Alltag in der Psychiatrie: "Klinik" im Theater Drachengasse
Dabei spielt sie eine Frau, die selbst versucht, nicht den Verstand zu verlieren. Also tritt sie eine Stelle in der Psychiatrie an, wo sie mit Menschen arbeitet, die von Angst, Trauma oder Schuld geprägt sind. Kann sie hier selbst zur Ruhe kommen? Findet sie hier jene Sicherheit, die ihr "draußen" nicht zuteil wird? Im klinikweißen Bühnenraum schlüpft Yağız-Baxant in die Rolle von Ärztinnen, Patienten und Angehörigen und zeichnet in kurzen Szenen den Alltag jener Menschen nach, denen jegliche Selbstbestimmung genommen wurde.
Die Stärke des Textes liegt in der Behutsamkeit, mit der Yağız-Baxant die Ticks, Sorgen und Nöte der psychisch Erkrankten sichtbar macht, während sie zugleich das Machtgefälle zwischen Personal und Patienten entlarvt. Mit ihrer Empathie überschreitet die Kunsttherapeutin bald Grenzen, zumindest laut Klinikleitung. Da heißt es dann: "Die sind nicht unsere Freunde, die sind unsere Patienten!" Doch innerhalb der Klinikmauern gelingt der Kunsttherapeutin das, was ihr sonst verwehrt bleibt - echter Kontakt zu Menschen, denen sie nichts beweisen oder vorspielen muss. Immer deutlicher steht die Frage im Raum, wo eigentlich die Grenze gezogen wird, ab der man diese Klinik noch eigenständig verlassen darf oder nicht. Wer gesund ist, wer nicht.
Mit "Klinik" bringt Yağız-Baxant das Tabuthema psychische Gesundheit ebenso auf die Bühne wie Schieflagen zwischen Personal und Patienten. Ein berührender Abend, an dem aber auch geschmunzelt werden darf. Das einstündige Stück ist Teil eines Themenschwerpunkts rund um Krankheit und Gesundheit, den das Theater Drachengasse diese Spielzeit setzt. Ende November folgt das Gastspiel "Hilde" des Theaters im Bahnhof, das anhand von Liedern von Hildegard Knef vom Überleben einer Krebsdiagnose erzählt, im Frühjahr begleitet die Uraufführung von Lisa Danulats "Ota" eine Operationstechnische Assistentin durch ihren Alltag.
(Von Sonja Harter/APA)
(S E R V I C E - "Klinik" von und mit Melike Yağız-Baxant im Theater Drachengasse, Bar&Co, Koproduktion mit dem diverCITYLAB. Regie: Gabriela Hütter und Melike Yağız-Baxant, Dramaturgie: Anna Schober, Künstlerische Mitarbeit und Kostüm: Anillo Sürün. Weitere Termine: Dienstag bis Samstag (bis 22. November). www.drachengasse.at)
Zusammenfassung
- Das Stück thematisiert das Machtgefälle zwischen Personal und Patienten sowie die Frage, wer eigentlich bestimmt, wer krank oder gesund ist.
- Die Uraufführung fand als Koproduktion mit diverCITYLAB im Theater Drachengasse statt und ist Teil eines Themenschwerpunkts rund um Krankheit und Gesundheit mit weiteren Aufführungen bis 22. November.
