Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: Russland-Afrika-Gipfel offenbart Putins Schwäche

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Wladimir Putin inszeniert sich bei seinem Gipfel als Freund der afrikanischen Länder. Die Begeisterung darüber hält sich am afrikanischen Kontinent in Grenzen, die Teilnahme der Staatsoberhäupter ist überschaubar. Welche Gründe das hat und was es über Putins zunehmenden Machtverlust sagt, erklärt Militärexperte Gerald Karner in seiner Kolumne.

In St. Petersburg tagt der vom Kreml mit großem Getöse angekündigte "Russland-Afrika-Gipfel". Doch wie vieles, was das Regime von Wladimir Putin derzeit unternimmt, dürfte auch dieses Treffen weniger konkrete Substanz aufweisen als vielmehr der Propaganda dienen.

Ein Mangel an substanziellen Ergebnissen ist allerdings für diese Veranstaltung nicht Neues: Vor vier Jahren waren beim Russland-Afrika-Gipfel in Sotschi 92 Vereinbarungen unterzeichnet und eine Verdoppelung des Handelsvolumens vereinbart worden. In der Folge sank dieses allerdings sogar, aktuell macht der Handel mit Russland etwa 2,5 Prozent des afrikanischen Volumens aus, Russland stellt vor allem einen der größten Waffenlieferanten für mehrere afrikanische Staaten dar.

Putin als Freund Afrikas

Beim aktuellen Gipfel geht es Putin zunächst um das Faktum seines Zustandekommens selbst und die damit verbundene Inszenierung Russlands als Freund der Länder des afrikanischen Kontinents, nach innen auch eine Demonstration, international keineswegs isoliert zu sein.

Begeisterung in Afrika hält sich in Grenzen

Nach ersten Informationen haben allerdings bislang nur 16 von 54 afrikanischen Staatsoberhäuptern im Voraus ihr Kommen zugesagt, und auch dies scheint noch nicht gesichert. Vor vier Jahren in Sotschi waren es noch 43 gewesen. Auch dieser Dämpfer der russischen Ansprüche wird seitens des Kreml natürlich auf den "westlichen Druck" auf die afrikanischen Staatsoberhäupter zurückgeführt. Überhaupt bedarf es keiner hellseherischen Fähigkeiten zu prognostizieren, dass der russische Präsident die Bühne nutzen wird, den Westen für alle Probleme der Welt im Allgemeinen und jene Afrikas im Besonderen verantwortlich zu machen.

Afrikanische Union verurteilte Aufkündigung des Getreideabkommens

 

Dies gilt selbstverständlich gerade auch für das mutmaßliche Hauptthema des "Gipfels", die Frage der Getreidelieferungen nach dem Auslaufen des Abkommens zwischen Russland, der Türkei und den VN über die Ausfuhr von ukrainischem Getreide über das Schwarze Meer. Eingedenk der Situation vor einem Jahr, als die Getreidepreise durch die russische de-facto-Blockade der ukrainischen Häfen explodiert waren, hatte sich sogar die Afrikanische Union zu einer Verurteilung dieses Schrittes veranlasst gesehen. Seither sorgte nicht zuletzt der Export von etwa 30 Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide für eine Beruhigung der Märkte und eine Linderung der Ernährungsschwierigkeiten in den ärmsten Ländern.

Nach der Ankündigung Moskaus, das Getreideabkommen aussetzen zu wollen, waren die Getreidepreise auf dem Weltmarkt nunmehr wieder um acht Prozent, nach den russischen Angriffen auf die ukrainischen Häfen um zusätzlich sechs Prozent gestiegen. Unter normalen Umständen dürfte man gespannt sein, ob eine afrikanische Delegation Fragen wie diese an Putin richtet: Wenn dem so ist, dass nach einer Aufhebung westlicher Sanktionen gegen Russland dieses wieder Getreidelieferungen aus der Ukraine erlauben würde, warum versucht Russland dann die Möglichkeiten der Ukraine, Getreide zu exportieren, nachhaltig zu zerstören? Oder jene: Wenn Russland westlichen Sanktionen unterliegt, die auch den Export von Getreide beeinträchtigen (wie immer wieder fälschlich behauptet wird), was wären dann Zusagen Moskaus wert, den Entfall ukrainischen Getreides – gegebenenfalls sogar kostenlos – kompensieren zu wollen?

