Stadtstraße - Besetzung gilt als beendet, vorerst aber keine Räumung

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Die Baustellenbesetzungen im Bereich der geplanten Stadtstraße in Wien-Donaustadt könnten demnächst geräumt werden - befürchten die Aktivistinnen und Aktivisten. Sie berichteten am Donnerstag von einem Besuch durch die Polizei. Die Stadt beschwichtigte. Man habe nur einen Brief zugestellt, teilte eine Sprecherin von Verkehrsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) der APA mit. Die Polizei stellte am Nachmittag aber klar, dass die Besetzung sehr wohl als aufgelöst erklärt wurde.

In dem Schreiben werde festgehalten, dass man die Aktion nicht weiter dulde, erläuterte die Sima-Sprecherin. Das habe man aber auch verbal schon wiederholt klargestellt, hieß es. Das bedeute nicht, dass man eine Räumung der Areale in die Wege leite. Das sei weiterhin nicht geplant, wurde beteuert.

Dass eine Auflösung nicht unmittelbar bevorstehen dürfte, bestätigte auch die Polizei. Allerdings hielt eine Sprecherin der Landespolizeidirektion auf APA-Anfrage fest, dass die Versammlung sehr wohl für beendet erklärt worden sei. Dies sei auf Ersuchen der Stadt geschehen, hieß es. Man habe darum das Areal in der Hausfeldstraße aufgesucht und die anwesenden Personen aufgefordert, den Platz zu verlassen und die dort aufgebauten Unterkünfte abzubauen.

Eine zwangsweise Auflösung sei eine Kannbestimmung, betonte die Polizeisprecherin. Vorerst werde den Betroffenen Zeit eingeräumt, die Örtlichkeit zu verlassen. Erst dann prüfe man ein Einschreiten. Man sei jedoch, so wurde betont, hier in enger Abstimmung mit der Stadt.

Jene Gruppen, die das Protestcamp organisiert haben, wollen jedenfalls bleiben, wie sie am Nachmittag unmissverständlich festhielten. "Seit mehr als drei Monaten leisten wir Widerstand gegen dieses Bauprojekt aus dem letzten Jahrhundert. Wir werden nicht freiwillig gehen, bevor die Stadtautobahn gestoppt ist", betonte etwa Lena Schilling vom Jugendrat.

Die sogenannte Stadtstraße in der Donaustadt - also die Verbindung vom Stadtentwicklungsgebiet Seestadt zur Südosttangente - soll, das hat Sima zuvor in einem Medientermin bekräftigt, aber jedenfalls gebaut werden. Die Verbindung sei Voraussetzung für Wohnprojekte, die in dem betreffenden Stadtteil geplant sind. Die Aktivistinnen und Aktivisten, die aktuell Baustellenbereiche besetzt halten, würden sozialen Wohnbau verhindern, kritisierte sie.

"Es ist nicht so, weil ich lustig bin, will ich dort eine Straße haben", beteuerte die Ressortchefin. Vielmehr werde die Stadtstraße auch in der Umweltverträglichkeitsprüfung "zwingend" als Bedingung für die Projekte genannt, bekräftigte sie. Dabei gehe es um Wohnungen für 60.000 Menschen. Betroffen sind laut Sima etwa der noch unverbaute Nordteil der Seestadt (ehemals Flugfeld Aspern, Anm.) und die angrenzenden Neubaugebiete - etwa an der Berresgasse oder am Hausfeld.

Sima holte sich erneut Vertreter gemeinnütziger Wohnbauträger als Unterstützung, die ebenfalls bekräftigten, dass die Planungen ohne entsprechende Rechtssicherheit nur erschwert möglich seien. Wobei: Die Stadt kann die Straße im Prinzip bauen, tatsächlich haben die Arbeiten bereits im September begonnen. Der Bund habe auch zugesagt, die an die Stadtstraße anschließende Spange Aspern zu realisieren, zeigte sich Sima heute zufrieden.

Gegen das von Verkehrs- und Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) verkündete Aus für den Lobautunnel will die Stadt weiter rechtlich vorgehen, betonte die Ressortchefin. Eine Voraussetzung für den Bau der Stadtstraße sei dieser Teil der S1 (Nordostumfahrung) aber nicht. Sima äußerte jedoch erneut den Wunsch, dass zumindest der nördliche Abschnitt errichtet wird, damit die Spange nicht auf der grünen Wiese endet.

