APA/HELMUT FOHRINGER

Ex-Justizsektionschef Christian Pilnacek ist tot

Der 60-Jährige wurde am Freitag tot aufgefunden.

Christian Pilnacek, langjähriger Justizsektionschef, ist in der Nacht auf Freitag verstorben, berichtet das "profil" in seiner Onlineausgabe - das Justizministerium bestätigte die Nachricht. Der Jurist - einst der mächtigste Beamte im Justizministerium - wurde 60 Jahre alt. Er leitete die Sektion für Strafrecht und war damit für die Kontrolle der Arbeit der Staatsanwaltschaften zuständig. Zudem galt er als einer der Architekten der neuen Strafprozessordnung.

Geisterfahrer

Was genau in der Nacht auf Freitag geschehen ist, ist derzeit unklar. Gegenüber PULS 24 bestätigt die Polizei, dass Pilnacek am Donnerstagabend um 22:15 Uhr als Geisterfahrer und alkoholisiert auf Höhe Stockerau angehalten wurden. Ihm wurde sowohl der Führerschein, als auch der Autoschlüssel abgenommen. Als er abgeholt wurde, war für die Polizei die Amtshandlung beendet. Was danach geschah, ist derzeit Gegenstand der Ermittlungen. 

"Jahrhundertreform"

Der 1992 zum Richter in Wien ernannte Jurist begann seine  Laufbahn in der Sektion für Straflegistik im Justizministerium. Nach einigen Jahren als Richter des Landesgerichts Korneuburg wechselte er 1999 zurück ins Ministerium. Als Leiter der Abteilung für Strafverfahrensrecht war er federführend an der Überarbeitung der Strafprozessordnung beteiligt.

Diese gilt als "Jahrhundertreform" und trat 2008 in Kraft. Damit wurden die Untersuchungsrichter abgeschafft, die Staatsanwaltschaften aufgestockt und verfassungsrechtlich als Organe der Gerichtsbarkeit verankert. Ebenfalls wurden damit die Rechte von Opfern und Beschuldigten verstärkt.

Ab 2010 leitete Pilnacek die neu gegründete "Supersektion", in der die Bereiche Legistik und Einzelstrafsachen zusammengelegt wurden.

Clinch mit der WKStA

Justizintern galt Pilnacek stets als Reizfigur, die nicht mit ihrer Meinung hinter dem Berg hielt. Mit dem mittlerweile legendären Satz "Setzts euch z'samm und daschlogts es, aber das hättet ihr vor drei Jahren machen können" hatte er etwa Anklagevertreter aufgefordert, sich in der Eurofighter-Causa nicht mit keinen Erfolg versprechenden Ermittlungssträngen aufzuhalten und diese Teile einzustellen.

Durch seine Auseinandersetzungen mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde er auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Diverse Vorwürfe, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, führten später zu seiner Suspendierung und mehreren Verfahren. Im einzigen bisher abgeschlossenen Prozess wurde er freigesprochen.

Handy abgenommen

Eine neue Dimension erreichten die Auseinandersetzungen, als Pilnacek im Zuge von Ermittlungen rund um das Heumarkt-Projekt von der Staatsanwaltschaft Wien das Handy abgenommen wurde. Vorwurf: Er soll interne Informationen aus der Behörde verraten haben - in dieser Causa wird nach wie vor ermittelt. In einem anderen Verfahren wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses wurde er dagegen rechtskräftig freigesprochen.

Suspendierung

2021 wurde er von Interimsminister Werner Kogler (Grüne) - Justizministerin Alma Zadic (Grüne) befand sich zu der Zeit in Karenz - suspendiert. Laut "profil" sollte diese Suspendierung bald zurückgenommen werden. Ebenfalls war Pilnacek mehr als einmal Gast in U-Ausschüssen und auf dem politischen Parkett - zuletzt etwa auf der Premiere von einem der Filme über Sebastian Kurz.

Warum wurde Pilnacek entmachtet?

Reaktionen

Die Nachricht von Pilnaceks Tod sorgte auch im gerade laufenden Prozess gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz und Ex-Kabinettschef Bernhard Bonelli für Betroffenheit. Kurz sei bestürzt, sagte er am Rande des Prozess, es habe gestern Abend noch mit ihm telefoniert.

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) zeigte sich in einer Stellungnahme erschüttert und nannte ihn einen "fachlich äußerst versierten Juristen, der mit seiner Expertise einen großen Beitrag zur Weiterentwicklung der Straflegistik geleistet hat".

Auch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) zeigt sich bestürzt und lobt Pilnacek als  "brillanter Jurist, der die österreichische Justiz über Jahrzehnte geprägt hat wie kaum ein anderer" und weiter: "Seine legistischen Fähigkeiten, seine Genauigkeit und Genialität, aber auch sein unverbrüchliches Einstehen für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und seine Loyalität gegenüber den vielen Justizministerinnen und Justizministern, denen er gedient hat, werden fehlen."

Nehammer: Tief betroffen

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) sei "tief betroffen", wie er auf Twitter schreibt. "Ich habe ihn - auch in der Zusammenarbeit als Innenminister - als herausragenden Juristen kennen und schätzen gelernt. Mein tief empfundenes Beileid gilt seiner Familie, seinen Angehörigen und seinen Freunden. Ruhe in Frieden!"

 

Hilfe im Krisenfall

  • Telefonseelsorge: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr, online unter www.telefonseelsorge.at
  • Sozialpsychiatrischer Notdienst/PSD: 01 31330, täglich 0–24 Uhr, online unter www.psd-wien.at
  • Rat auf Draht: 147. Beratung für Kinder und Jugendliche. Anonym, täglich 0–24 Uhr, online unter www.rataufdraht.at
  • Kindernotruf: 0800 567 567, Beratung bei persönlichen Krisen. Anonym, täglich 0-24 Uhr
ribbon Zusammenfassung
  • Christian Pilnacek, langjähriger Justizsektionschef, ist in der Nacht auf Freitag verstorben, berichtet das "profil" in seiner Onlineausgabe.
  • Der Jurist - einst der mächtigste Beamte im Justizministerium - wurde 60 Jahre alt.
  • Im Justizministerium war der Steirer unter mehreren Ministern Generalsekretär und galt als ausgewiesener Experte im Strafrecht.
  • Durch seine Auseinandersetzungen mit der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wurde er auch einer breiten Öffentlichkeit bekannt.
  • Diverse Vorwürfe, unter anderem wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, führten später zu seiner Suspendierung und mehreren Verfahren. Im einzigen bisher abgeschlossenen Prozess wurde er freigesprochen.
  • 2021 wurde er von Justizministerin Alma Zadic (Grüne) suspendiert. Laut "profil" sollte diese Suspendierung bald zurückgenommen werden.