Kaschmir-Konflikt
Eskalation: Pakistan kündigt Reaktion auf Indien-Angriff an
Pakistan behalte sich das Recht vor, in Selbstverteidigung zu einem Zeitpunkt, an einem Ort und auf eine Weise seiner Wahl zu reagieren, sagte der Politiker am Mittwoch in Islamabad laut einer Mitteilung.
"Die pakistanischen Streitkräfte sind ordnungsgemäß ermächtigt worden, entsprechende Maßnahmen zu ergreifen."
Indien hatte in der Nacht mehrere Ziele in Pakistan und im pakistanisch kontrollierten Teil der Unruheregion Kaschmir angegriffen. Nach Angaben des pakistanischen Militärs wurden dabei 26 Menschen getötet und 46 weitere verletzt, was zu den schwersten Kämpfen zwischen beiden Staaten seit mehr als 20 Jahren führte. Beide Seiten meldeten getötete Zivilisten. Der Jahrzehnte alte Konflikt zwischen den Atommächten ist damit erneut eskaliert. International wird Zurückhaltung gefordert.
Premier Sharif sprach von einem "offenkundigen Kriegsakt". Pakistan erklärte zudem, fünf indische Kampfjets abgeschossen zu haben. Indien bestätigte diese Angabe zunächst nicht. Zudem informierte Pakistan den UNO-Sicherheitsrat über sein Recht, angemessen auf die indische Aggression zu reagieren.
Bei einem der indischen Angriffe in Pakistan wurden nach Angaben der islamistischen Extremistengruppe Jaish-e-Mohammad zehn Verwandte ihres Anführers Masood Azhar getötet. Die Regierung in Neu-Delhi sprach von einem Angriff auf Terrorziele.
Auf indischer Seite stürzten nach Angaben aus Sicherheitskreisen unterdessen drei Kampfjets ab. Pakistanische Geheimdienstkreise meldeten den Abschuss von fünf indischen Kampfflugzeugen. Die Jets hätten Pakistan angegriffen, erklärte der pakistanische Armeesprecher.
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Indien bestritt die pakistanischen Vorwürfe, zivile Ziele bei seinen Angriffen auf das Nachbarland attackiert zu haben.
Auslöser der Eskalation war ein Anschlag im indischen Teil Kaschmirs im April, für den Indien muslimische Extremisten aus Pakistan verantwortlich macht. Die Regierung in Islamabad bestreitet eine Verwicklung. Mehrere Fluggesellschaften strichen Flüge nach Indien und Pakistan. Flughäfen und der Luftraum wurden gesperrt. Pakistan schloss nach den Angriffen aus Indien seinen Luftraum für 48 Stunden, wie ein Sprecher der zivilen Luftfahrtbehörde der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
In Islamabad kam später das Sicherheitskabinett zusammengekommen, um über Pakistans weiteres Vorgehen im Konflikt mit Indien zu beraten, wie es aus Kreisen des Außenministeriums und des Geheimdienstes hieß. Die Ergebnisse werde Pakistans Premierminister Sharif nach der Sitzung verkünden, hieß es weiter.
"Ehre verteidigen"
"All diese Einsätze wurden als Verteidigungsmaßnahme durchgeführt", sagte der pakistanische Militärsprecher Ahmed Sharif Chaudhry bezüglich der Angriffe. "Pakistan bleibt ein sehr verantwortungsvoller Staat. Wir werden jedoch alle notwendigen Schritte unternehmen, um die Ehre, Integrität und Souveränität Pakistans um jeden Preis zu verteidigen
" Entlang großer Teile der De-facto-Grenze in Kaschmir kam es zu intensivem Beschuss und schwerem Gewehrfeuer, wie Polizei und Augenzeugen berichteten.
Nach Angaben der indischen Polizei wurden durch Beschuss der pakistanischen Armee zehn Zivilisten im indischen Teil Kaschmirs getötet, 48 Menschen wurden demnach verletzt. Auf pakistanischer Seite wurden den Behörden zufolge mindestens sechs Menschen getötet.
In Muzaffarabad, der Hauptstadt von Pakistanisch-Kaschmir, waren bei Sonnenaufgang Schäden der Angriffe sichtbar. Sicherheitskräfte sperrten eine kleine Moschee in einem Wohnviertel ab, die getroffen worden war. Das Minarett war eingestürzt.
