Gerald Karner WeltblickPULS 24

Karners Weltblick: Neue Verbindungen

Nur selten sind die Bemühungen der Mächte um eine Neugestaltung der Beziehungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in höherer Dichte zu beobachten als in der vergangenen Woche. Manches davon kommt durchaus überraschend.

So fanden offenbar seit einiger Zeit unter anderem im Oman "indirekte" Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran statt, wie einem Bericht der "New York Times" zufolge Diplomaten aus den beiden Staaten sowie aus Israel bestätigten. Demnach wird ein "ungeschriebenes" Abkommen angestrebt, das als "politischer Waffenstillstand" bezeichnet werden kann.

Den vorliegenden Informationen zufolge soll der Iran sich darin bereit erklären, die Anreicherung von waffenfähigem Uran einzufrieren, Angriffe der von Iran unterstützten paramilitärischen Gruppierungen in Syrien und im Irak auf US-amerikanische Kräfte zu stoppen und keine ballistischen Lenkwaffen an Russland zu liefern. Auch die Freilassung im Iran gefangen gehaltener amerikanischer Staatsbürger soll Gegenstand des Abkommens sein.

Im Gegenzug sollen sich die USA bereit erklären, die gegenwärtig gegen den Iran verhängten Sanktionen nicht noch weiter zu verschärfen, keine gegen den Iran gerichteten Resolutionen der UN zu unterstützen sowie eingefrorene Mittel in Milliardenhöhe freizugeben, die für humanitäre Hilfe verwendet werden sollen. Ziel der Verhandlungen dürfte es vordergründig vor allem sein, eine weitere Verschärfung der Spannungen zwischen beiden Ländern zu verhindern, die beiderseitigen roten Linien zu verdeutlichen sowie Zeit und Raum für Diplomatie zur Erreichung eines neuen Nuklearabkommens zu schaffen. Und für Russland dürfte diese Annäherung zwischen den USA und dem Iran eine doch recht unangenehme Überraschung darstellen, wenn sich die Hoffnungen auf die Lieferung moderner ballistischer Lenkwaffen aus dem Iran zerschlagen.

Tauwetter zwischen USA und China

Beinahe zur gleichen Zeit sind auch Zeichen einer Annäherung zwischen den USA und China zu erkennen. Nachdem der für Anfang Februar geplante Besuch des amerikanischen Außenministers Antony Blinken nach dem Überflug eines chinesischen Spionageballons über Teile der USA abgesagt worden war, wurde dieser nunmehr nachgeholt. Man wolle "die in den vergangenen Jahren zwischen den beiden Staaten entstandenen Spannungen abbauen und die Beziehungen zueinander stabilisieren", hieß es in einem gemeinsamen Kommuniqué. Die eigentliche Überraschung bildete dann aber ein persönliches Treffen Blinkens mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping, das als besondere Geste des guten Willens Chinas gesehen wird.

Manche Beobachter vermuten, dass dabei auch über die Möglichkeit eines Gipfeltreffens zwischen Xi und dem amerikanischen Präsidenten Joe Biden gesprochen wurde. Zunächst dürfte aber noch der chinesische Außenminister Qin Gang auf Einladung Blinkens den USA einen Besuch abstatten. Auch wenn dies nicht bedeutet, dass die USA oder China von ihren grundsätzlichen Positionen abrücken – insbesondere in der Taiwan-Frage – so bedeutet das doch ein Ende einer Art feindseliger "Funkstille" zwischen beiden Mächten und scheint ein Zeichen dafür zu sein, dass beide Seiten sich nicht nur der Bedeutung ihrer Beziehungen für die Erhaltung des Weltfriedens bewusst sind, sondern auch bereit sind, ihre Verantwortung dafür wahrzunehmen.

Wiederum wenig erfreut dürfte Russland mit diesen Entwicklungen sein, mindern diese doch die russischen Hoffnungen auf einen bevorzugten Beziehungsstatus zu China. Dies gilt umso mehr, als China anlässlich des Besuchs von Blinken sein Versprechen erneuerte, keine "tödlichen Waffen" an Russland für dessen Krieg gegen die Ukraine liefern zu wollen.

Indien als neuer Partner?

