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Nachwuchsforscher sehen Karriereperspektiven kritisch

Heute, 10:24 · Lesedauer 4 min

Österreichs Forscherinnen und Forscher zeichnen ein zwiespältiges Bild: Zwei Drittel sind mit ihrer beruflichen Situation zufrieden oder sehr zufrieden. Gleichzeitig hat die Hälfte in jüngster Zeit mit dem Gedanken gespielt, den akademischen Bereich zu verlassen. Bei jungen Personen ist das besonders stark ausgeprägt, hier mangelt es vor allem an Karriereperspektiven, zeigt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts Spectra im Auftrag des Wissenschaftsfonds FWF.

"Wir müssen im Nachwuchsbereich besser werden", erklärte FWF-Präsident Christof Gattringer am Freitag vor Journalisten in Wien. Im Wettkampf um die klügsten Köpfe und im Hinblick auf die Bemühungen, Forschende aus den USA anzusprechen, brauche es ein attraktives Umfeld und optimale Rahmenbedingungen. "Insgesamt ist die Grundstimmung in Österreich aber ganz gut, es herrscht relativ hohe Zufriedenheit, wenngleich es auch durchaus kritische Anmerkungen gibt", so Gattringer.

Ein "solides Ergebnis, aber keine Jubelstimmung", ortete auch Thomas Wolfschluckner, Hauptautor der Studie, für die im Mai und Juni mehr als 3.300 Wissenschafterinnen und Wissenschafter befragt wurden. Positiv gesehen werden die Autonomie, der hohe Grad der Forschungsfreiheit und die internationale Vernetzung. Auch die Zusammenarbeit und das Mentoring innerhalb der Community dürften gut funktionieren. Nachholbedarf gibt es bei den Karriereperspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs, den zeitlichen Ressourcen für die Forschung, dem Abbau der Hierarchien und der gesellschaftlichen Wertschätzung. Letzteres deute darauf hin, dass eine gewisse Wissenschaftsfeindlichkeit oder -skepsis wahrgenommen werde.

Warum trotz der Zufriedenheit mit dem Job viele daran denken, den akademischen Bereich zu verlassen und in Richtung Wirtschaft oder Industrie abzuwandern, ist vor allem auf die zeitliche Befristung der Stellen, die "Kettenvertragsproblematik" sowie die ungewisse Karriereentwicklung zurückzuführen. Kritisch gesehen wird auch die Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben, letzteres wenig überraschend vor allem von Frauen. Sie erleben auch häufiger Diskriminierung bezüglich Geschlecht und Alter. Die Ausstiegsüberlegungen seien der Struktur des Systems geschuldet, also der Vielzahl an befristeten Verträgen. Da müsse man sich die Frage stellen, wie man weiter macht, "allein aus Selbsterhaltungstrieb", sagte Gattringer.

Kaum Karriereperspektiven für Nachwuchs

Die Mehrheit der Befragten (58 Prozent) hat ein befristetes Dienstverhältnis, vor allem Frauen und jüngere Personen sind davon betroffen. Fast 90 Prozent streben eine unbefristete Stelle an, die Chance darauf wird aber nur mit 25 Prozent angegeben. Die Karriereperspektiven sind speziell für den Nachwuchs, der geringe Einkommen, hierarchische Strukturen und langwierige Qualifizierung anführt, eher ernüchternd. Die "ungewisse Karriereentwicklung" sorgt aber auch bei Personen zwischen 30 und 49 Jahren für Zweifel.

Knapp die Hälfte der Arbeitszeit der Wissenschafter und Wissenschafterinnen steht für das Forschen zur Verfügung, mehr ist es im außeruniversitären Bereich, weniger im universitären. Für Drittmittel, die einen Großteil der Forschungsaktivitäten finanzieren, wird mit rund acht Prozent etwa gleich viel Aufwand betrieben wie bei früheren Umfragen. Deutlich mehr entfällt auf Aufgaben in Lehre und Management.

Wenig Wertschätzung durch die Gesellschaft

Nachholbedarf im Hinblick auf das österreichische Wissenschaftssystem wird beim Ausbau unbefristeter Stellen unterhalb der Professur gesehen. Zudem fordert man mehr "Open Science", die Freistellung für Forschung und flachere Hierarchien. Autonomie und Forschungsfreiheit liegen bei den Stärken weit vorne, moniert wird die geringe Wertschätzung durch die Gesellschaft.

Dass die Leistung vor allem an wissenschaftlichen Publikationen abgelesen wird, ist für die Umfrageteilnehmer in Ordnung. An Bedeutung gewinnen sollen Lehre, Wissenschaftskommunikation und gesellschaftliche Relevanz, weniger Gewicht sollte den Befragten zufolge auf eingeworbene Drittmittel und interne Netzwerke liegen. Während das Förderangebot des FWF positiv wahrgenommen wird, gibt es Kritik am Verhältnis zwischen Antragsaufwand und der von der finanziellen Ausstattung abhängigen Bewilligungsquote sowie der Nachvollziehbarkeit der Ablehnungen. "Das nehme ich als Hausaufgabe mit", betonte Gattringer. Wenn man das Verfahren und die Entscheidungen besser verstehe, sei man bei einer Ablehnung weniger frustriert.

(S E R V I C E - Zusammenfassung der Umfrage: https://go.apa.at/TYVz1Emm; Online-Dashboard: https://go.apa.at/frbYiai6)

Zusammenfassung
  • Rund zwei Drittel der mehr als 3.300 befragten Forschenden in Österreich sind mit ihrer beruflichen Situation zufrieden, dennoch hat etwa die Hälfte zuletzt einen Wechsel aus dem akademischen Bereich erwogen.
  • 58 Prozent der Befragten – besonders viele Frauen und Jüngere – arbeiten mit befristeten Verträgen, während fast 90 Prozent eine unbefristete Stelle anstreben, aber nur 25 Prozent sich realistische Chancen darauf ausrechnen.
  • Als größte Herausforderungen gelten mangelnde Karriereperspektiven, unsichere Karriereentwicklung und die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, wobei Frauen häufiger Diskriminierungserfahrungen machen.