Mordversuch-Prozess nach Schüssen in Wiener Park gestartet
Die Angeklagten waren nicht geständig. Die von den Verteidigern Alexander Philipp und Florian Kreiner vertretenen Männer versicherten, sie hätten den Park gar nicht betreten, nachdem dieser von Dutzenden mit Holzlatten, Eisenstangen, Macheten und anderen waffentauglichen Gegenständen ausgerüsteten Syrern gestürmt worden sei. "Wo ich das gesehen hab', bin ich gar nicht hinein. Es waren mittelalterliche Zustände", schilderte der 29-Jährige einem Schwurgericht (Vorsitz: Wolfgang Etl).
Dem 30-Jährigen wird vorgeworfen, mit einer Pistole zumindest sechs Mal in Tötungsabsicht auf fünf Kontrahenten gefeuert zu haben. Die Kugeln verfehlten die Syrer laut Anklage nur knapp. Zwei von ihnen wurden durch von Fahrzeugen abprallende Projektile verletzt. Der eine erlitt eine vier Zentimeter messende Splitterverletzung im Bereich der Brustbeinspitze, der andere eine oberflächliche Rissquetschwunde am rechten Oberschenkel.
Der 30-Jährige räumte ein, mit seinem dunklen BMW zum Anton-Kummerer-Park gefahren zu sein. Er sei in einem Fitnessstudio trainieren gewesen und hätte dort von einem Landsmann erfahren, dass dessen jüngerer Bruder "Stress" habe. Man habe beschlossen, mit einem weiteren im Gym anwesenden Tschetschenen zur Unterstützung in die Brigittenau zu fahren. "Helfen wir halt, es geht um den kleinen Bruder", erinnerte sich der 31-Jährige an seine damaligen Gedankengänge.
Dort angelangt, hätten seine Begleiter plötzlich Schreckschusspistolen hervorgezogen und wären in den Park gelaufen. Dann hätte er Schüsse vernommen: "Da bin ich eingestiegen und schnell weggefahren. Das war so 100 bis 150 Meter entfernt, ich wollte nicht, dass mein Auto kaputt gemacht wird." Außerdem habe er "aus Selbstschutz" das Weite gesucht.
Angeklagte hatten sich bis zur Verhandlung nicht zu Vorwürfen geäußert
Der Mann war am 6. Juli festgenommen worden. Seither befindet er sich in U-Haft und hat bis zur Hauptverhandlung von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Auf die Frage des vorsitzenden Richters, warum er bisher nichts gesagt habe, wenn er unschuldig sei, bemerkte der bisher unbescholtene Projektmanager, ein ausgebildeter Mechatroniker: "Weil da so viel passiert ist. Ich wollte mich nicht äußern bis zur Hauptverhandlung."
Auch der 29-Jährige hatte bisher keine Angaben gemacht. Er soll in Kenntnis des Tatplanes den Hauptangeklagten, mit dem er eigenen Angaben zufolge seit 14 Jahren befreundet ist, begleitet haben. Laut Anklage bewaffnete sich der Jüngere am Tatort ebenfalls, ein Waffengebrauch war ihm allerdings nicht nachzuweisen. Die Anklageschrift unterstellt ihm, er hätte den 30-Jährigen "zumindest psychisch bei dessen Schussabgaben bestärkt".
Der 29-Jährige erklärte, er hätte sich nicht gemeinsam mit dem Hauptangeklagten, sondern zusammen mit einer Freundin zum Kummerer-Park begeben, mit der er in der Nähe zum Pizza-Essen verabredet gewesen sei: "Plötzlich sind alle in den Park hineingelaufen." Er habe schauen wollen, was dort los sei, "da hab' ich schon Knallen und Schüsse gehört." Als er "Männer mit südländischem Aussehen, Araber" mit über den Kopf gezogenen T-Shirts und Waffen in den Händen wahrgenommen habe, habe er es vorgezogen, sich mit seiner Begleiterin zurückzuziehen: "Wir waren dann Fußball schauen in einem Schanigarten."
