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Weniger Urteile trotz mehr Tatverdächtigen in Österreich

27. Nov. 2025 · Lesedauer 3 min

Um die Kriminalität in Österreich steht es womöglich besser, als häufig berichtet wird. Laut Daten der Statistik Austria sind die Verurteilungen im Land nämlich seit Anfang des Jahrhunderts stark zurückgegangen. Wurden 2001 noch 38.763 Straftäter verurteilt, waren es im Vorjahr 27.717 - fast ein Drittel weniger. Dabei ist die Bevölkerung seither um circa 1,1 Millionen gewachsen. Andererseits stieg aber die Zahl der Tatverdächtigen in der Kriminalstatistik der Polizei.

Schuld an dieser Diskrepanz sei ein ungenauer Begriff der Tatverdächtigen, erklärte der Sozialwissenschaftler Günther Ogris von "dema!nstitut" am Donnerstag vor Journalisten. Denn das Innenministerium würde Serientäter mehrfach zählen. "Wenn jemand zwei- oder dreimal erwischt wurde, bedeutet das mehrere Tatverdächtige." Zudem handelt es sich für Ogris bei der 2018 eingeführten polizeilichen Mehrfachzählung um eine "Indexzahl", die sich aus verschiedenen Faktoren wie Tätern, Tathandlungen und Opfern zusammensetze. "Es ist nicht die Zahl der Tatverdächtigen."

Auch kann ein einziges Verbrechen mehrere Gesetze verletzen - also mehrere Delikte darstellen. Besonders drastisch würde die Wiener Jugendkriminalität solche Verzerrungen aufzeigen. Von 9.522 jugendlichen Tatverdächtigen im Vorjahr entfiel rund ein Drittel der Fälle auf nur drei einzelne Systemsprenger. "Also wenn drei Personen 32 Prozent aller Tatverdächtigen sind, dann hat man wirklich ein Problem mit der Darstellung."

Kriminalität sei oft ein Top-Thema in der Wahlforschung, so der Statistiker Ogris. Das hänge aber stark davon ab, "wie stark es in den Medien diskutiert wird." Den Höhepunkt der Justizstatistik nach Weltkriegsende gab es 1959 mit 123.222 verurteilten Straftätern. Der größte Einbruch war nach 2000 durch die Einführung der Erwachsenen-Diversion zu verzeichnen, also der Möglichkeit eines außergerichtlichen Tatausgleichs.

Neue Technologien finden mehr Straftäter

Tatsächlich sei die Polizei in ihrer Arbeit effizienter denn je. Lag die Aufklärungsquote bei Anzeigen zwischen 2003 und 2009 durchschnittlich knapp unter 40 Prozent, werden seit 2017 rund die Hälfte der Straftäter gefunden. 2024 lag die Aufklärungsquote bei 52,9 Prozent. Das sei etwa neuen Technologien, wie Standortdatenauswertungen, Gesichtserkennungen oder DNA-Analysen zu verdanken.

Auch bei den Statistiken zu ausländischen Verdächtigen wünscht sich der Statistik-Experte Ogris mehr Genauigkeit: "Im Prinzip werden die Ausländer immer mehr, der Anteil der verurteilten Ausländer wird weniger." So ging die Zahl der verurteilten Ausländer seit 2001 von 14.000 auf 12.700 zurück. Man müsse beachten, dass ausländische Tatverdächtige oft keinen Wohnsitz in Österreich hätten - also Touristen oder Durchreisende. 2023 seien das 17 Prozent der Gesamtstatistik gewesen. Unter Straftätern aus Deutschland hätten gar 42,1 Prozent gar nicht in Österreich gelebt. Umgekehrt besitzen Täter aus Afghanistan oder Syrien überwiegend einen österreichischen Wohnsitz.

Zusammenfassung
  • Die Zahl der Verurteilungen in Österreich ist seit 2001 von 38.763 auf 27.717 im Jahr 2023 gesunken, obwohl die Bevölkerung im gleichen Zeitraum um etwa 1,1 Millionen gewachsen ist.
  • Die Zahl der Tatverdächtigen in der Polizeistatistik ist gestiegen, was laut Experten vor allem auf Mehrfachzählungen von Serientätern und die Erfassung mehrerer Delikte pro Fall zurückzuführen ist.
  • Die Aufklärungsquote der Polizei hat sich durch neue Technologien wie Standortdaten, Gesichtserkennung und DNA-Analysen deutlich verbessert und lag 2024 bei 52,9 Prozent.