Ein pakistanischer Militärsprecher teilte dem Sender Geo mit, dass zwei Moscheen zu den von Indien angegriffenen Zielen gehörten. Der pakistanische Verteidigungsminister erklärte, alle Ziele seien zivil gewesen. Er wies damit anderslautende indische Angaben zurück.
Nach den Angriffen wurden alle Schulen in Pakistanisch-Kaschmir, der Hauptstadt Islamabad, weiten Teilen des indischen Kaschmirs und der bevölkerungsreichen pakistanischen Grenzprovinz Punjab geschlossen. Der pakistanische Regierungschef Shehbaz Sharif sagte, seine Regierung werde auf die indischen Angriffe reagieren.
Er nannte jedoch keine Einzelheiten. Die Provinz Punjab rief den Notstand aus. Krankenhäuser und Notdienste wurden in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Nach den Angriffen erklärte die indische Armee auf der Online-Plattform X: "Der Gerechtigkeit wurde Genüge getan."
Operation "Sindoor"
Mit dem indischen Angriff eskalieren die jüngsten Spannungen zwischen den beiden Atommächten erheblich. Ausgelöst wurden sie durch den Anschlag vom 22. April. Die Regierung in Neu-Delhi wirft Pakistan eine Beteiligung vor, Islamabad weist den Vorwurf zurück.
Seit dem Anschlag überzogen sich Indien und Pakistan mit Strafmaßnahmen, wiesen unter anderem Staatsbürger der jeweils anderen Seite aus und reduzierten die diplomatischen Beziehungen. Experten stuften besonders Indiens Entscheidung als schwerwiegend ein, den sogenannten Indus-Wasservertrag mit dem Nachbarn auszusetzen. Der Vertrag regelt die Wassernutzung beider Seiten des Indus und seiner Nebenflüsse. Islamabad nannte die Aussetzung des Vertrags eine Kriegshandlung und drohte mit entsprechenden Gegenmaßnahmen.
Die Kaschmir-Region im Himalaya ist zwischen Pakistan und Indien geteilt, beide beanspruchen aber das ganze Gebiet für sich. Die Ursprünge des Konflikts reichen bis in die Kolonialzeit zurück. 1947 entließen die Briten den indischen Subkontinent in die Unabhängigkeit und teilten diesen auf.
Aus der Teilung entstand neben dem überwiegend hinduistischen Indien der neue Staat Pakistan für Muslime. Die gewaltvoll verlaufene Teilung nährt bis heute eine erbitterte Rivalität. Seit ihrer Unabhängigkeit führten beide Länder drei Kriege gegeneinander, zwei davon um Kaschmir.
Seit einem Waffenstillstand von 2003, zu dem sich beide Länder 2021 erneut bekannten, sind gezielte Angriffe zwischen Indien und Pakistan äußerst selten. Dies gilt besonders für indische Angriffe auf pakistanische Gebiete außerhalb von Pakistanisch-Kaschmir. Experten warnen, das Ausmaß des jüngsten indischen Angriffs - genannt "Operation Sindoor" - erhöhe das Risiko einer Eskalation. "Sindoor" ist das Hindi-Wort für Zinnober, ein rotes, mineralisches Pulver, das hinduistische Frauen als Zeichen der Ehe auftragen.
Der nun erfolgte indische Angriff stellt eine erhebliche Eskalation gegenüber früheren Aktionen Neu-Delhis auf Angriffe in Kaschmir dar, die Pakistan zugeschrieben wurden. Dazu gehört etwa ein Luftangriff 2019 nach der Tötung von 40 indischen paramilitärischen Polizisten. Teile von Kaschmir stehen zu allem Übermaß unter chinesischer Kontrolle, was das Konfliktpotenzial rund um unklare Grenzverläufe zusätzlich erhöht.
Video: Mindestens 15 Tote bei Massenpanik in Indien
Zusammenfassung
- Nach der massiven Eskalation im Kaschmir-Konflikt ist die Zahl der Toten bei indischen Angriffen auf Ziele in Pakistan in der Nacht auf Mittwoch nach Angaben des pakistanischen Militärs auf 26 gestiegen.
- In der Grenzstadt Poonch seien zudem 29 Menschen verwundet worden, teilte ein Verwaltungsangestellter der Stadt der Nachrichtenagentur AFP mit.
- ittwochnacht flog die indische Armee Angriffe auf "terroristische Infrastruktur" in Pakistan und im pakistanisch besetzten Teil Kaschmirs, nach pakistanischen Angaben wurden dabei mindestens acht Zivilisten getötet. Pakistans Militär sprach von Raketenang