Verteidiger von Freisprüchen überzeugt
Belastet wird der 29-Jährige zum einen vom Ergebnis einer Rufdatenrückerfassung. Er streitet jedoch gar nicht ab, in der Nähe des Tatorts gewesen zu sein. Zum anderen wurde seine Bauchtasche im BMW des Hauptangeklagten sichergestellt. Dazu erklärte der 29-Jährige, er hätte seinen Freund am Nachmittag getroffen gehabt und die Tasche im Auto versehentlich liegen gelassen. Sein Verteidiger Florian Kreiner zeigte sich von einem Freispruch überzeugt: "Er hat weder mitgekämpft noch sich sonst beteiligt. Es gibt kein Beweisergebnis, dass er bei den Schüssen daneben gestanden ist."
Gegen den Hauptangeklagten sprechen die Angaben von Zeugen sowie ein Schießgutachten. An seiner Kleidung sowie am Lenkrad seines Pkw waren Schmauchspuren entdeckt worden. Dazu erklärten der 30-Jährige und sein Verteidiger Alexander Philipp, der Mann sei am Vortag in Bratislava gewesen und habe an einem Schießstand mehrere Schusswaffen, darunter eine Glock, ausprobiert. Wenige Stunden vor seiner Festnahme habe er nach den Schießübungen in der Slowakei zu Hause seine eigene Waffe gesäubert.
Zeugen hatten im Ermittlungsverfahren den dunklen BMW des 30-Jährigen beschrieben und angegeben, aus dem Fahrzeug seien drei mit Pistolen bewaffnete Männer ausgestiegen und in den Park gegangen. Die Zeugen hätten bei einer Gegenüberstellung den Hauptangeklagten aber nicht identifiziert, räumte der Staatsanwalt in der Verhandlung ein. Folglich ging auch dessen Rechtsvertreter davon aus, dass dieser "nur freigesprochen werden kann."
Geschworene kamen wegen Sicherheitsvorkehrungen zu spät
Überschattet wurde die Verhandlung von den Auswirkungen der verschärften Sicherheitsvorkehrungen, die seit einigen Wochen am Landesgericht zu erheblichen Verzögerungen führen. Jede Person, die das Gerichtsgebäude betreten will, wird seit kurzem penibel untersucht - sogar Geldtaschen werden geöffnet, Haarspangen und Broschen müssen im Eingangsbereich abgegeben werden.
Einige zur Verhandlung geladene Zeugen wollten sich allerdings nicht in die Menschenschlange vor der Sicherheitsschleuse einreihen und drängten sich vor. Als sie von den Security-Mitarbeitenden gebeten wurden, sich nicht vorzudrängen, kam es zu verbalen Bedrohungen. Die Polizei musste gerufen werden, um Ruhe und Ordnung wiederherzustellen.
Die genauen Durchsuchungen führten dazu, dass einige als Geschworene geladene Personen es erst mit mehrstündiger Verspätung in den Gerichtssaal schafften. Glücklicherweise hatte der Richter eine ausreichende Anzahl an Laienrichterinnen - und -richtern geladen, so dass mit der Verhandlung pünktlich begonnen werden konnte, weil die Geschworenenbank mit den vom Gesetz vorgeschriebenen acht Laien ausreichend besetzt war. Allerdings kamen dann immer wieder Frauen mit einer Geschworenenladung in den Saal, die letzte knapp vor 11.00 Uhr. Sie hätte seit 8.45 Uhr in der Menschenschlange gewartet, erklärte die Frau. Als ihr erklärt wurde, dass sie nicht mehr benötigt werden, reagierte mir Frau mit einem bedauernden "Und ich hab mich so drauf gefreut."
Die Verhandlung ist auf zwei Tage anberaumt. Die Urteile sollen am 7. Mai fallen.
Zusammenfassung
- Zwei Tschetschenen, 29 und 30 Jahre alt, stehen wegen versuchten Mordes nach einer Schießerei im Wiener Anton-Kummerer-Park am 5. Juli 2024 vor Gericht.
- Der 30-Jährige soll mindestens sechs Schüsse in Tötungsabsicht abgegeben haben, wobei zwei Syrer durch abprallende Projektile verletzt wurden.
- Die Angeklagten bestreiten die Vorwürfe und erklären, den Park nicht betreten zu haben, während Zeugen und ein Schießgutachten den Hauptangeklagten belasten.
- Verteidiger argumentieren für Freisprüche, da keine direkten Beweise für die Anwesenheit der Angeklagten bei den Schüssen vorliegen.
- Der Prozess ist auf zwei Tage angesetzt, mit einem Urteil am 7. Mai, und wurde von strengen Sicherheitsvorkehrungen im Gericht begleitet.