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Erste Prozesse um fälschlich als Amokläufer titulierten Mann

Heute, 11:10 · Lesedauer 3 min

Jener Steirer, der infolge eines ähnlichen Namens im Internet von manchen fälschlicherweise für den Amokläufer von Graz gehalten und in den Tagen danach als angeblicher Täter gebrandmarkt wurde - er erhielt unzählige Nachrichten bis hin zu Morddrohungen -, geht bekanntlich gegen den ihm widerfahrenen Hass im Netz vor. In der kommenden Woche finden dazu nun erste Verhandlungen in Wien und in Eisenstadt statt. Das teilte sein Anwalt Michael Rami am Mittwoch auf APA-Anfrage mit.

Zunächst wird am Montagnachmittag am Wiener Landesgericht gegen eine Frau verhandelt, die auf der Online-Ausgabe eines Mediums den 22-jährigen Steirer zu Unrecht als vermeintlichen Amokläufer verunglimpft hatte. Dieser bzw. sein Anwalt reichten gegen die Frau eine Privatanklage wegen übler Nachrede ein, wobei in ihrem Fall ein verschärfter Strafrahmen zum Tragen kommt. Die von ihr begangene Tat wurde der Klage zufolge nämlich auf eine Weise begangen, dass die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wurde. Der Beklagten droht daher im Fall einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen.

Am Dienstagnachmittag wird dann am Landesgericht Eisenstadt gegen einen 65-Jährigen verhandelt, der auf seinem eigenen Social-Media-Account den jungen Steirer fälschlich als vermeintlichen Amokläufer verunglimpft hatte, indem er ein dahingehendes Posting teilte. Das könnte den 65-Jährigen nun teuer zu stehen kommen. Als Betreiber seines Accounts gilt er nach dem Mediengesetz als Medieninhaber und ist somit entschädigungspflichtig, wenn er mit einer Veröffentlichung die Persönlichkeitsrechte anderer verletzt.

Dass im vorliegenden Fall der Tatbestand der üblen Nachrede erfüllt ist, ist für den ausgewiesenen Medienrechtsexperten Rami evident. "Ein schlimmerer Vorwurf als der, mehrere Kinder ermordet zu haben, ist nicht vorstellbar", bekräftigte Rami im Gespräch mit der APA. Spannend dürfte werden, welche Entschädigung der Kläger im Fall einer Verurteilung des 65-Jährigen vom Gericht zugesprochen bekommt.

Dabei ist laut Mediengesetz "auf die Wahrung der wirtschaftlichen Existenz des Medieninhabers Bedacht zu nehmen". Grundsätzlich kann aber ein Entschädigungsbetrag von 100 bis zu 40.000 Euro festgesetzt werden. In Ausnahmefällen - bei "besonders schwerwiegenden Auswirkungen der Veröffentlichung" und zumindest grob fahrlässigem Verhalten des Medieninhabers - sind vom Gesetz sogar Entschädigungen von bis zu 100.000 Euro vorgesehen.

Derzeit 28 Verfahren anhängig

Wie Rami mitteilte, sind derzeit österreichweit 28 Verfahren gegen Personen gerichtsanhängig, die teilweise unter ihren Klarnamen auf Plattformen wie Facebook und TikTok Postings mit dem Namen und dem Foto des jungen Südsteirers geteilt und damit im Kern den Vorwurf weiterverbreitet hatten, dieser sei ein Mehrfachmörder. Dabei hätte jeder und jedem klar sein können bzw. müssen, dass der irrtümlich verwechselte Steirer mit dem Blutbad vom 10. Juni, bei dem neun Schülerinnen und Schüler und eine Lehrerin getötet wurden, nichts zu tun haben konnte. Der Schütze hatte noch im Schulgebäude Suizid begangen. Nur weil der Amokläufer und der junge Südsteirer phonetisch gleich klingende Vornamen aufwiesen und der erste Buchstabe ihrer Familiennamen ident war, tauchte der 22-Jährige auf Plattformen im Internet plötzlich als angeblicher Amokläufer auf.

In einem Fall wurde eine Klage wegen übler Nachrede laut Rami bereits erledigt. Eine Frau hatte - ebenfalls auf der Online-Ausgabe eines Mediums - den falschen Vorwurf verbreitet und dürfte sich in der Verhandlung in der vorigen Woche schuldeinsichtig gezeigt haben. Sie entging einer Verurteilung, indem sie sich mit Rami auf die Vergleichsbedingungen einigte. "Sie muss die Prozesskosten und 1.000 Euro als symbolischen Schadenersatz bezahlen", berichtete der Anwalt.

Zusammenfassung
  • Gegen 28 Personen laufen derzeit österreichweit Verfahren, weil sie einen 22-jährigen Steirer fälschlich als Amokläufer von Graz im Internet bezeichnet und dessen Foto sowie Namen weiterverbreitet haben.
  • In Wien und Eisenstadt finden nächste Woche die ersten Prozesse statt, wobei den Angeklagten bis zu ein Jahr Haft oder Geldstrafen bis zu 720 Tagessätzen sowie Entschädigungszahlungen zwischen 100 und 100.000 Euro drohen.
  • Ein erster Vergleich wurde bereits erzielt: Eine Beklagte zahlt 1.000 Euro symbolischen Schadenersatz und übernimmt die Prozesskosten, nachdem sie den falschen Vorwurf öffentlich verbreitet hatte.