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Experten: Klimawandel rückt Wald "in Mitte der Gesellschaft"

Heute, 11:31 · Lesedauer 4 min

In Europa ist der Wald im Vormarsch: 14 Mio. Hektar größer ist er in den vergangenen 30 Jahren geworden - nirgends sonst ist diese auch im Zusammenhang mit dem Klimawandel wichtige Kohlenstoffsenke derart im Aufwind. Gleichzeitig steigt aber der Druck durch Trockenstress, Borkenkäfer, Windwurf und Co. Anlässlich des 150-Jahr-Jubiläums des Forstwirtschaftsstudiums an der Universität für Bodenkultur (Boku) sehen Experten den Wald "wieder in die Mitte der Gesellschaft rücken".

Knapp die Hälfte von Österreichs Staatsfläche ist heute bewaldet - ein im internationalen Vergleich extrem hoher Wert, wie es am Montag an der Boku hieß. Nach einer langen Phase der starken Übernutzung der Wälder war es vor 150 Jahren an der Zeit, sich auch verstärkt wissenschaftlich dem Forst zu widmen, erklärte Hubert Hasenauer, Leiter des Instituts für Waldbau an der Boku. In der Folge reduzierte günstige Energie aus fossilen Brennstoffen den Druck - und Europas Wälder schafften einen "Rebound" nach den "Devastierungen".

Jetzt stehen erneut Umwälzungen vor der Tür: Die Österreichischen Bundesforste (ÖBf) mussten in den vergangenen Jahren im Schnitt um die 35 Mio. Euro an "Klimawandelkosten" hinnehmen - 2024 waren es sogar mehr als 49 Millionen, wie Roland Kautz von der Bundesforste AG sagte. 15 Prozent der heimischen Waldfläche managen die ÖBf für die Republik, rund 80 Prozent sind in Privatbesitz.

"Jedes garstige Frühjahr" freut Waldwirtschaft

Im Gegensatz zu vielen anderen Menschen freut die Forstwirtschaft "jedes garstige Frühjahr" mit Schnee, niedrigen Temperaturen und Regen. Das hegt nämlich die wärmeliebenden Borkenkäfer etwas ein, so Kautz. Der mag es besonders, wenn er auf durch Trockenheit gestresste Fichten trifft. Die befindet sich in Österreich prominent vertreten auf rund 500.000 Hektar Fläche, auf der sie aufgrund der Umweltbedingungen eigentlich nicht heimisch wäre, sagte Hasenauer. Dafür gibt es gute wirtschaftliche Gründe, ökologisch wird es mit steigenden Durchschnittstemperaturen aber immer schwieriger. Auch seine Schutzfunktion kann ein gestresster, ausgedünnter und geschwächter Großteils-Fichtenwald entsprechend schlechter erfüllen.

Die Bundesforste werden den Fichtenanteil auf all ihren Flächen bis 2100 von 57 auf 37 Prozent reduzieren, erklärte Kautz. Wie es auf den anderen Flächen weitergeht, ist den privaten Besitzern überlassen, betonte der steirische Wirtschaftslandesrat Willibald Ehrenhöfer (ÖVP). Seitens Forschung und Politik biete man vielfältige Unterstützung an. Es brauche einen intensiven Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft - und ein weiteres Einsickern der Erkenntnis, dass der Wald, auch aus gesamtgesellschaftlicher Sicht "völlig unterbewertet" sei.

"Keine Rezeptlösung" für Wald der Zukunft

Die Anpassung an den Klimawandel könne man nur gemeinschaftlich lösen, meinte auch Jana Pirolt von der Vereinigung "Land&Forst Betriebe Österreich". Welche Baumarten wann und wo am besten angebaut werden sollten, könne man aus heutiger Sicht nicht komplett beantworten, so der Tenor unter den Expertinnen und Experten. Hasenauer: "Es gibt keine Rezeptlösung." Klar sei aber: Der Trend müsse in Richtung "Risikominimierung durch Diversifikation" - also in Richtung Einsatz verschiedener Baumarten - gehen.

Das passiere auch bereits, erklärte Elfriede Anna Moser, Sektionschefin im Landwirtschaftsministerium. Statistiken zeigen, dass Mischwälder im Zunehmen sind. Im Tandem mit der Forschung testet man aktuell auf rund 500 Demonstrationsflächen künftige Baum-Zusammensetzungen. Wie sich etwa die Douglasie, Roteiche oder Zeder in unseren Breiten im neuen Temperatur- und Niederschlagsregime verhalten, untersuchen Forstwissenschafter intensiv. "Das Thema ist kompliziert, aber spannend", so Hasenauer.

Frauenanteil im Steigen

Nachwuchssorgen macht man sich im forstwissenschaftlichen Sektor jedenfalls keine: Im vergangenen Jahr starteten 174 Studentinnen und Studenten mit ihrem Studium an der Boku, so Rektorin Eva Schulev-Steindl. Fasst man alle Studien mit stärkerem Wald-Bezug zusammen, komme man auf fast 1.000 Studierende. Der Frauenanteil sei im Steigen und liege bei rund 35 Prozent.

(S E R V I C E - https://boku.ac.at/oekb)

Zusammenfassung
  • Die Waldfläche in Europa ist in den letzten 30 Jahren um 14 Millionen Hektar gewachsen, wobei Österreich mit fast 50 Prozent bewaldeter Staatsfläche international herausragt.
  • Trotz dieser positiven Entwicklung steigen die Belastungen durch Klimawandel, Schädlinge und Trockenheit, was allein 2024 zu Klimawandelkosten von über 49 Millionen Euro bei den Österreichischen Bundesforsten führte.
  • Um den Wald widerstandsfähiger zu machen, planen die Bundesforste, den Fichtenanteil bis 2100 von 57 auf 37 Prozent zu senken und setzen auf Diversifikation, während der Frauenanteil im forstwissenschaftlichen Studium auf 35 Prozent gestiegen ist.