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Im Schnitt 90 Tage Wartezeit in Kinder- und Jugendpsychiatrie

Die Ärztekammer Wien schlägt Alarm: Das öffentliche Gesundheitssystem in Österreich sei "massiv gefährdet". Die Wartezeiten in Ordinationen seien merklich gestiegen, die Terminvergabe werde immer schwieriger und auch Aufnahmestopps von Patient:innen würden öfter vorkommen.

"Es ist fünf vor zwölf", so Steinhart in einer Aussendung. In beinahe allen Fachrichtungen seien die Wartezeiten "merklich gestiegen", besonders betroffen seien die Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Neurologie. Bei ersterer würde man im Jahr 2024 im Schnitt 90 Tage auf einen Termin warten.

Für einen Termin bei einer neurologischen Facharztpraxis habe man im Jahr 2012 noch 33 Tage gewartet, mittlerweile seien es bereits 45 Tage.

So lange muss man warten

Der Vergleich zum Jahr 2012 zeige, dass die durchschnittlichen Wartezeiten auch in anderen Bereichen in Wien ähnlich lange seien:

  • Radiologie: 57 Tage (2012: 32 Tage)
  • Augenheilkunde: 44 Tage (2012: 9 Tage)
  • Pulmologie: 36 Tage (5 Tage)
  • Innere Medizin: 33 Tage (2012: 12 Tage)
  • Gynäkologie: 32 Tage (2012: 8 Tage)
  • Dermatologie: 28 Tage (2012: 7 Tage)

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Patientenstopp

Überhaupt einen Termin zu bekommen, würde laut der Studie auch immer komplizierter werden. In vielen Fachrichtungen würden keine neuen Patient:innen mehr aufgenommen. Rund jede dritte Allgemeinmedizinische Ordination könne keine neuen Patient:innen mehr aufnehmen. 54 Prozent der Kassenmediziner:innen für Kinder- und Jugendheilkunde ginge es ähnlich.

Grund dafür sei die "massive Auslastung". In der Kinder- und Jugendpsychiatrie seien es 40 Prozent, in der Gynäkologie und Frauenheilkunde immerhin 30 Prozent.

Wie die Studie durchgeführt wurde

In einer aktuellen Studie von Meinungsforscher Peter Hajek wurden 850 Wiener Kassenärzt:innen aus unterschiedlichen Fachrichtungen mittels "Mystery Call" kontaktiert. Die Ergebnisse seien "erschreckend", so Ärztekammerpräsident Johannes Steinhart.

"Die Umfrage zeigt jene Problemstellen auf, die bislang nur auf anekdotischer Evidenz basierte. Die heurige Erhebung wurde im selben Studiendesign wie 2012 durchgeführt, um Vergleichbarkeit herstellen zu können. Die Ergebnisse sind dementsprechend valide", so Hajek.

Video: Immer weniger Kassenärzte

Initiative "Auf geht's"

"Leider sind die Probleme hausgemacht, weil das Kassensystem seit vielen Jahren kaputtgespart wird. Die Leidtragenden sind die Patientinnen und Patienten, die immer längere Wartezeiten in Kauf nehmen müssen", bemängelt Steinhart. 

Seit 2012 sei Wien um 16 Prozent gewachsen, die Anzahl der Kassenärzt:innen sei aber um 12 Prozent gesunken. Die Ärztekammer Wien startet daher die Initiative "Auf geht's! - in eine sichere Gesundheitsversorgung". 

Darin fordert sie etwa eine Attraktivierung und bessere Finanzierung des Kassenbereichs. Der Startbonus über 100.000 Euro müsse für alle offenen Kassenstellen gelten. Auch brauche es mehr Unterstützung beim Gründungsprozess, mehr Gemeinschaftspraxen und eine faire sowie einheitliche Honorierung.

"Notfallkoffer" an die Politik

Zudem sollte es flexiblere Öffnungszeiten geben, sodass etwa während einer herbstlichen Erkältungswelle längere Öffnungszeiten gelten, im Sommer dafür aber verkürzte gelten könnten.

"Dieser Notfallkoffer mit unserem Forderungskatalog für eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung ist wirksam und wird rasch für Entlastung bei den Patientinnen und Patienten sorgen. Menschen, die jahrelang einen großen Teil ihres Einkommens in unser solidarisches Gesundheitssystem einzahlen bzw. eingezahlt haben, müssen ein Recht auf die bestmögliche Versorgung haben! Es geht um das Wohl der Patientinnen und Patienten und das muss die oberste Prämisse der Politik sein. Wir fordern die Verantwortlichen der Bundesregierung, der Stadt Wien und der Sozialversicherung zum Handeln auf", appellierten Präsident Johannes Steinhart und Vizepräsidentin Naghme Kamaleyan-Schmied an die Politik.

ribbon Zusammenfassung
  • Die Ärztekammer Wien schlägt Alarm: Das öffentliche Gesundheitssystem in Österreich sei "massiv gefährdet".
  • Die Wartezeiten in Ordinationen seien merklich gestiegen, die Terminvergabe werde immer schwieriger und auch Aufnahmestopps von Patient:innen würden öfter vorkommen.
  • Seit 2012 sei Wien um 16 Prozent gewachsen, die Anzahl der Kassenärzt:innen sei aber um 12 Prozent gesunken.
  • In der Kinder- und Jugendpsychatire würde man im Jahr 2024 im Schnitt 90 Tage auf einen Termin warten.