APA/APA/Stadtmuseum Nordico

80 Jahre Kriegsende: Nordico thematisiert späte Aufarbeitung

Heute, 12:00 · Lesedauer 4 min

Erinnerung als Basis für Verantwortung - die Ausstellung "Sehnsucht Frieden. 80 Jahre Kriegsende in Linz - 1945/2025" von 19. September bis 8. März 2026 im Stadtmuseum Nordico geht der Frage nach, was die Stahlstadt - die einstige Lieblingsstadt Adolf Hitlers, mit der er große Pläne hatte - in der Nachkriegszeit geprägt hat und wie sich die Auseinandersetzung mit dem Geschehen erst allmählich zu Aufarbeitung gewandelt hat.

Kriegsende 1945. Weite Teile der Stadt sind zerstört, es herrschen Armut und Obdachlosigkeit. Linz steht teils unter US-amerikanischer, teils unter sowjetischer Besatzung. Manche sehen die Befreiung als aufgezwungen, und man versucht auch gerne, sich als Opfer der NS-Diktatur darzustellen. So wurden zwischen 1945 und 1985 in Linz nur drei Gedenkstätten für Naziopfer errichtet, aber 14 Kriegerdenkmäler, zwei für zivile Kriegsopfer und vier für Vertriebene, erfährt man in der Ausstellung.

Der Linzer Bürgermeister Dietmar Prammer (SPÖ) ist überzeugt, dass wir immer aus Geschichte lernen, aber "manchmal vergessen wir Sachen, und manchmal ziehen wir nicht die richtigen Schlüsse", sagte er bei der Presseführung am Donnerstag. In Linz dauerte es lange, bis man sich ernsthaft an die Aufarbeitung machte. Erst 1986 erfolgte die Erklärung von Linz als Friedensstadt, 1996 folgte ein Gemeinderatsbeschluss zur Aufarbeitung der NS-Zeit. Man müsse Verantwortung übernehmen, nicht nur für unsere Vergangenheit, sondern "auch für die Zukunft", appellierte Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer (ÖVP).

Die Ausstellung ist in verschiedene Themenräume gegliedert. In einem geht es etwa um Freiheit. Als am 5. Mai 1945 die 11. US-Panzerdivision in Linz einmarschierte und die Stadt vom Nationalsozialismus befreite, fühlten sich die einen gerettet, die anderen besiegt. Dass der Nordteil der Stadt zur russischen Zone wurde und man an der Nibelungenbrücke Passierscheine brauchte, engte die zurückgewonnene Freiheit ein. Die Ausstellung geht der Frage nach, was Freiheit bedeutet - bis hin zu den Coronademos der jüngsten Vergangenheit.

Barackenlager und Mangelwirtschaft

Das Stadtbild wurde jahrelang geprägt von Barackenlagern. Eine Landkarte, die Kurator Sebastian Piringer erarbeitet hat, zeigt, wo überall sogenannte Displaced Persons untergebracht waren, Vertriebene, Geflüchtete und aus KZs befreite Menschen. Mangel herrschte überall - an Essen, an Wohnraum, an kleinen Luxusgütern erst recht. "In der NS-Zeit war die ganze Wirtschaft auf Krieg ausgerichtet", sagt Martina Zerovnik, die die Schau gemeinsam mit Piringer kuratiert hat. Man habe die Friedenswirtschaft erst wieder lernen müssen. Davon zeugen etwa eine aus einem SS-Stoff "upgecycelte" Damenhandtasche oder ein aus Resten einer Gasmaske gefertigter Hosenträger. Der Wunsch nach Normalität und Ablenkung äußerte sich nicht nur an einem regen Schwarzmarkt für Nylonstrümpfe und Kerzen, sondern auch in einem Kinoboom in dieser Zeit.

Die Schau beginnt mit persönlichen Erinnerungsstücken aus den 1940ern - ein Album mit SS-Runen beinhaltet die "Erinnerungen an die Dienstzeit" eines Nazis, Briefe von der Front oder aus der Kriegsgefangenschaft ebenso wie Trinkflaschen von Soldaten sind alltägliche Zeugnisse des Krieges. Gezeigt werden aber auch die Anfänge der Aufarbeitung - so hat etwa Simon Wiesenthal in Linz begonnen, seine Dokumentationsstelle aufzubauen. Am Ende des Rundgangs steht die Frage, wie ein "Nie wieder Krieg" und eine vereinte Menschheit möglich wäre.

Viel Platz für Vermittlung

Ein Raum ist der Vermittlung gewidmet. Er ist noch recht leer und soll Platz bieten, sich einzubringen. In Kooperation mit der Abteilung Kultur der Friedensstadt Linz lädt das Nordico dorthin zu einer Eventreihe unter dem Titel "Wir öffnen die Box" ein. In moderierten Gesprächsrunden wird die Entwicklung des Nationalsozialismus in Linz beleuchtet - von seiner Vorgeschichte bis zum Nachwirken in die Gegenwart.

(S E R V I C E - "Sehnsucht Frieden. 80 Jahre Kriegsende in Linz - 1945/2025" von 19. September bis 8. März 2026 im Nordico Stadtmuseum. www.nordico.at)

Zusammenfassung
  • Zwischen 1945 und 1985 wurden in Linz nur drei Gedenkstätten für NS-Opfer, aber 14 Kriegerdenkmäler errichtet, was die lange Phase der Verdrängung und eine schwierige Erinnerungskultur zeigt.
  • Erst 1986 wurde Linz offiziell zur Friedensstadt erklärt und 1996 ein Gemeinderatsbeschluss zur Aufarbeitung der NS-Zeit gefasst, während die Ausstellung heute auch Raum für Diskussion und Vermittlung bietet.