Klimaziel-Scheitern wirkt in Österreich ärger als anderswo
Neu sind die Fakten allesamt nicht. Relativ neu, nämlich Mitte Juni erschienen, ist aber der rund 800 Seiten umfassende "Zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel" (AAR2), den 200 Wissenschafter aus 50 Institutionen erstellt haben. Marc Olefs, Leiter der Abteilung Klima-Folgen-Forschung der Geosphere Austria, gab dem internationalen Publikum einen kurzen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse daraus: Mit einem Plus von 3,1 Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter liegt die durchschnittliche Erwärmung in Österreich doppelt so hoch wie im globalen Durchschnitt und 40 Prozent über jener des gesamten europäischen Festlandes. Die Wälder haben umgedreht von einer CO2-Senke zu einer Emissionsquelle.
Die Gletscherforscherin Lilian Schuster von der Universität Innsbruck berichtete, dass der Gletscherverlust in Österreich rapide voranschreite. "In Österreich ist es schlimmer als im Rest der Alpen, denn hier sind die Gletscher weniger dick als anderswo. Es ist nur die Frage, wann wir uns von ihnen verabschieden werden müssen." Die anlässlich des Internationalen Jahrs zum Erhalt der Gletscher 2025 eingerichtete Website https://goodbye-glaciers.info möchte diese erschreckende Tendenz aufzeigen und gleichzeitig zu ehrgeizigen Emissionsreduktionen aufrufen. Noch immer könne man dadurch weltweit viel Gletschervolumen bewahren. In Österreich sei die Entwicklung allerdings unumkehrbar - mit vielfältigen Auswirkungen, von den Ökosystemen bis zum Skitourismus. Der kommende Gletscherverlust bedeute auch etwas für die Identität Österreichs, ergänzte Moderator und IIASA-Programmdirektor Keywan Riahi.
Politischer Rückschritt
Alle diese wissenschaftlichen Erkenntnisse führten jedoch politisch zu keinem Umdenken, konstatierte Katharina Rogenhofer vom Kontext Institut. "Österreich tut nicht genug - da unterscheiden wir uns nicht von den meisten anderen Ländern." Nach ambitionierteren Jahren sei derzeit ein politischer Rückschritt festzustellen. Beschlossene Maßnahmen würden entweder bereits wieder abgeschafft oder seien noch gar nicht umgesetzt worden. Es gebe noch immer kein Klimagesetz mit verpflichtenden Zielen in Richtung der angestrebten Klimaneutralität 2040, klimaschädliche Subventionen würden weiterhin nicht abgeschafft, obwohl dies eine Win-win-Situation für das Budget und für das Klima gleichermaßen wäre. Als aktuelle Negativbeispiele nannte Rogenhofer den ungelösten Umstieg von Öl- und Gasheizungen, das Thema Windenergie, bei dem viele Bundesländer blockierten, oder die Ankündigung, den Lobau-Tunnel doch bauen zu wollen.
Neue Narrative nötig
"Dabei ist Österreich ein reiches Land und könnte zum Showcase für gelingende Szenarien der Transition werden", so Rogenhofer, die darauf verwies, dass man neue Narrative entwickeln müsse, die die sozialen und wirtschaftlichen Vorteile für die Menschen bei entsprechenden Klimamaßnahmen hervorheben und nicht nur mit den durch Nichthandeln entstehenden Gefahren operierten. Ähnlich argumentierte auch Laila Kriechbaum von Fridays for Future Austria: "Wir müssen erkennen, dass mehr Wissen über die drohenden Veränderungen nicht mehr Handeln dagegen hervorbringt. Das macht uns zu schaffen - und erfordert Kreativität von uns."
"Wiener Vorlesung" am Montag
Dem schloss sich Keywan Riahi an - denn alle Zahlen zeigten, dass die Kosten des Nichthandelns viel höher seien als die Kosten der notwendigen Maßnahmen. Die "Overshoot Conference" in Laxenburg wird am Donnerstag abgeschlossen. Riahi selbst wird am Montag (6. Oktober, 19.00 Uhr) wieder an einem Rednerpult stehen: Im Festsaal des Wiener Rathauses hält er eine "Wiener Vorlesung" zum Thema "Klimawandel in Österreich. Herausforderungen, Lösungen und Chancen" und diskutiert anschließend mit Andreas Januskovecz, dem Bereichsleiter für Klimaangelegenheiten der Stadt Wien. Die Veranstaltung wird auch live gestreamt.
(S E R V I C E - Konferenzwebsite: https://iiasa.ac.at/events/sep-2025/overshoot-conference-2025; AAR2: https://aar2.ccca.ac.at)
Zusammenfassung
- Österreich hat sich seit dem vorindustriellen Zeitalter um 3,1 Grad Celsius erwärmt und liegt damit doppelt so hoch wie der globale Durchschnitt sowie 40 Prozent über dem europäischen Festlandsschnitt.
- Expert:innen warnen vor einem unumkehrbaren Gletscherverlust in Österreich, der schneller voranschreitet als im Rest der Alpen und weitreichende Folgen für Ökosysteme und Tourismus hat.
- Politisch werden in Österreich Klimaschutzmaßnahmen abgeschwächt oder nicht umgesetzt, es fehlt weiterhin ein verbindliches Klimagesetz für die angestrebte Klimaneutralität 2040 und klimaschädliche Subventionen bleiben bestehen.