Wagner in Afrika

Nun, es ist wohl nicht zu erwarten, dass in St. Petersburg auf offener Bühne derartig unangenehme Fragen gestellt werden. Eher schon dürfte – zumindest hinter den Kulissen – seitens einiger afrikanischer Führer versucht werden, die weiteren russischen Pläne die Gruppe Wagner betreffend zu erfahren. Angesichts der Rolle, die die Privatarmee in einigen Staaten des Kontinents für die Machthaber spielt, dürfte die Verunsicherung hinsichtlich deren weiterer Verfügbarkeit ziemlich hoch sein.

Ob Putin in der Lage ist, derartige Fragen letztgültig zu beantworten, muss allerdings bezweifelt werden. Zu volatil scheint die Lage noch inmitten einer Art "Säuberungswelle", die im Nachhang zum abgebrochenen "Marsch der Gerechtigkeit" der Wagner-Gruppe auf Moskau in manchen mittleren und höheren Ebenen von Verwaltung und Streitkräften stattfinden dürfte. Warum Jewgeni Prigoschin selbst davon noch nicht erfasst ist, bleibt Gegenstand von Spekulationen.

Auch beim jüngsten Treffen Putins mit dem belarussischen Machthaber Lukaschenko gab es dazu keinen Aufschluss, obwohl die Zukunft der Wagner-Gruppe dabei sehr wahrscheinlich das Hauptthema gewesen war. Vielmehr gefielen sich Putin und Lukaschenko dabei in krausen Theorien, etwa, dass Polen den Westen der Ukraine und von Belarus okkupieren wolle, begleitet von unverhohlenen Drohungen.

Schwäche Putins

Selbst unter Berücksichtigung der Tatsache, dass derartige Seltsamkeiten der Festigung des Putin'schen Narrativs für die eigene Galerie (und die Freunde im Westen) dienen sollen, drängt sich der Eindruck auf, dass der Präsident Russlands zunehmend selbst von diesem eingenommen und gleichzeitig von der realen Welt immer mehr abgekoppelt agiert. Je verzweifelter er versucht, die Initiative zurückzugewinnen und Stärke zu demonstrieren, desto deutlicher tritt seine Schwäche zutage. Und je wütender und rücksichtsloser die militärischen Angriffe gegen ukrainischen Städte geführt werden, desto sichtbarer werden im Zuge einer Verstärkung der ukrainischen Offensive die begrenzten Möglichkeiten der russischen Streitkräfte.

Wer hat die Macht? 

Die Frage, wer in Russland tatsächlich die Fäden der Macht in Händen hält, ist jedenfalls nicht mehr so eindeutig zu beantworten, wie vor dem sogenannten "Putschversuch" Prigoschins. Eine Antwort auf diese Frage ist allerdings wesentlich, immerhin ist Russland ein Staat im Krieg, potenziell sind Entscheidungen von großer Tragweite zu treffen.

Der Kreml scheint sich jedenfalls auf einen langen Krieg einzustellen, darauf deutet die jüngst beschlossene Erhöhung der Altersgrenze für Wehrpflichtige hin. Ab 2024 können Männer bis zum 30. Lebensjahr zum Dienst in den Streitkräften einberufen werden, bislang war die Altersgrenze 27 Jahre. Inwieweit das Regime daraus noch Nutzen ziehen kann ist genau so unsicher, wie eine Antwort auf die Frage, ob eine quantitative Aufstockung der Streitkräfte überhaupt durch die (Kriegs-)Wirtschaft, die 2023 bereits erhebliche Einbußen zu verzeichnen haben wird, dies überhaupt noch zu unterfüttern vermag, soll nicht zuletzt heißen, ob sie in der Lage ist, den Soldaten moderne Waffensysteme in ausreichender Zahl zur Verfügung zu stellen.

So kann ruhig davon ausgegangen werden, dass die Absenz eines großen Teils der afrikanischen Staatsoberhäupter auch einer gewissen Skepsis zuzuschreiben ist, ob Wladimir Putin überhaupt in der Lage ist, seinen vollmundigen Ankündigungen zusätzlicher Getreidelieferungen und umfangreicher russischer Investitionen auch konkrete Taten folgen zu lassen. Mögen viele afrikanische Staatschefs auch vom Westen enttäuscht sein, eine Staffage für propagandistische Inszenierungen eines wankenden Regimes wollen sie dann doch nicht abgeben.

ribbon Zusammenfassung
  • Wladimir Putin inszeniert sich bei seinem Gipfel als Freund der afrikanischen Länder.
  • Die Begeisterung darüber hält sich am afrikanischen Kontinent in Grenzen, die Teilnahme der Staatsoberhäupter ist überschaubar.
  • Welche Gründe das hat und was es über Putins zunehmenden Machtverlust sagt, erklärt Militärexperte Gerald Karner in seiner Kolumne.