität. Er herrscht eine Art Aufbruchsstimmung", so ARCO-Mitgründerin Juana De Aizpuru zur APA.

(S E R V I C E - www.ifema.es/arco-madrid )

ribbon Zusammenfassung
  • Irgendwie gehört es fast schon zur Tradition, dass die Internationale Madrider Kunstmesse ARCO mit einer Kontroverse beginnt.
  • Es ging um Zensur, um freie Meinungsäußerung, um Künstlerfreiheit.
  • Aber nicht nur die Werke von Mynerva sorgen heuer für Polemik auf der ARCO.
  • Bei einem der teuersten Werke auf der ARCO dürfte es sich um einen Miró handeln, der von der Madrider Galerie Leandro Navarro für rund zwei Millionen Euro angeboten wird.

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