APA/GEORG HOCHMUTH

Studie empfiehlt Stadt Graz Bau zweier Metro-Linien

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Die Grazer schwarz-blaue Stadtkoalition hat am Donnerstag eine umfassende Studie eines externen Expertenteams über eine mögliche Metro für die steirische Landeshauptstadt präsentiert: Die Fachleute sprachen sich einhellig für den Bau zweier Linien, eine zwischen Nord und Süd, die andere zwischen Ost und West, aus. Ein "hervorragendes Nutzen-Kosten-Verhältnis" wurde errechnet. Die Erstinvestition mache rund 3,3 Mrd. Euro aus. 2030 könnte die erste der beiden Linien fahren.

Schon vor mehr als 20 Jahren hatte es Pläne für eine U-Bahn in Graz gegeben, doch damals wurden die Überlegungen in Studien nicht positiv bewertet, sie landeten in der Schublade. Angesichts der steigenden Bevölkerungszahl, dem erhöhten Verkehrsaufkommen und neuartiger Technologien hat Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) die Idee wieder aus der Versenkung geholt. Zuletzt hatte er ja mehrere Projekte - wie etwa eine Gondel entlang der Mur - begraben müssen. Nun wollte man noch einmal die Idee einer Metro genau überprüfen lassen.

Für die Planung wurde die MUM (Moderne urbane Mobilität) gegründet, eine Tochtergesellschaft der Stadt Graz. Diese gab im Vorjahr die Studie in Auftrag. Ein Expertenteam aus Universitätsprofessoren unterschiedlicher Fachgebiete wie Straßen- und Verkehrswesen, Transportwirtschaft und Logistik, Tunnelbau sowie Eisenbahnwesen hat mehrere Varianten "innovativer Mobilitätssysteme" über ein Jahr lang durchgerechnet. Auch Umweltaspekte und Wirtschaftlichkeit wurden auf mehreren Ebenen einbezogen. Die Fachleute kamen zu dem Schluss, dass zwei Metro-Linien den steigenden Bedarf im öffentlichen Verkehr am besten und sinnvollsten ergänzen würden.

Nagl, der sich momentan in häuslicher Quarantäne befindet, aber nach einem positiven Corona-Fall in seiner Familie selbst ein negatives Testergebnis erhalten habe, sagte eingangs: "Wir haben uns in den vergangenen Jahren bemüht, den öffentlichen Verkehr zu verbessern, aber wir stoßen an die Grenzen. Wir brauchen daher den großen neuen Wurf." Er appellierte auch an andere Parteien, sich die Pläne erst genau anzuschauen und nicht gleich "reflexartig Nein zu sagen". Er sei auch offen für andere Ideen: So haben etwa die Grazer Grünen zuletzt einen S-Bahn-Ring vorgeschlagen. Der Bürgermeister will alle Ideen prüfen lassen.

Knackpunkt wird wohl die Finanzierung sein. Nagl und auch die Experten in ihren Berechnungen gingen davon aus, dass der Bund sich an den Kosten mit 50 Prozent beteiligt. Auch das Land Steiermark werde sich beteiligen müssen, um die U-Bahn für Graz möglich zu machen. Zunächst müsse aber erst einmal ein Grundsatzbeschluss fallen. Gibt es diesen und stehe die Finanzierung, werden Einreichpläne gemacht und das UVP-Verfahren abgewickelt. Dafür seien drei Jahre einzuplanen.

Der Bau einer der beiden Linien dauere rund fünf Jahre. Ist die M1 vom UKH in Eggenberg zum Berliner Ring im Osten der Stadt fertig, werde der Bau der M2 in Angriff genommen. Diese werde von Gösting bis Webling führen. Beide Linien - ihre ausschließlich unterirdischen Verläufe werden nicht geradlinig, sondern schlangenförmig verlaufen - treffen sich am Jakominiplatz. Geplant ist der voll automatisierte Betrieb, also mit fahrerlosen Zügen, dafür aber in geschlossenen Systemen mit Bahnsteigtüren.

Die Experten gingen in ihren Berechnungen davon aus, dass die Bevölkerungszahl der Stadt Graz von derzeit rund 295.000 bis 2030 auf etwa 320.000 anwachsen werde. Das Straßenbahnsystem werde dann trotz Ausbau an die Grenzen stoßen, denn an Knotenpunkten wie etwa am Eisernen Tor, wo momentan noch alle Tram-Linien vorbeifahren, werde es sich stauen. Daher müsse man einen "Modal Split" finden, also eine Verteilung des Transportaufkommens.

Geprüft wurden daher mehrere Varianten: zum einen der einfache Ausbau des Tramverkehrs, der unter allen untersuchten Varianten beim Nutzwert am wenigsten ausreichend abschnitt. Auf dem dritten Platz landete die Variante der M1 in Kombination mit Tramausbau, Platz zwei gab es für die M1 in Kombination mit einer Seilbahn entlang der Mur und am besten war der Nutzwert beim Bau von M1 und M2 als Ergänzung zu Bus und Bim. Ein Grazer Problem ist das beschränkte Platzangebot in vielen Stadtteilen für einen Tramausbau.

