"Überholspur" für Patienten bei Krebsverdacht gefordert
Denn zu viel Zeitverlust könne fatale Folgen haben: Laut einer international publizierten Meta-Studie erhöht eine Verzögerung um vier Wochen bei Krebsoperationen die Sterblichkeit um sechs bis acht Prozent, bei Strahlen- oder medikamentöser Therapie um neun bis 13 Prozent.
Acht, zehn, zwölf Wochen Warten auf eine MRT - bei Krebs sei das "natürlich vollkommen inakzeptabel", sagte Kathrin Strasser-Weippl, Medizinische Leiterin der Österreichischen Gesellschaft für Hämatologie & Medizinische Onkologie (OeGHO) und Oberärztin an der Klinik Ottakring. Wie lösen Fachärzte das aktuell? Man versuche "zu telefonieren, wer hat Beziehungen, kann man einen Einschubtermin haben, kann man den Patienten vielleicht stationär aufnehmen, obwohl er das nicht braucht, und die Untersuchung im Spital machen? Manche Patienten zahlen's privat, für 300 Euro bekommen Sie die Untersuchung am gleichen Nachmittag", schilderte die Medizinerin. "Aber das ist natürlich keine Lösung."
Derzeit gebe es in Österreich keine Priorisierung im bildgebenden Bereich der Diagnostik, erläuterte Thomas Czypionka, Leiter der Forschungsgruppe Gesundheitsökonomie und -politik am Institut für höhere Studien (IHS). Das führe dazu, dass ein hoher Anteil an nicht evidenzbasierten Diagnoseschritten etwa bei Rücken- oder Knieschmerzen das System "'verstopfe". "Nicht notwendige Inanspruchnahmen" müssten reduziert und für Krebsverdachtsfälle "Fast-Track-Programme" eingeführt werden: "Ein Tumorverdacht muss schneller abgeklärt sein als ein wehes Knie."
Die Fachleute führten Positivbeispiele an: Mit dem 2008 in Dänemark etablierten "Cancer Patient Pathways Program" seien die Wartezeiten auf Diagnose bei allen Krebsformen gesenkt und das Drei-Jahres-Überleben von 45 Prozent auf 54 Prozent gesteigert worden. Ein Lungenkrebs-Fast-Track-Programm in Italien habe die Zeit bis zur Diagnose von 43 auf 25 Tage gedrückt. In Spanien sei so bei Darmkrebs die Wartezeit von 68 auf 26 Tage verringert worden. Oft seien nicht einmal mehr Ressourcen nötig, sondern nur Umorganisation.
Krebssterblichkeit sinkt, Prävalenz steigt
Viele Krebsformen sind heute so gut behandelbar, sodass Erkrankte selbst in fortgeschrittenen Stadien oft lange damit leben können. Die Sterblichkeit nimmt seit Anfang der 1990er-Jahre kontinuierlich ab. Bei Männern ist sie um 36 Prozent zurückgegangen, bei Frauen um 31 Prozent. Gleichzeitig steigt die Prävalenz onkologischer Erkrankungen, das heißt, immer mehr Menschen leben mit Krebs, aktuell rund 419.000 Personen. Und Krebsbetroffene haben grundsätzlich viele Arzttermine und Spitalskontakte, sagte Florian Trauner, Public Health Experte bei Gesundheit Österreich GmbH (GÖG).
Die Zahlen der Patientinnen und -Patienten, die eine Bestrahlung bzw. eine medikamentöse Therapie erhalten, seien allein zwischen 2017 und 2024 jeweils um 33 Prozent gestiegen. "Dieser Trend wird sich in Zukunft voraussichtlich noch verstärken, und darauf müssen wir uns angesichts einer älter werdenden Gesellschaft vorbereiten", so Trauner.
Derzeit fehle ein flächendeckendes Instrument für die notwendige Steuerung, analysierte OeGHO-Präsident Ewald Wöll. "Wir empfehlen daher, das Instrument der 'onkologischen Dringlichkeit' im österreichischen Gesundheitssystem einzuführen." Damit könne man Betroffene priorisieren und im Abklärungsprozess rasch durchs System lotsen.
(S E R V I C E - https://www.oesterreichisches-onkologie-forum.at/ )
Zusammenfassung
- Onkologie-Expertinnen und -Experten fordern eine 'Überholspur' für Betroffene, da in Österreich bei Krebsverdacht Wartezeiten von bis zu zwölf Wochen auf eine MRT und drei bis vier Wochen auf eine CT bestehen.
- Eine Verzögerung um vier Wochen erhöht laut internationaler Meta-Studie die Sterblichkeit bei Krebsoperationen um 6 bis 8 Prozent und bei Strahlen- oder medikamentöser Therapie um 9 bis 13 Prozent.
- Internationale Fast-Track-Programme wie in Dänemark, Italien und Spanien haben die Wartezeiten auf Diagnosen deutlich verkürzt und das Drei-Jahres-Überleben bei Krebs von 45 auf 54 Prozent gesteigert.