Renaturierung in Donau-Auen bringt Comebacks und Newcomer
Erst vor wenigen Tagen stand das Wasser im "Johler Arm" knapp stromaufwärts von Hainburg (NÖ) deutlich höher, das lässt sich an den Spuren in der Vegetation in diesem Seitenarm der dieser Tage eher wenig Wasser führenden Donau ablesen. Die teils steilen Abbruchkanten des erst vor wenigen Jahren wieder mit dem Hauptstrom in Verbindung gebrachten Seitenkanals bieten beispielsweise dem ob seiner beeindruckenden Optik so beliebten Eisvogel Möglichkeiten zum Brüten.
"Der Johler Arm war schon fast verlandet", erklärten die Au-Ranger Gabriele Krb und Christian Raffetseder bei einer Fahrt mit Journalistinnen und Journalisten auf der Donau. Am Eingang des Seitenarmes wurde vor einigen Jahren der Wasserzulauf durch Baggerarbeiten erleichtert. Seither holt sich die Donau diesen Bereich wieder zurück, so die Ranger. Die ständige Veränderung ist in den Seitenarmen besonders nachvollziehbar - so wie die Anwesenheit eines der größten Landschaftsarchitekten im 1996 eingerichteten Nationalpark, der von der Lobau in Wien bis zur slowakischen Grenze rund 36 Kilometer stromabwärts reicht - dem Biber.
Auch er ist einer der großen tierischen Rückkehrer in dem Gebiet und "eigentlich unser bester Mitarbeiter", so Raffetseder. Etwas weiter flussaufwärts, bei Wildungsmauer, hat sich der Gruppe ein weiterer stattlicher Wiederansiedler offenbart - der Kaiseradler. Richtig neugierig zog er seine Kreise über den Schlauchbooten. Im Gegensatz zum noch größeren Seeadler - ebenfalls ein lange in der Region absenter Greifvogel - ist er weniger scheu. Der Kaiseradler brauchte 200 Jahre für seine Rückkehr: Zwischen 1811 und 2011 war er abwesend. Heute zählt man jährlich um die vier Brutpaare im Nationalpark, im Fall des Seeadlers sind es um die sechs, so Paul Wolf von der Vogelsammlung des NHM etwas später im Nationalparkhaus in Petronell-Carnuntum, das das dem Wiener Museum angeschlossene Institut beherbergt.
Naturschutzdebatten von der "Au-Besetzung" zur "Renaturierung"
Dass dem so ist, ist dem Engagement des Biologen, Naturschützers und früheren NHM-Generaldirektors Bernd Lötsch und Mitstreiterinnen und Mitstreitern der ersten Stunde, wie der Leiterin der Außenstelle in Petronell, Claudia Roson, sowie vielen anderen zu verdanken. Bis zur Einrichtung des Nationalparks, der im kommenden Jahr sein 30-jähriges Bestehen feiert, war es ein langer Weg. Die Proteste gegen den Kraftwerksbau in den 1980er, inklusive "Au-Besetzung", haben den politischen Diskurs und die Parteienlandschaft des Landes mitgeprägt. Nun zeigt die nachhaltige "Renaturierung" ihre Wirkung - und trifft auch auf den Klimawandel und die zunehmende Globalisierung.
Streiten um die Natur lässt sich bekanntlich auch heute trefflich: Zuletzt wurde eben jene Renaturierung zum neuen politischen Kampfbegriff. In der Auseinandersetzung mit durch weltweiten Handel und steigende Temperaturen zunehmend auch hierzulande präsenten eingeschleppten Pflanzen und Tieren - sogenannten Neobiota - setze man mittlerweile zunehmend auf die Natur selbst: Ein mehr oder weniger organisiertes Bekämpfen von "invasiven Arten", wie dem Drüsigen Springkraut oder der Goldrute, diversen Muscheln bzw. der hier ebenso ursprünglich nicht heimischen Biberratte namens Nutria, wird eher nicht mehr betrieben. Die Zukunft werde zeigen, wie die Ökosysteme auf die Neuankömmlinge reagieren. Ob Tiere die neuen Pflanzen in ihren Speiseplan aufnahmen, werde sich zeigen, so die Nationalpark-Ranger. Zu solchen Fragen brauche es noch viel Forschung.
