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NHM-Schau widmet sich Tabu-Thema Geschlechtskrankheiten

03. Juni 2025 · Lesedauer 3 min

Es ist ein Comeback, über das sich niemand freut: In Europa gibt es wieder mehr Fälle von Geschlechtskrankheiten. Das Naturhistorische Museum (NHM) gibt nun in einer Sonderausstellung im Narrenturm in Wien-Währing anhand historischer Präparate Einblick in Geschichte und Krankheitsbilder sexuell übertragbarer Infektionen wie Syphilis, Gonorrhö, HPV oder HIV. Auch wenn viele davon mittlerweile gut therapierbar sind, legt die Schau einen Fokus auf Aufklärung und Prävention.

"Juckt's?", "Brennt's?", "Zwickt's?" fragt das Museum jeweils am Eingang zu den drei Zellen im Narrenturm, in denen man sich unter dem Titel "Safe Sex" dem "Comeback der Geschlechtskrankheiten" widmet. Viele Jahre seien diese weltweit am Rückzug gewesen, "jetzt kommen sie in alarmierendem Maße zurück", heißt es in der Ausstellung. Laut Europäischer Gesundheitsagentur ECDC stieg etwa die Zahl der Fälle von Gonorrhö (Tripper) in Europa seit 2014 um 300 Prozent auf fast 100.000 Infektionen im Jahr 2023. Auch die mehr als 40.000 Fälle von Syphilis in den EU- und EWR-Staaten bedeuten eine Verdopplung gegenüber 2014. Die Weltgesundheitsorganisation WHO schätzt, dass es europaweit täglich zu circa einer Million sexuell übertragenen Infektionen (STI) kommt.

Man wolle mit der Ausstellung "beitragen, offen über das Thema zu sprechen", sagte NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland am Dienstag bei der Presseführung zur Ausstellung und wünscht sich, dass auch möglichst viele Schulklassen die Schau sehen. Im Narrenturm widmet man sich allgemein verschiedensten Krankheiten, darunter auch Geschlechtskrankheiten. Mit der aktuellen Schau wolle man aber "weg vom Image einer verstaubten pathologisch-anatomischen Sammlung", sagte Ausstellungskurator Eduard Winter.

Backenbart signalisierte Gesundheit

So sieht man verschiedene historische Moulagen, also naturgetreue Darstellungen krankhafter Körperregionen in Wachs, und aktuelle Fotos mit den Krankheitsbildern etwa von Syphilis, Gonorrhö, Humanen Papillomaviren (HPV), "Weichem Schanker" (Ulcus molle), Herpes simplex oder HIV. Die Schau informiert aber auch über die Tabuisierung von sexuell übertragbaren Krankheiten und der Stigmatisierung von Infizierten. Dabei erfährt man auch überraschende Details wie etwa, dass die Mode im 19. Jahrhundert, Backenbärte zu tragen, an der Verbreitung der Syphilis lag: Während Infizierte an mottenfraßartigem Haarausfall leiden, signalisierte eine üppige Gesichtsbehaarung die Gesundheit des Bartträgers.

Auch wenn heute viele Geschlechtskrankheiten gut therapierbar sind, sei Vorbeugung besser, lautet eine Botschaft der Schau. Denn viele STI seien mit einer lebenslangen Medikamenteneinnahme verbunden, mit oft unangenehmen Nebenwirkungen. Zudem erschweren zunehmend resistente Erreger den Kampf gegen Erkrankungen.

Testung je nach Risikoverhalten

Dass das Thema "nicht nur in fernen Ländern aktuell ist, sondern auch in Österreich", so Ausstellungskuratorin Laura Lick, unterstrich der auf Geschlechtskrankheiten spezialisierte Allgemeinmediziner Horst Schalk: Allein in den zwei Stunden vor der Presseführung zur Ausstellung habe er in seiner Wiener Praxis "drei Tripper-Spritzen verabreicht", sagte er. Aus seiner Wahrnehmung könne man auch nicht von einem Comeback der Geschlechtskrankheiten sprechen, "bei uns in der Praxis waren sie nie weg". Den Anstieg führt er u.a. auf geändertes sexuelles Verhalten, etwa durch günstige Reisen, zurück. Testen lassen sollte man sich jedenfalls bei Symptomen wie Ausfluss, Ausschlägen im Genitalbereich, Lymphknotenschwellung. Viele Infizierte hätten aber keine Symptome, weshalb Schalk Tests je nach Risikoverhalten empfiehlt.

"Reden, reden, reden - man muss über sexuelle Gesundheit sprechen", empfahl die Geschäftsführerin der Aids Hilfe Wien, Andrea Brunner. Sie forderte die Entwicklung und Umsetzung einer Strategie für sexuelle Gesundheit in Österreich, eine verbesserte Datenerhebung über STIs, den Ausbau des Zugangs zu Beratungs- und Diagnostikangeboten sowie verstärkte Aufklärungsarbeit.

(SERVICE - Internet: https://nhm-wien.ac.at/ausstellung/sonderausstellung/safe_sex)

Zusammenfassung
  • Die Zahl der Gonorrhö-Fälle in Europa ist laut Europäischer Gesundheitsagentur seit 2014 um 300 Prozent gestiegen und lag 2023 bei fast 100.000 Infektionen, während sich Syphilis-Fälle in der EU und im EWR auf über 40.000 verdoppelt haben.
  • Das Naturhistorische Museum Wien zeigt im Narrenturm eine Sonderausstellung über die Geschichte und Gegenwart sexuell übertragbarer Krankheiten wie Syphilis, Gonorrhö, HPV und HIV und legt dabei einen Schwerpunkt auf Aufklärung und Prävention.
  • Expert:innen fordern angesichts des europaweiten Anstiegs – laut WHO rund eine Million STI pro Tag – mehr Aufklärung, bessere Datenerhebung und einen Ausbau von Beratungs- und Diagnostikangeboten in Österreich.