Anschlag in Moskau RusslandAPA/AFP

Anschlag in Moskau: Russland im Visier des IS

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Am Freitagabend kam es in Moskau zu einem Anschlag - mehr als hundert Menschen kamen ums Leben. Die Terrormiliz "IS" bekannte sich zu der Tat, Kenner halten das Bekenntnis für echt. Samstagnachmittag gab der russische Machthaber Putin bekannt, dass alle Angreifer gefasst worden sein.

Am Freitagabend wurde in einer Konzerthalle nahe Moskau von mehreren Tätern das Feuer eröffnet. Russland spricht von einem Terroranschlag. Das Wichtigste im Überblick:

  • Nach dem Anschlag auf Besucher einer Konzerthalle bei Moskau ist die Zahl der Todesopfer deutlich gestiegen. Aktuell sprechen die russischen Behörden offiziell von 133 Toten.
  • Der Kreml vermeldete die Festnahme von elf Personen im Zusammenhang mit dem tödlichsten Anschlag in Russland seit 20 Jahren. Darunter seien auch die vier mutmaßlichen Attentäter, bei ihnen handle es sich nicht um Russen. Um welche Staatsbürgerschaften es sich handelte, teilte das russische Innenministerium jedoch nicht mit. 
  • Die radikale Miliz Islamischer Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich. Der IS-Ableger "Islamische Staat Khorasan Provinz" (ISKP) wird mit der Tat in Verbindung gebracht. Der IS hat mittlerweile auch Fotos der Tatverdächtigen veröffentlicht.
  • Bereits im März wurde Russland seitens der USA vor Terror-Anschlägen durch den IS bei Konzerten gewarnt.

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Experte hält IS-Bekenntnis für echt

Der Terrorexperte Peter Neumann vom King's College in London hält das Bekennerschreiben der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zum Anschlag bei Moskau für echt. Es seien die Haupt-Kommunikationskanäle des IS verwendet worden und bei den Tätern seien tadschikische Pässe gefunden worden, was ebenso die Echtheit der Bekenntnisse unterstreiche, weil der IS in der Region vermehrt rekrutiere.

Neumann verwies insbesondere auf den IS-Ableger in Afghanistan, der sich Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) nennt und schon seit einigen Jahren einen bewaffneten Konflikt mit den militant-islamistischen Taliban austrägt. Der ISPK rekrutiere sehr aktiv in ex-sowjetischen Staaten in Zentralasien und im Kaukasus und werde auch mit Anschlagsplänen an Weihnachten in Köln, Wien und Madrid in Verbindung gebracht.

ISPK und Taliban sind verfeindete Gruppen - weil die Taliban 2021 in Afghanistan die Macht übernommen haben, breitet sich der ISPK nun vor allem im Ausland aus und ist dort sehr aktiv. "Der ISPK möchte innerhalb des IS als führendes Netzwerk anerkannt werden", so Neumann gegenüber "Ö1".

Auch Terrorismus-Experte Nicolas Stockhammer betont die Rolle des ISPK bei dem Anschlag. Er geht davon aus, dass es sich "definitiv nicht um einen spontanen Terrorakt" gehandelt habe. Das bedürfe einer gewissen Logistik, deshalb nimmt er an, dass "mehr" hinter der Tat stecke.

Wegen des großen Feuers in der Krokus-Veranstaltungshalle bei Moskau glaubt Stockhammer, dass auch Sprengsätze zum Einsatz gekommen sein. Sein Eindruck ist, dass die Menschen in der Halle mit Molotow-Cocktails gezielt zu den Ausgängen der Veranstaltungshalle gelockt wurden, wo sie von den Tätern erschossen wurden.

Auch die Art des Anschlags deutet für ihn auf den ISPK als Täter hin. Ausgänge wurden verstellt, um so hohe Opferzahlen zu erreichen.

Russland im Visier des IS

Die Islamisten wollen den Einfluss Russlands im zentralasiatischen Raum minimieren. Der IS-Ableger habe Russland "schon lange" im Visier, so Stockhammer. 

Er könne sich aber auch vorstellen, dass es eine Allianz im Hintergrund gäbe - mit wem, dafür gebe es aktuell keine Indizien.

Kampf ums Narrativ

Peter Neumann warnt auch vor Falschnachrichten, die auf russischen Telegram-Kanälen kursierten, mit der Behauptung, die IS-Mitteilung sei gefälscht.

Es gebe "bereits massenweise Fake-News - vermutlich, um das Narrativ zu spinnen, die Ukraine sei für den Anschlag verantwortlich", schrieb Neumann. Dazu hat sich am Samstagnachmittag auch der russische Machthaber Wladimir Putin geäußert, vom ukrainischen Militärgeheimdienst folgte ein energisches Dementi.

Video: Ost-Europa-Experte Alexander Dubowy im Interview

"Ukraine hat mit Terror-Anschlag überhaupt nichts zu tun"

Der Kreml versuchte in ersten Reaktionen auch, die Ukraine mit dem Anschlag in Verbindung zu bringen, Russland-Experte Alexander Dubowy betont im Interview mit PULS 24, die Ukraine habe aber nichts mit der Attacke zu tun.

Russland habe die Warnungen aus dem Westen vor Terror nicht ernst genommen und als "destabilisierende" Gerüchte abgetan. Der Experte glaubt nicht, dass Russland wisse, wer hinter dem Anschlag steckt. Es gebe auch keine Hinweise auf Verbindungen der Ukraine oder der USA zu dem Vorfall.

"Unfähiger" Geheimdienst

Mehrere der Täter sollen aus Tadschikistan sein - für Russlands Kriegstreiben werde das keine Auswirkungen, denkt Dubowy. Russland könne sich keine weitere Front leisten.

Ebenso wie beim Aufstand des ehemaligen Wagner-Truppenführers Jewegeni Prigoschin habe Russland abermals gezeigt, dass seine Geheimdienste unfähig seien und Gefahren nicht erkennen würden. 

ribbon Zusammenfassung
  • Am Freitagabend kam es in Moskau zu einem Anschlag - mehr als hundert Menschen kamen ums Leben.
  • Die Terrormiliz "IS" bekannte sich zu der Tat, Kenner halten das Bekenntnis für echt.
  • Samstagnachmittag gab der russische Machthaber Putin bekannt, dass alle Angreifer gefasst worden sein.
  • Experten wie Alexander Dubowy oder Nicolas Stockhammer analysieren den Anschlag.