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80 Jahre Pressefreiheit keine Selbstverständlichkeit

Heute, 06:01 · Lesedauer 5 min

Österreich feiert am Mittwoch 80 Jahre Pressefreiheit. Am 1. Oktober 1945 ermöglichte der Alliierte Rat per Proklamation wieder die durch "Ständestaat" und "Drittes Reich" zerstörte Pressefreiheit. Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler (SPÖ) und Reporter ohne Grenzen Österreich (RSF) erinnerten zum Jubiläum daran, dass Pressefreiheit nicht selbstverständlich ist und um sie gekämpft werden müsse.

"Pressefreiheit ist ein hohes Gut und alles andere als selbstverständlich", hielt Van der Bellen in einem Videostatement fest. Nur mit einem gemeinsamen Bild von der Wirklichkeit funktioniere Demokratie. Dafür müssten Journalistinnen und Journalisten sorgfältig arbeiten, wofür Zeit nötig sei, um zu differenzieren und abzuwägen. Digitale Plattformen dagegen verlangen Eile, provozieren Aufregung und Empörung. "Unter all dem, was es jeden Tag über endlose Feeds anspült, stechen hochwertige Inhalte positiv hervor", meinte der Bundespräsident. "Guter Journalismus wird bestehen können. Integer, mutig und reflektiert", zeigte sich Van der Bellen überzeugt und erinnerte daran: "Wir alle tragen Verantwortung. Nicht nur jene, die Artikel schreiben, sondern auch jene, die sie lesen und teilen."

Babler kündigt Schutz vor SLAPP-Klagen an

Auch Babler erinnerte in einer Aussendung an das "hohe Gut" Pressefreiheit: "Freie Medien sind die Basis einer pluralistischen Gesellschaft, einer freien, einer wehrhaften Demokratie. Der heutige Tag mahnt uns, sie hochzuhalten, sie zu schützen und zu stärken." Wie schnell Journalistinnen und Journalisten unter Druck geraten können, sehe man derzeit auch hierzulande. Aktuell arbeite man im Medienministerium an Maßnahmen, um sichere Arbeitsbedingungen für die Berufsgruppe zu schaffen. In Ausarbeitung befinde sich etwa eine Clearingstelle, als Anlaufstelle für von Gewalt betroffene Journalistinnen und Journalisten und der Schutz vor Einschüchterungsklagen (SLAPP-Klagen). Auch wolle man Medien nachhaltig stärken, indem die Medienförderung neu aufgestellt werden solle. Zur Grundlage dafür soll eine Studie in Auftrag gegeben werden, hieß es.

"Wer den von den Mächtigen gewünschten Narrativen nicht folgt, sei es beim Ukraine-Krieg, bei der Haltung zur Regenbogen-Ideologie, bei der Masseneinwanderung, bei Corona oder anderen wichtigen Themen, wird sofort als Verbreiter von 'Fake News', 'Verschwörungstheorien' oder 'Desinformation' gebrandmarkt", nutzte wiederum FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker das Jubiläum, um gegen die "Zensur-Keule" der "Systemparteien" und der "EU-Eliten" zu wettern und für häufig am rechten Rand angesiedelte alternative Medien in die Bresche zu springen.

Proklamation des Alliierten Rates

"Zeitungen und Zeitschriften unterliegen nicht der Zensur", hielt der Alliierten Rat in der Proklamation fest. Jedoch wurden lizenzierte Blätter in der Folge für fast ein Jahrzehnt einer Nachzensur unterworfen. Der Alliierte Rat seinen Entschluss, "der demokratischen Presse hiermit die größtmögliche Freiheit" zu geben, nämlich an gewisse Bedingungen geknüpft. Hauptforderung an die Presse: "Sie soll demokratische Grundsätze aufrechterhalten sowie den entschlossenen Kampf gegen die nationalsozialistischen, großdeutschen und militärischen Ideologien und Lehren in allen ihren Formen und Gesichtspunkten im politischen, sozialen, kulturellen und ökonomischen Leben führen."

