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Photosynthese läuft tiefer im roten Bereich als gedacht

Heute, 04:00 · Lesedauer 4 min

Lange Zeit galt die Ansicht, dass Pflanzen Photosynthese bis zu einer Licht-Wellenlänge von rund 700 Nanometern betreiben. Vor wenigen Jahren entdeckte ein britisches Team aber, dass spezielle Cyanobakterien den Umwandlungsprozess auch im tieferen roten Frequenzbereich bei rund 750 Nanometern durchführen. Britische und Linzer Forscher konnten nun zeigen, dass ein Pigment namens "Chlorophyll f" eine noch zentralere Rolle dabei einnimmt als vermutet.

Bei der Photosynthese produzieren Pflanzen mit ihren Blättern - aber auch Algen und Cyanobakterien - aus Kohlendioxid (CO2) und Wasser mit Hilfe von Sonnenlicht einen Energieträger (Zucker) und Sauerstoff (O2). Der Prozess dahinter ist hoch komplex und hält für die Wissenschaft noch immer offene Fragen bereit. Seit vielen Jahren setzt sich auch Thomas Renger vom Institut für Theoretische Physik der Universität Linz u.a. mit den diesbezüglichen Detailabläufen auseinander, wie er im Gespräch mit der APA erklärte.

In einer Publikation im Fachmagazin "Science" aus dem Jahr 2018 zeigte die Gruppe um Bill Rutherford vom Imperial College in London (Großbritannien) erstmals, dass bestimmte Cyanobakterien, die in Schichten unterhalb derer von normalen Cyanobakterien vorkommen, auch mit dem langwelligeren Licht, welches von letzteren nicht absorbiert und deshalb durchgelassen wird, noch etwas anfangen können. Dass in diesem Zusammenhang ein Pigment namens "Chlorophyll f" eine wichtige Rolle spielt, wurde rasch klar - wo und wie es das tut, konnte nicht so schnell geklärt werden.

Renger hatte sich mit der Gruppe in London in Verbindung gesetzt, weil er Ideen und erste Erkenntnisse für die Suche nach der gut versteckten Struktur hatte, die durch ihren speziellen Aufbau "so etwa 40 bis 50 Nanometer rotverschoben gegenüber 'Chlorophyll a' Licht absorbiert".

Doppelter Nachweis

An der Photosynthese sind prinzipiell das Reaktionszentrum der sogenannten "Photosysteme I" und "II" und darum angeordnete sogenannte Antennen maßgeblich beteiligt: Letztere nehmen Sonnenlicht auf und "schicken die Energie in Richtung Zentrum", erklärte der Physiker. Dass Chlorophyll f, wie von der wissenschaftlichen Community angenommen, lediglich im Reaktionszentrum des Photosystems II und den photosynthetischen Antennen seinen Dienst versieht, war aus Sicht Rengers nur ein Teil der Lösung des Rätsels. Auch den Londoner Kolleginnen und Kollegen war klar, dass es überdies im Photosystem I ein solches Pigment geben muss. Gefunden wurde es aber zunächst nicht.

In Kooperation mit den Londoner Wissenschaftern wurde man nun fündig und stellte kürzlich die Arbeit dazu in "Science" vor. Während die britischen Forschenden mit hochpräzisen Elektronenbeugungsexperimenten auf die richtige Spur kamen, waren Renger und Doktorand Michael Hofer mit quantenphysikalischen Berechnungen von optischen Spektren ebenso erfolgreich.

Möglicher Einbau in Nutzpflanzen

Ursprünglich dachte man, dass im Bereich über 700 Nanometern Wellenlänge Photosynthese einfach nicht mehr effizient durchgeführt werden kann, weil die nötige "Triebkraft" hinter dem komplexen Transfer der Elektronen fehlt. Die nun umfassend nachgewiesene Anwesenheit von Chlorophyll f in bestimmten, neuralgischen Positionen stößt diese Ansicht jedoch um. Es kann also auch mit energieärmerem Quasi-Treibstoff Lichtenergie in chemische Energie umgewandelt werden.

Das ließe sich ausnützen: "Wenn es langfristig gelingt, solche 'rotlichtigen Chlorophylle' in Nutzpflanzen einzubauen, könnten diese mehr Sonnenlicht für die Energieumwandlung nutzen, da tiefer liegende Blätter von höher liegenden beschattet werden und ganz ähnlich zu den tiefer liegenden Schichten von Cyanobakterien weniger hochenergetisches Licht abbekommen", so Renger. Daran würden auf experimenteller Ebene aktuell bereits Wissenschafterinnen und Wissenschafter arbeiten. Wo letztlich die harte Grenze für die komplexe Energieumwandlung liegt, und ob bei rund 750 Nanometern das Ende der Fahnenstange wirklich erreicht ist, sei noch nicht vollständig klar. Eine Frage sei auch, ob nicht "Chlorophyll f"-haltige Systeme insgesamt weniger stabil arbeiten - die Lichtbereichs-Erweiterung also zulasten anderer Faktoren ginge, erklärte Renger.

(S E R V I C E - https://dx.doi.org/10.1126/science.ado6830)

Zusammenfassung
  • Forscher aus Großbritannien und Linz haben nachgewiesen, dass bestimmte Cyanobakterien mithilfe von Chlorophyll f auch bei Lichtwellenlängen von rund 750 Nanometern Photosynthese betreiben können.
  • Chlorophyll f wurde in neuralgischen Positionen der Photosysteme I und II nachgewiesen und absorbiert Licht etwa 40 bis 50 Nanometer weiter im roten Bereich als das bisher bekannte Chlorophyll a.
  • Die Erkenntnisse könnten dazu führen, dass Nutzpflanzen in Zukunft mehr Sonnenlicht verwerten, indem sie mit 'rotlichtigen Chlorophyllen' ausgestattet werden, wobei die Grenze der Energieumwandlung und die Stabilität noch erforscht werden.