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Studie bestätigt Wirksamkeit von tragbarem Lawinengerät

Heute, 15:12 · Lesedauer 5 min

Eine "Extremstudie" mit Beteiligung von Forschern der Medizinischen Universität Innsbruck hat die Wirksamkeit eines tragbaren Geräts zur Verlängerung der Überlebensdauer im Falle einer Lawinenverschüttung bestätigt. Das System "Safeback SBX" pumpt Luft vor das Gesicht. Die Überlebenszeit wurde in der Studie durch den zusätzlichen Luftstrom verfünffacht, hieß es in einer Aussendung. 24 Freiwillige waren hierfür in den Südtiroler Dolomiten unter Schnee begraben worden.

Keiner der Studienteilnehmer, die das Gerät trugen, musste wegen Atemnot abbrechen. "Lawinenopfer sterben meist an Ersticken", erläuterte Frederik Eisendle von der Innsbrucker Klinik für Anästhesie und Intensivmedizin, einer der Erstautoren der Studie, gegenüber der APA: "Ein im Rucksack getragenes Gerät, das Luft aus dem Schnee ansaugt und zu Mund und Nase leitet, kann die Überlebenszeit verlängern." Das Gerät nutzt dafür die Luftdurchlässigkeit von Schnee. Sauerstoffreiche Luft wird aus dem Schnee hinter dem Rücken angesaugt und mit einer elektrischen Pumpe vor das Gesicht geleitet. Dank des so geschaffenen Luftstroms könne eine verschüttete Person mit freien Atemwegen trotz ausgeatmeten Kohlenmonoxids für mehr als 35 Minuten unter einer Schneedecke überleben, hieß es. Aktiviert wird das System über einen Griff an den Schultergurten.

Der norwegische Hersteller des Geräts hatte sich mit der Bitte um einen unabhängigen Test der Wirksamkeit des Geräts an das Bozner Forschungsinstitut Eurac Research gewandt. Dieser wurde schließlich im März 2023 in 2.000 Metern Höhe in den Südtiroler Bergen von einem aus europäischen Forschenden bestehenden Team durchgeführt. Die Ergebnisse wurden am Mittwoch in der Fachzeitschrift "JAMA" veröffentlicht. Die 24 Studienteilnehmer - zwischen 23 und 54 Jahre alt, zur Hälfte Frauen bzw. Männer - waren unter strengen Überwachungsmaßnahmen mehr als 50 Zentimeter tief im Schnee eingegraben worden. Die Hälfte der begeisterten Skitourengeher führten ein funktionstüchtiges "Safeback SBX" im Rucksack mit, die zweite Hälfte als Kontrollgruppe ein funktionsloses.

In der Kontrollgruppe brachen vier von zwölf Teilnehmenden das Experiment aufgrund von Atemnot vorzeitig ab. Weitere sieben blieben durchschnittlich 6,4 Minuten verschüttet, bevor ihre Sauerstoffsättigung unter 80 Prozent fiel und das Experiment für sie abgebrochen wurde. Ein Teilnehmender blieb die vollen vorgesehenen 35 Minuten unter der Schneedecke. Von den zwölf Teilnehmenden mit dem funktionierenden System brach indes niemand aufgrund von Atemnot den Test vorzeitig ab. Nur eine Person musste vorzeitig abbrechen, jedoch aus anderen Gründen, hieß es. Elf Teilnehmende blieben somit für die vollen 35 Minuten verschüttet - ohne einen relevanten Abfall des Sauerstoffgehalts im Blut.

Fünfmal mehr Zeit für Rettungskräfte

In einer realen Situation hätten die Rettungskräfte somit mehr als fünfmal so viel Zeit zur Rettung der verschütteten Personen gehabt, auch der Eintritt eines Herzstillstands hätte sich voraussichtlich verzögert. Das Gerät sei "sehr effektiv", resümierten die Hauptautoren Giacomo Strapazzon, Arzt und Leiter des Experiments, sowie Eisendle. Zwei Drittel der Lawinenopfer würden an Erstickung sterben - im Durchschnitt innerhalb von 35 Minuten. Insofern seien die Ergebnisse des Tests "bemerkenswert", so die Forscher.