Revisionistische Aussagen im Sinne des "Dritten Reiches", Antisemitismus und Deutschtümelei veranlassten den Alliierten Rat zwischen 1946 und 1953 zu 16 Verwarnungen gegen Zeitungen und Zeitschriften. 14-mal wurden Blätter mit ein- bis dreimonatigem Erscheinungsverbot belegt, drei Publikationen wurden auf Dauer verboten. Auch sollten Medien kein "böswilliges Material" veröffentlichen, das gegen die Besatzungsmächte gerichtet war oder den Zweck verfolgte, den Zwiespalt zwischen den Alliierten zu säen oder Misstrauen und Feindschaft der österreichischen Bevölkerung gegen die Besatzungsmächte zu erzeugen. Die österreichischen Journalisten wehrten sich bald gegen diese Bedingungen. So lange der Kalte Krieg noch nicht ausgebrochen war, gab es für einzelne Blätter wegen besatzungskritischer Schreibweise Verwarnungen.

Die Nachzensurmaßnahmen der Alliierten in dieser Zeit sind vor dem geistigen Hintergrund des weitverbreiteten nationalsozialistischen Gedankenguts zu sehen. Dazu kam, dass der Großteil der damaligen Journalisten schon unter den Nationalsozialisten schreiberisch tätig war. Heimgekehrte Emigranten stellten in den Redaktionen der Tagespresse eine Minderheit im Umfang von bloß 5,5 Prozent dar. Das NS-Regime dezimierte das demokratische Potenzial im Journalistenberuf nachhaltig durch Vertreibung ins Exil oder durch Ermordung in Gestapo-Haft und Konzentrationslagern.

Pressefreiheit nicht selbstverständlich

Gerade die jüngere Vergangenheit habe deutlich gemacht, dass Pressefreiheit nicht selbstverständlich sei, so RSF-Österreich-Präsident Fritz Hausjell. Österreich arbeitete sich im Pressefreiheitsranking zwar zuletzt vom historisch schlechtesten Platz 32 auf 22 vor, doch der fortschreitende Abbau journalistischer Stellen erfüllt die NGO erneut mit Sorge. Viele Medienhäuser sehen sich mit finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert, was u.a. auf zu internationalen Digitalgiganten abwandernde Werbeerlöse, sinkende Printerlöse und eine sich nur zaghaft entwickelnde Zahlungsbereitschaft für Online-Journalismus zurückzuführen ist.

Der 1. Oktober ist für RSF daher "Verpflichtung und Mahnung zugleich". Mit einer Kampagne wolle man die Bedeutung der Pressefreiheit aufzeigen - nicht zuletzt auch in Anbetracht ihrer Gefährdung in Nachbarländern wie der Slowakei und Ungarn oder auch in den USA unter Präsident Donald Trump. Überhaupt blicke man mit Sorge nach Übersee, waren doch die USA "wesentlich für die Entwicklung des freien, mutigen, selbstbestimmten österreichischen Journalismus seit 1945", hielt Hausjell fest. Ab Ende der 40er-Jahre holten die USA junge Journalisten ins Land, um ihnen selbstbewussten Journalismus zu lehren. Der 2021 verstorbene österreichische Vorzeige-Journalist Hugo Portisch war einer davon.

(S E R V I C E - Videostatement von Van der Bellen unter https://www.rog.at/bundespraesident abrufbar)

Zusammenfassung
  • Am 1. Oktober 1945 wurde in Österreich durch den Alliierten Rat die Pressefreiheit wiederhergestellt, was nun zum 80. Mal gefeiert wird.
  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Medienminister Andreas Babler betonen, dass Pressefreiheit ein hohes Gut ist und aktiv geschützt werden muss, etwa durch geplante Maßnahmen wie eine Clearingstelle und Schutz vor SLAPP-Klagen.
  • Reporter ohne Grenzen Österreich (RSF) hebt hervor, dass Österreich sich im weltweiten Pressefreiheitsranking vom schlechtesten Platz 32 auf 22 verbessert hat, warnt aber vor dem Abbau journalistischer Stellen.
  • In der Nachkriegszeit unterlagen Zeitungen trotz Proklamation der Pressefreiheit zwischen 1946 und 1953 insgesamt 16 Verwarnungen, 14 Erscheinungsverboten und 3 dauerhaften Verboten durch den Alliierten Rat.
  • Nur 5,5 Prozent der Journalisten nach 1945 waren heimgekehrte Emigranten, während die Mehrheit bereits unter dem NS-Regime tätig war.