Und noch ein diplomatisches Ereignis auf höchster Ebene mit potenziell noch weiter reichender Bedeutung prägte die vergangene Woche: der von großem Zeremoniell geprägte Staatsbesuch des indischen Premierministers Narendra Modi in den USA. Ähnliches wurde in der Amtszeit Joe Bidens bisher nur den Staatsoberhäuptern von Frankreich und Südkorea zuteil, also zwei Verbündeten.

Auch wenn die Ergebnisse des Besuchs noch nicht im Detail veröffentlicht wurden, sollen Abkommen über Technologietransfer, Lieferketten, Halbleiterproduktion und Energie geschlossen werden. Von besonderer Bedeutung scheint die bereits im Vorfeld des Besuchs bekannt gewordene Übereinkunft zur Lizenzproduktion von modernen amerikanischen Triebwerken für Kampfjets in Indien. Das Land erhält damit uneingeschränkten Zugang zu amerikanischer Hochtechnologie, ein Privileg, das bisher nur verbündeten Staaten zuteilwurde.

Beobachter gehen davon aus, dass dies den Beginn einer langfristig angelegten engeren Kooperation zwischen den USA und dem bevölkerungsreichsten Land sowie der gleichzeitig fünftgrößten Volkswirtschaft der Erde darstellt. Der Staatsbesuch Modis in den USA ist aber auch noch aus anderen Gründen bedeutsam: Aus Sicht von Kritikern scheint er ein Abgehen von einer auf demokratischen Wertvorstellungen basierenden Außenpolitik der USA zu markieren, scheint doch Indien unter Narendra Modi immer mehr in Richtung einer autoritär gelenkten Demokratie abzudriften.

Andere Beobachter begrüßen hingegen das Einkehren eines pragmatischen Realismus, indem auf Basis der konkreten Machtverhältnisse ein langfristiger Wandel durch Kooperation angestrebt wird. Und auch dieser Besuch stellt für Russland keine gute Nachricht dar: Einerseits dürfte sich die Zeit, in der Indien ein Hauptabsatzmarkt für russische Rüstungsgüter war, dem Ende zuneigen, andererseits kann davon ausgegangen werden, dass beim Staatsbesuch Modis eine Unterstützung Russlands in seinem Krieg gegen die Ukraine in Form der Lieferung militärischer Güter durch Indien ausgeschlossen wurde – im mindesten Fall.

Russland weiter isoliert

Somit zeigte sich auch in dieser Woche die Isolation Russlands in neuerlich verstärkter Form. Und gerade jenes Ereignis, das Wladimir Putin eigentlich für einen Beweis nützen wollte, dass er in den Staaten des globalen Südens beste Beziehungen und Unterstützung genießen würde, geriet zu einem eher peinlichen Schauspiel: Als eine Friedensmission von sieben afrikanischen Staatsoberhäuptern unter Führung des südafrikanischen Präsidenten Cyril Ramaphosa am vergangenen Samstag in St. Petersburg Putin zur Aufnahme von Friedensgesprächen aufforderte, erklärte dieser in genervt wirkendem, belehrenden Ton, der eher an einen Kolonialherrn als einen Partner auf Augenhöhe erinnerte, seine Sicht der Dinge und präsentierte den Entwurf eines Abkommens zwischen Russland und der Ukraine, der wenige Wochen nach dem russischen Überfall erstellt, aber nie zu einem gültigen Vertrag verhandelt worden war.

Damit begründete er ein neues Narrativ, dass Russland auf Basis dieses "Vertrags" im Vertrauen auf die ukrainische Vertragstreue freiwillig von einem weiteren Angriff auf Kyjiw Abstand genommen und sich zurückgezogen hätte.

Wie lange Putin mit seinen fantasievollen Erzählungen noch sein Publikum im Land, aber auch seinen Anhängern im Ausland - die sie nichtsdestoweniger bereitwillig aufnehmen - unterhalten kann, wird auch von der laufenden ukrainischen Offensive abhängen, der wir uns nicht nur an dieser Stelle bald wieder widmen werden.

ribbon Zusammenfassung
  • Nur selten sind die Bemühungen der Mächte um eine Neugestaltung der Beziehungen nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine in höherer Dichte zu beobachten als in der vergangenen Woche.
  • Manches davon kommt durchaus überraschend, meint Kolumnist Gerald Karner.