Dritter Verhandlungstag im Prozess um missbrauchte Lehrerin
Die Betroffene war im staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren als Zeugin so schonend als möglich vernommen worden. Die Aussage wurde aufgezeichnet. In dem viereinhalbstündigen Video legte die Lehrerin dar, was ihr widerfahren war. Sie schilderte, wie sie zunächst mit einem ehemaligen Schüler mit dessen Einverständnis wiederholt intim wurde und in weiterer Folge von Freunden und Bekannten des damals 16-Jährigen mit deren Wissen um die sexuellen Kontakte unter Druck gesetzt wurde.
"Sie haben ganz viel von ihren kriminellen Machenschaften erzählt", legte die Betroffene dar. Die Gruppe habe mit diesen geprahlt, einer habe vom Handel mit Drogen und Waffen berichtet: "Sie haben ganz viel geprahlt, dass sie einbrechen. Sie haben gesagt, sie sind eine richtige Gang mit 70, 80 Personen. Sie haben mich schon ein bisschen eingeschüchtert." Sie hätten ihr zunächst "nicht direkt gedroht. Sie haben mir gesagt, ich bin eine und sie sind viele". Sie hätten sich "als Gang bezeichnet".
Mit ihren mehrfachen sexuellen Kontakten mit dem 16-Jährigen hatte sich die Lehrerin angreifbar gemacht. Besonders die drei Hauptangeklagten - ein 15-jähriger Iraker, ein 17-jähriger Rumäne und ein 15-jähriger Afghane - und ein weiterer 17-Jähriger setzten ihr in weiterer Folge zu. Letzterer drohte ihr ihren Angaben zufolge mehrmals täglich, er würde die Beziehung publik machen und die Schulleitung informieren. "Ich hatte richtig Angst, dass ich ruiniert bin in der Schule", gab die Lehrerin in ihrer Zeugenaussage an, "ich hab' mir gedacht, dass das alles nicht wahr sein kann."
Als sie im Zusammenhang mit dem Diebstahl einer Spardose aus ihrer Wohnung das Geld zurückverlangte, sei ihr von einem Burschen mit dem Veröffentlichen von "Material" gedroht worden, das ihre intime Beziehung zum 16-Jährigen "beweise".
Der 16-Jährige hatte der Lehrerin im Jänner 2024 eine Instagram-Anfrage geschickt, die sie akzeptierte. "Am Anfang war es ganz harmlos", schilderte die Frau. Irgendwann sei es "in eine andere Richtung gegangen", was sie "wirklich schwer bereue". Sie habe sich schon nach dem ersten Mal gedacht, "der erzählt das weiter und ruiniert mich, weil die (gemeint: die ganze Gruppe, Anm.) das jetzt wissen, auch wo ich wohne".
"Hab mich nicht getraut 'Nein' zu sagen"
In weiterer Folge hätte sie Freunde des 16-Jährigen in ihre Wohnung gelassen: "Ich hab' mich nicht getraut 'Nein' zu sagen." Die Treffen seien grundsätzlich "seltsam" gewesen, "weil das einfach nicht meine Welt ist".
Insgesamt müssen sich sieben Burschen im Alter zwischen 14 und 17 vor einem Schöffensenat verantworten. Die Hauptangeklagten sind zu den zentralen Vorwürfen - Vergewaltigung, sexueller Missbrauch und schwere Erpressung - nicht geständig. Einige Beschuldigte waren in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in die Wohnung der Frau eingedrungen, indem einer mit einem Nothammer eine Scheibe der Terrassentür zertrümmerte und sich so Zutritt verschaffte. Die Frau hielt sich zu diesem Zeitpunkt urlaubsbedingt im Ausland auf. Die Eindringlinge nahmen Wertgegenstände an sich und legten dann in der Wohnung Feuer, die komplett ausbrannte. Erst im Zuge der Erhebungen zu der Brandstiftung wurde bekannt, was die Betroffene in den vorangegangenen Monaten mitgemacht hatte.
Ihre Rechtsvertreterin Monika Ohmann (Kanzlei Eva Plaz) hatte vor der Video-Vorführung, bei der die Öffentlichkeit jeweils bei Passagen ausgeschlossen wurde, die die Intimsphäre der Frau betrafen, an die Medien und an die interessierte Öffentlichkeit appelliert, ihre Mandantin nicht bloßzustellen. "Das Opfer wurde unfreiwillig auf diese öffentliche Bühne gezerrt. Für sie ist das eine schreckliche Situation. Vor allem auch, weil bloßstellende Berichterstattung zu Folgekommentaren und Kommentierung in den sozialen Netzwerken führt, was wieder massive Verletzungen und weitere Beschädigungen für ihre Mandantin bedeutet", gab die juristische Prozessbegleiterin zu bedenken.
Gutachten wies posttraumatische Belastungsstörung nach
Einem psychiatrischen Gutachten zufolge erlitt die Betroffene als kausale Reaktion auf die sexuellen Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung. Letztere ist laut dem psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann einer schweren Körperverletzung gleichzusetzen.
Der Experte erstattete ab 14.35 Uhr sein Gutachten, das anschließend erörtert werden wird. Bevor Hofmann das Wort ergriff, wurde die Öffentlichkeit auf Antrag der Rechtsvertreterin der Lehrerin ausgeschlossen. Einem entsprechenden Antrag gab das Gericht statt.
Die Verhandlung wird am kommenden Montag mit Zeugenbefragungen fortgesetzt. Sollte es keine zusätzlichen Beweisanträge geben, könnte es in den Abendstunden dann auch zu Urteilen kommen.
Zusammenfassung
- Am Donnerstag wurde der Prozess um eine Lehrerin am Wiener Landesgericht fortgesetzt, die laut Anklage zwischen Juli 2024 und Jänner 2025 von mehreren Jugendlichen missbraucht und erpresst wurde.
- Im Mittelpunkt des dritten Verhandlungstags stand ein viereinhalbstündiges Video mit der kontradiktorischen Befragung der Betroffenen, das teilweise öffentlich gezeigt wurde.
- Die sieben Angeklagten im Alter von 14 bis 17 Jahren, darunter drei Hauptangeklagte, sollen die Lehrerin nach intimen Kontakten mit einem 16-Jährigen unter Druck gesetzt und bedroht haben.
- Einige Beschuldigte brachen in der Nacht auf den 16. Jänner 2025 in die Wohnung der Frau ein, stahlen Wertgegenstände und legten Feuer, wodurch die Wohnung vollständig zerstört wurde.
- Ein psychiatrisches Gutachten bescheinigt der Lehrerin als Folge der Übergriffe eine chronische Depression und eine posttraumatische Belastungsstörung, die einer schweren Körperverletzung gleichkommt.