Solle es nicht möglich sein, die Wohnungen zu errichten, habe dies Auswirkungen auf alle Menschen in der Stadt, warnte Sima. Die Vertreter der Bauträger verwiesen darauf, dass frei finanzierte Wohnungen für Familien aktuell nicht leistbar seien. Die genannten Projekte seien darum wichtiger denn je.

Die Aktivistinnen und Aktivisten wären für Verzögerungen verantwortlich. Denn das Thema Lobautunnel sei "ohnehin vom Tisch". Es gebe nun keinen Grund mehr, im Baustellenbereich auszuharren. "Weil jetzt behindern sie sozialen Wohnbau." Man setze aber weiter auf Gespräche. Vom Auftrag der Stadt an die Exekutive wurde bei dem Pressetermin nicht berichtet.

"Wohnbau braucht keine Autobahn", kommentierten die Grün-Abgeordneten Heidi Sequenz und Kilian Stark hingegen Simas Aussagen. "Nach dem Aus für die Lobauautobahn wäre es angebracht, auch die Stadtautobahn (Stadtstraße, Anm.) einem Klimacheck zu unterziehen", forderten sie: "Denn zuständig für die Stadtautobahn ist allein die Stadt Wien." Diese widerspreche "ganz deutlich" den Wiener Klimazielen und dem Pariser Klimaabkommen. "Dazu kommt, dass durch diese Straße 330.000 Quadratmeter Boden zubetoniert würden", hieß es in der Aussendung.

Kritiker bezeichnen die Verbindung häufig als Autobahn, die Stadt wiederum kontert hier regelmäßig. Es handle sich um eine 3,2 Kilometer lange Gemeindestraße auf der Tempo 50 gelte - und um keine Autobahn, wie versichert wird. Die Umweltschutzorganisation Greenpeace bezeichnete das Projekt am Donnerstag jedenfalls als "vierspurige Megastraße". Diese habe nach dem aus für die Lobauautobahn jegliche Berechtigung verloren, hielt man in einer Pressemitteilung fest.

Völlig anderer Meinung ist FPÖ-Gemeinderat Anton Mahdalik, wie er am Donnerstag wissen ließ. Die neuen Bewohner in der Donaustadt würden nicht nur mit dem "Klappradl" unterwegs sein, mutmaßte er. Der FPÖ-Politiker forderte die "umgehende Räumung" der besetzten Baustellen von den "arbeitsscheuen Gestalten".

Die Wiener ÖVP übte Kritik an den Grünen - die immerhin Koalitionspartner im Bund sind. "Die Wiener Grünen agieren wieder einmal völlig realitätsfern und abgehoben", beklagte der türkise Verkehrssprecher Wolfgang Kieslich. Nach der vorläufigen Absage des Lobautunnels, die geradezu einen Schlag ins Gesicht der Wienerinnen und Wiener darstelle, hätten die Grünen offensichtlich auch die Stadtstraße in das Visier ihrer völlig verantwortungslosen Verkehrspolitik genommen, beklagte der VP-Politiker.

"Klar ist, dass eine Millionenstadt wie Wien neben einer Öffi-Infrastruktur auch über eine entsprechende Straßeninfrastruktur verfügen muss. Dass der Wohnbau keine Straßeninfrastruktur benötigen würde, wie von den Grünen behauptet, geht an den individuellen Mobilitätsbedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger meilenweit vorbei", zeigte sich Kieslich überzeugt.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Baustellenbesetzungen im Bereich der geplanten Stadtstraße in Wien-Donaustadt könnten demnächst geräumt werden - befürchten die Aktivistinnen und Aktivisten.
  • Sie berichteten am Donnerstag von einem Besuch durch die Polizei.
  • Die Wiener ÖVP übte Kritik an den Grünen - die immerhin Koalitionspartner im Bund sind.
  • "Die Wiener Grünen agieren wieder einmal völlig realitätsfern und abgehoben", beklagte der türkise Verkehrssprecher Wolfgang Kieslich.

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