Klimabericht zeigt großen Handlungsbedarf auf
Der Sachstandsbericht zeigt nicht nur die Bedrohungen aufgrund der Erderwärmung, er präsentiert ebenso auch Handlungsoptionen - und fordert dabei massive Investitionen. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Klimaschutzgesetz. Zentrales Anliegen ist CO2-Reduktion, die Dekarbonisierung und die Klimawandelanpassung", definierte Totschnig den politischen Handlungsrahmen. Angesichts der klimatischen Risiken setzt Verkehrsminister Peter Hanke (SPÖ) auf Tempo: "Wir müssen schnell sein, wir müssen innovativ sein", sagte er zum AAR2 am Rande einer Pressekonferenz. Mit Blick auf den Klimawandel seien "maßgeschneiderte Logiken" notwendig, etwa müsse der ländliche Raum anders behandelt werden als der urbane. Hanke will hier gezielt mit Förderungen unterstützen.
Im Schnitt 3,1 Grad Celsius wärmer ist es im Vergleich zum Jahr 1900 bereits - Tendenz steigend. Die Auswirkungen auf Land, Leute und Umwelt sind groß. Um dem entgegenzuwirken und ein Kippen wichtiger Systeme zu vermeiden, sind laut den Autoren Investitionen zwischen 6,4 und 11,2 Mrd. Euro pro Jahr erforderlich. Politische Abläufe gehören überdacht. "Die Folgen der Klimakrise gefährden unseren Wohlstand und verschärfen auch hierzulande soziale Ungleichheiten", sagte Margreth Keiler von der Universität Innsbruck und der ÖAW, Co-Vorsitzende des Sachstandsberichts. Der Bericht betone jedenfalls, dass realistische, sozial verträgliche und wirtschaftlich tragfähige Wege hin zur Klimaneutralität vorhanden sind.
Der soziale Aspekt wurde im zweiten Sachstandsbericht jedenfalls miteinbezogen: "Der Klimawandel ist mehr als ein Umweltproblem, er betrifft unser gesamtes Wirtschafts- und Gesellschaftssystem", führte Klimaforscher Daniel Huppmann aus. Für eine wirksame Emissionsreduktion müsse diese auch sozial gerecht sein. Beispielsweise seien ältere Menschen, Personen mit niedrigem Einkommen und Menschen in prekären Wohnverhältnissen besonders vulnerabel. Gleichzeitig verursache dann das einkommensstärkste Zehntel der Bevölkerung mehr als das Vierfache der Emissionen des einkommensschwächsten Zehntels.
Es gilt jedoch noch eine weitere Hürde zu nehmen, denn "vielschichtige Zuständigkeiten und Abstimmungsprozesse verlangsamen oft die Umsetzung effektiver Maßnahmen für Emissionsreduktion und Anpassung an den Klimawandel", heißt es im Bericht. Im Zusammenspiel zwischen den politischen Ebenen des Bundes, der Länder und der Gemeinden blieben "viele Maßnahmen wirkungslos". Ablesen lässt sich das in den vergangenen Jahren etwa an wenig erfolgreichen Versuchen, die bedrohliche Ausmaße angenommene Bodenversiegelung im Land zu begrenzen. Klare Zuständigkeiten wären hier unter anderem gefragt.
AAR2 folgt der IPCC-Logik
Im Problemaufriss ist der an die Logik der Berichte des Weltklimarates (IPCC) angelehnte, in seiner Langfassung rund 800-seitige Bericht glasklar formuliert: Österreich ist eines der Länder, die sich schon jetzt "deutlich stärker als der globale Schnitt" erhitzen. Und die Situation spitzt sich zu: Seit den 1980er-Jahren kommt man sogar auf ein Plus von rund 0,5 Grad pro Jahrzehnt. Infolge dessen steigt die Frequenz, in der Extremwetterereignisse wie Dürren und Starkniederschläge, aber auch Spätfrost auftreten, Hitzewellen wurden im Vergleich mit dem Zeitraum 1961-1990 länger und intensiver.
