Syrien: Jihadisten stehen schon in Aleppo
Seit Jahren war es in Syrien relativ ruhig. Der blutige Bürgerkrieg zwischen dem Diktator Bashar Al-Assad, der von Russland, dem Iran und der Hisbollah unterstützt wird, und verschiedenen großteils islamistischen und jihadistischen Rebellengruppen, unterstützt von der Türkei, war zum eingefrorenen Konflikt geworden.
Vor rund drei Tagen starteten jihadistische Rebellengruppen unter der Führung von "Hayat Tahrir al-Sham" (HTS), dem syrischen Al-Kaida-Ableger, eine überraschende Großoffensive auf die nordöstliche Metropole Aleppo.
Ausgehend von der Rebellenprovinz Idlib im Nordwesten eroberten die jihadistischen Verbände in knapp 72 Stunden "mehr als 50 Dörfer und Städte in den Regionen Aleppo und Idlib", wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien meldet. Auch mehrere Armeebasen wurden überrannt und zahlreiches Kriegsgerät erbeutet.
"Die Aufständischen sind zum ersten Mal seit 2016 in die Stadt Aleppo eingedrungen", sagte Rami Abdel Rahman, der Leiter der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle.
Zuvor waren auf sozialen Netzwerken erste Handy-Videos aufgetaucht, die Jihadisten an der westlichen Stadteinfahrt von Aleppo zeigen.
https://twitter.com/RevTamam/status/1862457593911808072
Andere Handy-Videos zeigen jihadistische Kämpfer, die bereits im Stadtgebiet unterwegs sind. Das war seit der vollständigen Übernahme Aleppos durch das Assad-Regime 2016 nicht mehr der Fall.
https://twitter.com/E_of_Justice/status/1862502885398851724
Das syrische Verteidigungsministerium gab an, die Streitkräfte der Regierung seien mit massiven Angriffen im Umland der Städte Aleppos und Idlibs konfrontiert. Augenzeugen in Aleppo berichteten der Deutschen Presse-Agentur von Rebellen, die mit ihren Fahrzeugen im westlichen Teil Aleppos gesehen wurden.
Sie hätten Bilder des syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad zerrissen. Andere Bewohner berichteten von Gefechtslärm und Explosionen, die in der Stadt zu hören waren.
Seit Mittwoch wurden laut Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits mindestens 242 Menschen getötet, darunter 24 Zivilisten. Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Offensive in der Umgebung von Idlib und westlich von Aleppo rund 14.000 Menschen vertrieben.
Der Angriff kam für die syrische Armee von Assad offenbar völlig überraschend. Videos zeigen, wie Soldaten der Armee Hals über Kopf vor den Angreifern flüchten. Geplant dürfte er schon viel länger gewesen sein. Der Zeitpunkt scheint für die Jihadisten günstig: Assads wichtigste Verbündete sind in anderen Kriegen gebunden, Russland in der Ukraine und der Iran im Nahen Osten.
Die ebenfalls mit Assad verbündete Hisbollah im benachbarten Libanon hat im Krieg mit Israel einen Großteil seiner obersten Führungsebene verloren. Russland hat Assad bereits signalisiert, dass "die syrische Armee für Sicherheit" sorgen müsse, also keine große russische Hilfe erwartbar sei.
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Über ein Jahrzehnt blutiger Bürgerkrieg
Der verheerende Bürgerkrieg in Syrien dauert seit 2011 und hat das Land völlig gespalten. Diktator Bashar al-Assad geriet zeitweise schwer unter Druck, kontrolliert mithilfe seiner Verbündeten Russland und Iran inzwischen aber wieder zwei Drittel des Landes.
Der Nordwesten ist teilweise unter Kontrolle von Oppositionskräften, vorwiegend jihadistische Gruppen, die von der benachbarten Türkei unterstützt werden. Der Nordosten des Landes wird von den kurdisch angeführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert, die ihrerseits von den USA unterstützt werden.
Eine politische Lösung für den Konflikt ist nicht in Sicht.
Zusammenfassung
- Vor wenigen Tagen starteten islamistische Rebellen und Jihadisten im Nordosten Syriens überraschend eine Großoffensive in Richtung Aleppo.
- Der Angriff kam für die syrische Armee von Assad offenbar völlig überraschend. Videos zeigen, wie Soldaten der Armee Hals über Kopf vor den Angreifern flüchten.
- "Die Aufständischen sind zum ersten Mal seit 2016 in die Stadt Aleppo eingedrungen", so die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.
- Seit Mittwoch wurden laut Berichten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits mindestens 242 Menschen getötet, darunter 24 Zivilisten.
- Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden seit Beginn der Offensive in der Umgebung von Idlib und westlich von Aleppo rund 14.000 Menschen vertrieben.