Wulf Schubert vom Institut für Felsmechanik und Tunnelbau der TU Graz erklärte, dass die geologischen Verhältnisse unterhalb der Stadt recht genau bekannt seien. Es handle sich hauptsächlich um Ablagerungen, mit denen man viel Erfahrungen habe. Es sei daher konventioneller Tunnelbau als auch maschineller Vortrieb mit einer Schildmaschine möglich. Etwas schwieriger werde es bei den Metro-Stationen. Die würde man überwiegend offen bauen müssen. Wo das nicht möglich sei, könne eine bergmännische Bauweise angewendet werden.

Sebastian Kummer von der WU Wien untersuchte die Wirtschaftlichkeit der Pläne und errechnete die 3,3 Mrd. Euro an benötigter Erstinvestition - darunter 3,17 Mrd. Euro für die Infrastruktur und 0,16 Mrd. Euro für die Metro-Flotte. Allein bei aktuellen Fahrgastzahlen würde der Kostendeckungsgrad bei 53 Prozent liegen, aktuell sei er beim Grazer öffentlichen Verkehr bei 51 Prozent. In Wien betrage der Grad rund 60 Prozent. Laut Kummer sei bei erwarteter Fahrgastzunahme und Auslastung der Metro-Linien mit 60 Meter langen Doppelgarnituren für 440 Fahrgäste ein Wert wie in Wien durchaus leicht erreichbar.

Kummer errechnete auch die Wertschöpfung in den zumindest 60 Jahren Betrieb. Diese liege bei 26,1 Mrd. Euro. Das entspricht 369 Mio. Euro pro Jahr. Am meisten würde die Bevölkerung profitieren, aber auch die Regionalwirtschaft und der öffentliche Haushalt können Wertschöpfung lukrieren. "Da gibt es ein hervorragendes Nutzen-Kosten-Verhältnis. Für jeden Euro kommen 3,9 Euro zurück. Das ist sehr gut im internationalen Vergleich", so Kummer weiter. Seiner Ansicht nach ist auch die Finanzierbarkeit mittels Krediten über eine Laufzeit von 100 Jahren "erstaunlich gut".

Wolfgang Malik, Vorstand der Holding Graz, verglich die Pläne auch mit anderen Städten, die teils deutlich kleiner sind als Graz: So gebe es Metros auch in Lausanne (rund 138.500 Einwohner), Rennes (knapp 217.000) oder Brescia (knapp 200.000). Wichtig sei jedenfalls die Verknüpfung mit den bestehenden Verkehrsknotenpunkten von Bus, Bahn und Bim.

Die Experten rechneten vor, wie lange die Fahrten dauern werden: Die M1 werde von einem Endpunkt zum anderen rund 20 Minuten benötigen, die M2 braucht 22 Minuten. Gefahren werde zu Stoßzeiten mit einem 2,5 bis vier Minuten-Takt. An Randzeiten sollen die Wartezeiten nicht länger als sieben Minuten sein. Die meisten Züge werden Einfachgarnituren mit 30 Metern Länge und Kapazität für 220 Fahrgäste sein.

Der Grazer SPÖ-Chef Michael Ehmann fand die Pläne in einer ersten Reaktion reizvoll, bleibe aber skeptisch - es sei "keine Lösung für die aktuelle Verkehrsmisere in Graz". Die Grüne Umweltstadträtin Judith Schwentner meinte, man wolle auch den S-Bahn Ring prüfen lassen und dann die beste Entscheidung für Graz treffen. Verkehrsstadträtin Elke Kahr (KPÖ) monierte, dass Fachabteilungen nicht eingebunden waren: "Wir brauchen eine sachliche Diskussion über die Vor- und Nachteile der verschiedenen Varianten beim Ausbau des öffentlichen Verkehrs in unserer Stadt. Dabei dürfen die - bereits beschlossenen Pläne - zur Weiterentwicklung des Straßenbahnnetzes nicht zu kurz kommen." Die am Gemeinderat vorbei beauftragte Studie sei genau zu prüfen.

Verkehrslandesrat und Finanzreferent LHStv. Anton Lang (SPÖ) teilte mit: "Die präsentierten Pläne sind nun fair und objektiv zu bewerten. Den Vorschlag von Bürgermeister Nagl, alle Parteien in die Gespräche miteinzubeziehen begrüße ich, denn eine fortschrittliche zukunftsfitte Mobilität muss unser aller Ziel sein. Daher bin selbstverständlich auch ich als Verkehrsreferent für alle Vorschläge und Ideen gesprächsbereit. Die Finanzierungsfrage kann natürlich erst nach Festlegen der konkreten Lösungen geklärt werden. Für mich ist aber klar: Ein Grazer U-Bahn-Projekt steht und fällt mit einer Finanzierungszusage des Bundes, denn der Großteil der Kosten muss vom Bund getragen werden."

ribbon Zusammenfassung
  • Der Bau einer der beiden Linien dauere rund fünf Jahre.
  • Die am Gemeinderat vorbei beauftragte Studie sei genau zu prüfen.