"Wir müssen bald entscheiden, wer ein Intensivbett bekommt und wer nicht"

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Die Belegung in den Intensivstationen nimmt täglich zu. Das stellt das medizinische Personal vor enorme Herausforderungen. Einige sind am Rande ihrer Kräfte.

"Man scheint die Bilder vom Frühling aus Bergamo schon wieder vergessen zu haben", sagt Thomas Steurer, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der Vorarlberger Spitäler. Er hat den Eindruck, die Menschen würden die Situation viel zu locker nehmen. Die Auslastung der Intensivbetten steigt täglich. "Es geht jetzt noch, aber wir wissen nicht, wie lange", sagt er.

Unter Pflegenden ist die Sorge vor einem weiteren Anstieg der Corona-Infektionszahlen indes groß. Viele Pflegekräfte seien durch 24-Stunden-Einsätze bereits am Rande der Belastbarkeit angelangt, sagt auch der Wiener Personalvertreter Edgar Martin. Die Gefahr, dass Mitarbeiter ausbrennen, sei akut.

"Wir müssen bald anfangen zu entscheiden, wer noch auf ein Intensivbett kommt und wer nicht", sagte Stephan Eschertzhuber, Primar für Anästhesie und Intensivmedizin am Landeskrankenhaus Hall. In einem Video auf YouTube richtet er und andere Mediziner und Medizinerinnen der "tirol kliniken" einen Appell an die Bevölkerung, die geltenden Hygiene- und Schutzmaßnahmen einzuhalten.

Harte Arbeitsbedingungen 

Das Pflegepersonal arbeitet täglich voll vermummt, tragen Schürze, Mantel, Handschuhe, eine Schutzbrille und so dicht anliegende Masken, dass nach 75 Minuten eine Atempause empfohlen wird. Covid-19-Patienten sind zudem recht pflegeintensiv.

Auf den Intensivstationen müssen Patienten zur Beatmung in Bauchlage gedreht werden, samt der medizinischen Ausrüstung. Das sei sehr anstrengend, sagt Steuer.

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Hinzu kommt, dass Pflegende und Ärzte im Intensivbereich Spezialisten sind. Die Arbeit dort erfordert eine spezielle Ausbildung, die nicht alle Spitalsmitarbeiter haben. "Das Personal ist der Flaschenhals - nicht die Technik, nicht die Betten, nicht die Ausrüstung", sagt Steurer.

Auch Michael Tripolt, Vorsitzender des Angestelltenbetriebsrats am Universitätsklinikum LKH Graz, schildert Versäumnisse und eine knappe Personalsituation im Pflegebereich. "Was viele Jahre lang verschleppt wurde, fällt uns jetzt auf den Kopf", sagt er gegenüber der APA.

Pensioniertes Personal könnten zurückgeholt werden

Derzeit sind in Vorarlbergs Spitälern zudem 200 Pflegemitarbeiter in Quarantäne oder Selbstisolation. Geplante Operationen werden bereits verschoben, um Kapazitäten freizuschaufeln. Ärzte aus den operierenden Fächern und OP-Fachkräfte unterstützten auf anderen Abteilungen.

Eine andere Überlegung ist, Krankenpflegeschüler einzusetzen und bereits pensionierte Pflegekräfte zurückzuholen. "Einige melden sich da bereits von sich aus", sagt Steurer.

Von hundert infizierten Personen landen etwa zehn im Krankenhaus und einer auf der Intensivstation. In zwei, drei Wochen könnte sich die Situation also weiter verschärfen, zeigte sich der Betriebsrat besorgt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Belegung in den Intensivstationen nimmt täglich zu.
  • Das stellt das medizinische Personal vor enorme Herausforderungen. Einige sind am Rande ihrer Kräfte.
  • "Man scheint die Bilder vom Frühling aus Bergamo schon wieder vergessen zu haben", sagt Thomas Steurer, Vorsitzender des Zentralbetriebsrats der Vorarlberger Spitäler

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