"Millionen Zukünfte" zeigen rasch schwindende CO2-Budgets
Wann es für die sich weiter ausbreitende menschliche Gesellschaft im Zusammenhang mit den stetig steigenden Durchschnittstemperaturen so richtig ungemütlich wird und sich unser Heimatplanet in verschiedenen Bereichen massiv verändert - gewissermaßen seine "planetaren Grenzen" erreicht und überschreitet - ist Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Diskussionen. Das wird auch im Rahmen der am 10. November im brasilianischen Belem beginnenden, jährlichen UNO-Klimakonferenz (COP30) wieder so sein.
Im Fachmagazin "Nature Climate Change" hat sich eine Gruppe um Thomas Gasser von der Université Paris-Saclay und vom Internationalen Institut für Angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien daran gemacht, einen neuen Beitrag dazu zu liefern. Letztlich geht es darum, möglichst genau abzuschätzen, wann der negative Einfluss des Menschen auf wichtige Erdsysteme einfach zu groß wird, um der Menschheit sozusagen noch ein gutes Leben zu ermöglichen. Das Forschungsteam hat sich dies unter Berücksichtigung von vier Aspekten angesehen: der globalen Erwärmung, der Versauerung der Ozeane, der Rate des Anstiegs des Meeresspiegels und dem Schmelzen des Meereises in der Arktis.
Bei der Erwärmung ging man davon aus, dass ein Plus von 1,5 bzw. höchstens zwei Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau noch als einigermaßen beherrschbar angesehen werden kann. Damit in Zusammenhang steht auch das Vermeiden des völligen Verschwindens des Meereises im Norden, höchstwahrscheinlich beim Erreichen eines weltweiten Temperatur-Plus von rund 1,7 Grad. Bei der Ozeanversauerung sollte ein Absinken des pH-Wertes um 0,2 Punkte auf der Skala im Vergleich zu vor der Industrialisierung und bezüglich Meeresspiegel-Anstieg ein Plus von mehr als fünf Zentimeter pro Jahrzehnt vermieden werden, schreiben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter in ihrer Arbeit.
"Mehrere Millionen mögliche Zukünfte"
Mit Blick auf diese vier Faktoren und unter verschiedenen Annahmen zum zeitlichen Höchststand der CO2-Emissionen, zum Erreichen der "Netto-Null", zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre und zur wie auch immer technisch realisierten Sonneneinstrahlungsreduktion kamen die Forschenden auf eine Unzahl verschiedener Klima-Pfade oder "mehrere Millionen mögliche Zukünfte", wie sie es ausdrücken.
Zentrales Ergebnis: Mit zumindest rund 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit unter der Grenze von zwei Grad Celsius plus im Welt-Schnitt bliebe man, wenn die Emissionen im Jahr 2030 ihren Höhepunkt erreichen, in der Folge 2050 eine weltweite Netto-Null-CO2-Bilanz zu Buche stünde und die Kapazität zur technischen Entnahme von CO2 aus der Atmosphäre auf zehn Gigatonnen pro Jahr ansteigen würde. Die Chance, dass bei dieser sehr optimistischen Annahme alle vier Grenzen zugleich nicht überschritten werden, liegt demnach nur bei rund 35 Prozent, heißt es weiter.
Die Uhr tickt
Ohne nennenswerte CO2-Entnahme durch technische Lösungen oder etwa massive Aufforstung in der Zukunft müsste schon ab heuer der Gesamtausstoß stark gesenkt werden, um zumindest mit geringer Wahrscheinlichkeit unter einem Temperatur-Plus von zwei Grad zu bleiben. Ohne CO2-Abscheidung sind laut den Berechnungen die Treibhausgas-Budgets also schon sehr bald ausgeschöpft.
Mit der Umsetzung von hochspekulativen, äußerst umstrittenen und technisch und ethisch fragwürdigen Ansätzen zur Steuerung der Sonneneinstrahlung auf die Erde könnten sich die Chancen auf das Einhalten der hier untersuchten planetaren Grenzen insgesamt etwas verbessern. Auf die Ozean-Versauerung hätte das aber keinen Einfluss, da sie nur von der atmosphärischen CO2-Konzentration abhängt, betonen die Wissenschafter, für die die Analyse zeigt, wie stark man verschiedenste Aspekte der Klimaerwärmung gemeinsam betrachten muss.
(S E R V I C E - https://doi.org/10.1038/s41558-025-02460-5)
Zusammenfassung
- Selbst unter diesen optimistischen Annahmen liegt die Chance, dass alle vier untersuchten planetaren Grenzen (Erwärmung, Ozeanversauerung, Meeresspiegelanstieg, Meereis) gleichzeitig eingehalten werden, nur bei rund 35 Prozent.
- Ohne massive CO2-Entnahme oder Aufforstung müsste der CO2-Ausstoß ab sofort drastisch gesenkt werden, da die Treibhausgas-Budgets ansonsten schon sehr bald ausgeschöpft sind.
