APA/Minitta Kandlbauer / Leykam Verlag

Abgründig: Marcus Fischers starker Debütroman "Die Rotte"

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Eine lange Erzähltradition beschäftigt sich mit dem bäuerlichen Österreich. Umso überraschter ist man, wenn ein Autor auftaucht, der einen neuen Ton in die Beschreibung von Land und Leuten im ruralen Milieu einbringt. Auf Marcus Fischer und seinen Roman "Die Rotte" trifft dies zu. Anders als Reinhard Kaiser-Mühlecker schöpft er nicht aus eigenem Erleben. Der gebürtige Wiener hat in Werbeagenturen gearbeitet. "Archaisch und abgründig" wäre ein passender Slogan für sein Debüt.

Fischer schafft eine Atmosphäre, die aus den 1970ern, in denen die Handlung eigentlich spielt, weit in die Vergangenheit zu führen scheint. Dazu zählt auch der Umstand, dass in der "Rotte Ferchkogel am See", einer bloß eine Handvoll Höfe umfassenden Siedlung im österreichischen Voralpenland, die verwandtschaftlichen und nachbarlichen Beziehungen über Generationen zurückreichen. Hier ist vieles seit langem einzementiert: Sympathien und Antipathien, Freiheiten und Abhängigkeiten, Armut und Besitz.

Der Reisingerhof ist einer der alten Bauernhöfe. Dort hat sich die Reisinger Elfi verbarrikadiert, lässt niemanden hinein, hat das Hoftor verschlossen, die Vorhänge zugezogen und gibt kein Lebenszeichen. Ist sie schon tot oder lebt sie noch? Hat sie "schon immer einen Boscher gehabt", oder wurde sie in ihre Einsiedelei getrieben? Diese Fragen werden im Prolog aufgeworfen - und auf den 270 folgenden Seiten beantwortet, beginnend mit dem nächtlichen Tod von Elfis Vater, der ertrunken im Bach gefunden wird, dessen Leiche aber verschwindet. Zuletzt soll er mit Nachbarn gesehen worden sein. Mit Nachbarn, die es auf seinen Seegrund abgesehen haben. Denn der See, so wittern einige, dürfte sich im herannahenden Tourismus bald als Goldgrube herausstellen.

"Die Rotte" könnte dann ihren Weg in Richtung "Landkrimi" nehmen, aber auch als Thriller ließe sich das Weitere vorstellen. Fischer konzentriert sich aber auf sprachliche Mittel, mit denen er den Symbolgehalt von alltäglichen Verhaltensweisen deutlich macht. Da wird selbst ein Ausweichmanöver auf der Straße zwischen Opel-Kadett und Traktor zum Machtspiel mit Showdown-Charakter: "Aber wenn einer unten steht und der andere sitzt oben und der eine hat eine Stimme und der andere eine Maschine mit einem Lärm und ordentlich viel Kraft unter der Motorhaube, ist das Spiel fast schon entschieden."

In ungewohnten Worten geht es um bestens bekannte Dinge, um Konflikte zwischen Ortsansässigen und "Zugereisten", zwischen den Generationen, zwischen den Besitzenden und den "Habenichtsen", zwischen Männern und Frauen. Friedliches Zusammenleben ist nur ein kurzer Kompromiss - das wird immer wieder deutlich. Es gibt Sieger und Verlierer. Welche, die sich damit abfinden und welche, die dagegen kämpfen. Und welche, die irgendwann des Kämpfens müde werden und sich zurückziehen. Wie die Reisinger Elfi. "Da hat sich was gedreht in der Elfi. Der Körper ist ihr schwer geworden. Als wenn ihr irgendwo die Kraft ausrinnt. Und was Dunkles hat sich eingenistet in ihr." Ein starkes Debüt.

(S E R V I C E - Marcus Fischer: "Die Rotte", Leykam Verlag, 282 Seiten, 23,50 Euro)

ribbon Zusammenfassung
  • "Archaisch und abgründig" wäre ein passender Slogan für sein Debüt.
  • Fischer schafft eine Atmosphäre, die aus den 1970ern, in denen die Handlung eigentlich spielt, weit in die Vergangenheit zu führen scheint.
  • "Die Rotte" könnte dann ihren Weg in Richtung "Landkrimi" nehmen, aber auch als Thriller ließe sich das Weitere vorstellen.
  • Wie die Reisinger Elfi.
  • (S E R V I C E - Marcus Fischer: "Die Rotte", Leykam Verlag, 282 Seiten, 23,50 Euro)

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