Eine Voraussetzung für die Wirksamkeit des Geräts seien freie Atemwege, präzisierte Eisendle im APA-Gespräch - diese dürften nicht etwa durch Schnee verstopft sein. Während den Studienteilnehmern zwar eine kleine Atemhöhle von 250 Millimetern Tiefe eingeräumt worden war, sei eine solche hingegen nicht zwingend nötig. Ein zweiter Faktor, der Einfluss habe, sei der Druck auf den Brustkorb. "Umso tiefer jemand verschüttet wurde, desto schlechter die Werte", fasste der Mediziner die Ergebnisse anderer Studien zusammen. Wenn die Fähigkeit zu atmen beeinträchtigt werde, könne dementsprechend auch das Gerät weniger helfen. Das lasse sich jedoch nicht zuverlässig in einer solchen Studie simulieren.

Einen ähnlichen Einfluss übe indes auch die Schneedichte aus - je höher die Dichte, desto schlechter. Die vorliegende Studie sei jedoch ausschließlich bei sehr hoher Schneedichte und sozusagen unter den ungünstigsten Bedingungen durchgeführt worden. "Es ist anzunehmen, dass das Gerät bei geringerer Schneedichte noch besser funktioniert", so der Forscher.

Kombination mit Lawinenairbags als Vision

Sowohl für das getestete, bereits auf dem Markt befindliche Gerät als auch für Lawinenairbags sei ein spezieller Rucksack nötig, erläuterte Eisendle. Der Hersteller arbeite seines Wissens nach an einer entsprechenden Kombi-Lösung. Dann könne - soweit die "Vision" - einerseits einer Verschüttung vorgebeugt und andererseits im Falle einer solchen die Überlebensdauer erhöht werden. Eisendle betonte jedoch auch, dass "kein Gerät eine sorgfältige Vorbereitung und die Prävention ersetzen kann". Komme es dennoch zu einer "kritischen Verschüttung, kann das System zusätzliche Zeit verschaffen und so die Überlebenschancen erhöhen", fasste der Forscher zusammen. Das "Safeback SBX" samt Rucksack schlägt aktuell laut Homepage des Herstellers mit rund 600 bis 840 Euro zu Buche.

An der aufwendigen Studie bzw. dem Test in den Südtiroler Bergen waren Eurac Research, die Universität Bergen und das Universitätsklinikum Haukeland in Norwegen, die Norwegian Air Ambulance Foundation, der italienische Berg- und Höhlenrettungsdienst CNSAS, das Schweizer WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF, die deutsche Uniklinik Köln, die Universität Padua in Italien sowie die Medizinische Universität Innsbruck beteiligt.

Zusammenfassung
  • Eine Studie mit 24 Freiwilligen in den Dolomiten bestätigt, dass das tragbare Lawinengerät 'Safeback SBX' die Überlebenszeit unter Schnee verfünffacht.
  • Mit dem Gerät konnten verschüttete Personen im Schnitt 35 Minuten überleben, während in der Kontrollgruppe bereits nach durchschnittlich 6,4 Minuten ein kritischer Sauerstoffabfall eintrat.
  • In der Kontrollgruppe mussten vier von zwölf Teilnehmern wegen Atemnot abbrechen, während bei den Nutzern des Geräts niemand aus diesem Grund aufgeben musste.
  • Das System pumpt mit einer elektrischen Pumpe Luft aus dem Schnee vor das Gesicht und funktioniert auch bei hoher Schneedichte.
  • Das Gerät kostet zwischen 600 und 840 Euro und wurde von einem internationalen Forschungsteam unter Beteiligung der Medizinischen Universität Innsbruck getestet.