Ausbau von NHM-Vermittlungsangebot in der Au
Der Vermittlung selbiger hat sich auch das Nationalpark-Institut verschrieben, wie NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland im ersten komplett autarken Ökohaus des Landes betonte. In dem auf vielfältige Weise besonderen Schutzgebiet lasse sich auch die emotionale Komponente der Auseinandersetzung mit der Natur gut vermitteln und die zunehmend schwindende Verbindung mit der ebenso schwindenden Artenvielfalt stärken. In dem Haus gibt es die Möglichkeit, dass zum Beispiel Schulklassen nächtigen und mehrtägige Workshops inklusive Donau-Bootsfahrten absolvieren. Das Angebot unter dem Motto "Ökologie zum Anfassen" wird gerne genutzt - man ist großteils ausgebucht, so Roson und Vohland. Künftig sollen aber auch mehr Entscheidungsträger, NGOs oder Unternehmen an das Institut geholt und der Austausch über Nachhaltigkeit, Renaturierung und Ökosysteme sowie der Respekt vor selbigen gefördert werden. Das Angebot des Museums in den Donau-Auen will man ausbauen, so die NHM-Generaldirektorin.
Wie weit Naturschutz immer wieder auch ein Aushandlungsprozess ist, wird zurück auf dem Wasser beim Paddeln über den Strom klar: Die vorbeiziehenden Frachtschiffe und der Hochgeschwindigkeitskatamaran, der zwischen Wien und Bratislava mehrmals täglich verkehrt, rufen immer wieder in Erinnerung, dass der Nationalpark von einer der wichtigsten Wasserstraßen Europas durchschnitten wird. Die Schiffsfahrrinne gehört dementsprechend auch nicht zum Schutzgebiet. Gleichzeitig ist die hierzulande bis zu rund 350 Meter breite Donau für den größten Aubewohner - den Rothirsch - sowie Wildschweine oder zuletzt auch den verirrten Elch "Emil" alles andere als unüberwindbar.
Wachsende Sorge um Donau-Eintiefung
Letztlich ist der Nationalpark Donau-Auen ein extrem wichtiger Wanderkorridor für mobile Tiere zwischen den Karpaten und den Alpen, betonten die Ranger. Das Überleben des Auwaldes ist aber trotz Schutzstatus, Renaturierung von Seitenarmen, dem Entfernen der Uferverbauungen und zurückkehrender Tiere, Pflanzen und Pilze nicht komplett gesichert: Die Eintiefung der Donau bereitet Sorgen.
Durch die vielen Kraftwerke im Verlauf des Stromes ist der Transport der Sedimente und des Schotters vielfach unterbrochen. Das gibt dem Strom die Chance, sich weiter in die Landschaft einzuschneiden. Sinkt der Fluss ab, werden die für das wechselvolle Ökosystem Auwald so wichtigen Überflutungen im Schnitt seltener. Der Au droht somit, das Wasser auszugehen. Wie der Eintiefung final beizukommen ist, sei unklar, so die Experten. Momentan wird mit Baggerschiffen Schotter vom Grund weiter flussabwärts ausgehoben und knapp unterhalb der Staustufen wieder versenkt. So vermeidet man Untiefen in der Schiffsfahrrinne und bremst die Eintiefung ein Stück weit.
(S E R V I C E - Informationen zum Nationalpark-Institut des NHM: https://www.nhm.at/fuehrungen_aktivitaeten/petronell, Nationalpark-Website: https://www.donauauen.at)
Zusammenfassung
- Die Renaturierung der Donau-Auen hat dazu geführt, dass Arten wie Biber, Eisvogel, Kaiseradler und Seeadler in das Gebiet zurückgekehrt sind.
- Im Nationalpark Donau-Auen gibt es heute etwa vier Brutpaare des Kaiseradlers und rund sechs des Seeadlers, nachdem der Kaiseradler 200 Jahre lang abwesend war.
- Der Johler Arm wurde durch Baggerarbeiten wieder mit dem Hauptstrom verbunden, wodurch neue Lebensräume für bedrohte Arten entstanden sind.
- Die Donau-Eintiefung durch unterbrochenen Sedimenttransport infolge zahlreicher Kraftwerke gefährdet das Überleben des Auwaldes trotz Schutzstatus und Renaturierung.
- Das Nationalpark-Institut setzt verstärkt auf Umweltbildung mit mehrtägigen Workshops und Übernachtungen für Schulklassen im ersten autarken Ökohaus Österreichs.