Das wirkt sich auf die Wasserverfügbarkeit etwa in der Landwirtschaft, auf den Skitourismus, wo immer weniger Tage mit natürlicher Schneebedeckung kompensiert werden müssen, die mittlerweile recht kümmerlichen Reste von Österreichs Gletschern und den Hitzestress vor allem in städtischen Gebieten des Landes aus. "Mit zunehmender Erhitzung werden in Regionen wie den Alpen, in wasserarmen oder stark versiegelten Gebieten die Anpassungsgrenzen überschritten", heißt es im Kernaussagen-Dokument des Berichts. Das bisherige Risikomanagement stoße "bei komplexen, kaskadierenden Gefahren" an seine Grenzen, "was potenziell irreversible Schäden für Gesellschaft, Infrastruktur und Ökosysteme zur Folge hat".
Überschrittene Anpassungsgrenzen
Erreichte oder in weiterer Folge überschrittene Anpassungsgrenzen sind die Folge von unzureichenden bestehenden Strategien und Risikomanagementsystemen. "Das führt zu lang anhaltenden oder sogar irreversiblen Folgen für Gesellschaft, Infrastruktur und Ökosysteme", erläuterte Klimaforscher Keywan Riahi gegenüber der APA.
Als Beispiele nannte er unter anderem Megadürren und landwirtschaftliche Schäden (die bereits bei etwas über zwei Grad Celsius globaler Erwärmung mit erhöhtem Risiko auftreten werden) und Naturgefahren, die kritische Infrastruktur und die wirtschaftliche Stabilität beeinträchtigen. "Besonders früh treten hitzebedingte Auswirkungen auf Gesundheit und Wohlbefinden auf, welche bereits bei zwei Grad globaler Erwärmung zu erhöhtem Risiko für Sterblichkeit und verminderter Arbeitsproduktivität führen."
Trend zeigt Richtung plus vier Grad
Mit Blick auf den derzeitigen Welttrend steuert man in unseren Breiten sogar auf ein Plus von "deutlich mehr als vier Grad Celsius im Vergleich zur vorindustriellen Zeit" zu, heißt es seitens der insgesamt über 200 an dem Papier beteiligten Wissenschafterinnen und Wissenschafter. Es ist das zweite seiner Art nach der Premiere im Jahr 2014, wurde vom Landwirtschaftsministerium über den Klima- und Energiefonds finanziert und vom Austrian Panel on Climate Change (APCC) umgesetzt.
Als Vorsitzende des Gremiums fungieren neben Keiler von der Universität Innsbruck und der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) Daniel Huppmann und Keywan Riahi (beide Internationales Institut für Angewandte Systemanalyse IIASA, NÖ) und Harald Rieder von der Universität für Bodenkultur (Boku) in Wien.
(S E R V I C E - Projektwebsite: https://aar2.ccca.ac.at)
Zusammenfassung
- Der zweite Österreichische Sachstandsbericht zum Klimawandel (AAR2) wurde von 200 Wissenschaftern aus 50 Institutionen erstellt und umfasst rund 800 Seiten.
- Die durchschnittliche Temperatur in Österreich ist seit 1900 bereits um 3,1 Grad Celsius gestiegen, und der Trend zeigt weiter nach oben.
- Um die Folgen der Klimakrise einzudämmen und wichtige Systeme vor dem Kippen zu bewahren, sind laut Bericht Investitionen von 6,4 bis 11,2 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich.
- Politische Abläufe und vielschichtige Zuständigkeiten behindern die Umsetzung effektiver Klimaschutzmaßnahmen, wodurch viele Maßnahmen wirkungslos bleiben.
- Der Klimawandel verschärft soziale Ungleichheiten, da das einkommensstärkste Zehntel der Bevölkerung mehr als das Vierfache der Emissionen des einkommensschwächsten Zehntels verursacht.