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"Ach, Sisi"-Revue im Volkstheater Wien: Klischee und Schmäh

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Kaiserin Elisabeth ist lebendiger denn je. Jede Menge neue Filme, Fernsehserien und Bücher beschäftigen sich mit "Sisi". Nun gibt es auch eine Art Revue im Wiener Volkstheater. "Ach, Sisi - neunundneunzig Szenen. Eine Staatsaktion, ein Nichts, ein Volkstheater" mischt schlaglichtartig Bekanntes, Interessantes und Unnötiges, Klischee und Schmäh. Keine Denkmal-Schändung, keine Mythos-Demontage, sondern ein mehr fröhlicher als frecher und insgesamt etwas zu langer bunter Abend.

Der deutsche Comedian, Regisseur und Liedermacher Rainald Grebe hat sich mit einem achtköpfigen Ensemble eingehend mit Leben und Nachleben von Elisabeth von Österreich (1837-1898) beschäftigt. Warum er das gemacht hat, erschließt sich nicht wirklich - am ehesten ist diese Produktion wohl als Teil des Ankommens und heimisch Werdens des Teams rund um Direktor Kay Voges zu sehen, eine sympathische Ortserkundung, die nur wenig in die Tiefe geht und die Tatsache, dass sich hier "Piefkes" mit einem österreichischen Nationalheiligtum beschäftigen, selbstironisch aufs Korn nimmt. So etwas sehen die Wiener immer gerne - und tatsächlich lohnt der Besuch auch aus anderen Gründen.

Etwa, weil die Ensemblemitglieder Andreas Beck, Anna Rieser, Uwe Schmieder, Christoph Schüchner und Anke Zillich gemeinsam mit Tilla Kratochwil als Gast mit Grandezza die urigsten Kostüme vorführen, als Lipizzaner über die Bühne galoppieren, sich im "Sissi"-Film-Synchronsprechen üben und sich sogar an den Erzherzog Johann Jodler wagen. Dass ihnen zeitweise die Show gestohlen wird, wenn Balazs Varnai eine zackige Ungarisch-Stunde mit Publikumsbeteiligung gibt (Sisi war bekanntlich Ungarn-Fan) und die pensionierte Wiener Beamtin Susanna Peterka cool und charmant aus ihrem Leben plaudert, ist Teil des Konzepts.

Die dramaturgische Klammer bildet eine "lange Sisi-Nacht", eine Radio-Night-Show, die von Rieser und Schüchner aus einer Loge moderiert wird, in der Sisi im Quiz gegen AC/DC antritt, und die in echt glücklicherweise doch nicht bis drei Uhr früh dauert. Denn auch in den pausenlosen zwei Stunden zwanzig Minuten schleichen sich allmählich ziemliche Längen ein. Vor allem in die von Jens-Karsten Stoll zu Liedern verarbeiteten Gedichten aus Elisabeths "poetischem Tagebuch" hat man sich verliebt, ohne, dass sie wirklich einen ganzen Abend tragen würden. Dafür hat man als witziges weiteres Handlungsgerüst Szenen einer Backstage-Comedy einer "Elisabeth"-Musical-Tourneeproduktion hinzugefügt, die in ihrer Rastlosigkeit jener der Kaiserin gleichkommt. Die Säle werden immer kleiner, die Dekorationen immer sparsamer - doch the show must go on.

In den "neunundneunzig Miniaturen, Gesten, Wimpernschlägen" (die in Wahrheit um einige weniger sind, doch der digitale Zähler "explodiert" kurz vor Schluss wegen Überlastung) werden auch das Sisi-Museum und die Kitschindustrie auf die Schaufel genommen, wird energisch dementiert, dass Sisi etwas mit ihrem schottischen Reitlehrer hatte ("It was only sports. No love!"), darf Psychiater Michael Musalek eine Ferndiagnose stellen ("wiederkehrende Depressionen") und wird die Kaiserin als Erfinderin des Eiweißriegels und des Intervallfastens sowie als Antiroyalistin geoutet. "Ach, Sisi", möchte man da seufzen. Das "Ach, Franzl" muss man sich halt dazudenken. - Verdienter Applaus für einen Abend, der keine Staatsaktion und kein Nichts ist und ein Volkstheater noch werden könnte.

(S E R V I C E - "Ach, Sisi - neunundneunzig Szenen. Eine Staatsaktion, ein Nichts, ein Volkstheater" von Rainald Grebe und Ensemble, Regie: Rainald Grebe. Bühne: Jürgen Lier, Kostüm: Kristina Böcher, Musik und Musikalische Leitung: Jens-Karsten Stoll, Video-Art: Max Hammel. Mit Andreas Beck, Tilla Kratochwil, Anna Rieser, Uwe Schmieder, Christoph Schüchner, Anke Zillich sowie Susanna Peterka und Balazs Varnai und den Live-Musikern Simon Frick, Christopher Haritzer, Jens-Karsten Stoll. Uraufführung im Volkstheater Wien. Nächste Vorstellungen: 16., 21., 25.1., 11.2., Karten: 01 / 52 111-400, www.volkstheater.at)

ribbon Zusammenfassung
  • Jede Menge neue Filme, Fernsehserien und Bücher beschäftigen sich mit "Sisi".
  • Nun gibt es auch eine Art Revue im Wiener Volkstheater.
  • Dafür hat man als witziges weiteres Handlungsgerüst Szenen einer Backstage-Comedy einer "Elisabeth"-Musical-Tourneeproduktion hinzugefügt, die in ihrer Rastlosigkeit jener der Kaiserin gleichkommt.
  • - Verdienter Applaus für einen Abend, der keine Staatsaktion und kein Nichts ist und ein Volkstheater noch werden könnte.

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