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Wolff im Interview: "Keine Einjahresverträge mehr"

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Der Wiener Toto Wolff lenkt seit 2013 als Teamchef die Geschicke des Formel-1-Rennstalls Mercedes AMG. Von 2014 bis 2020 räumte das im englischen Brackley beheimatete Team alle 14 Titel in den Sparten Fahrer und Konstrukteur ab. In diesem Jahr muss sich der 49-Jährige, der kürzlich für seine Tätigkeit im Motorsport den Ehrendoktortitel der Universität Cranfield erhielt, aber mit massiver Gegenwehr von Red Bull Racing auseinandersetzen.

Im Hintergrund überwacht Wolff zudem die Entwicklung des nächstjährigen Autos unter einem komplett neuen technischen Reglement. Und nicht zuletzt ist er als Entscheider gefordert, wenn es um die Fahrerpaarung für die Zukunft geht. Denn beide Mercedes-Piloten - Weltmeister Lewis Hamilton (36) und Valtteri Bottas (31) sind nur noch bis Ende 2020 unter Vertrag. Welche Maxime dabei gelten und was den WM-Zweikampf in seinen Augen entscheiden wird, erzählte er im Interview der APA - Austria Presse Agentur.

APA: Wir erleben derzeit eine spannungsgeladene Formel-1-Saison, wie es sie schon lange nicht mehr gegeben hat. Mit Red Bull und Mercedes sind zwei Teams praktisch auf Augenhöhe. Glauben Sie, dass das bis zum Ende so bleiben wird?

Wolff: "Davon muss man ausgehen. Es ist so knapp, es schwingt das Pendel selbst zwischen einzelnen Sessions. Hier etwa war Red Bull im Vormittagstraining deutlich schneller, am Nachmittag waren es wir wieder, auch wenn die Rundenzeitentabelle das nicht so aussagt."

APA: Wird es auch beim WM-Zweikampf zwischen Max Verstappen und Lewis Hamilton bleiben oder könnte sich ein Sergio Perez oder ein Valtteri Bottas noch einschalten, obwohl der schon weit zurückliegt?

Wolff: "Nein, Verstappen und Lewis sind schon zu weit weg. Das ist jetzt ein Match zwischen diesen beiden, und die anderen sind die beste zweite Waffe, auch für die Konstrukteursmeisterschaft. Es sind einfach diese vier Autos, die im Moment sehr konkurrenzfähig sind und auch in Le Castellet eine Minute vor allen anderen waren."

APA: Worauf wird es letztlich ankommen? Auf die Klasse und Erfahrung der Piloten? Darauf, wer weniger Fehler macht?

Wolff: "Es sind die Ausfälle, die dich beißen. Wenn das Auto nur gut ist für einen dritten oder vierten Platz, dann musst du das nehmen. Aber an dem Tag, an dem das Auto gut ist, musst du gewinnen. Ein Ausfall kostet einfach so viele Punkte, dass es dich zurückwirft. Das ist es, was es zu vermeiden gilt."

APA: Wie muss man sich die technische Weiterentwicklung der Autos in diesem Jahr vorstellen? Durch die finanziellen Reglementierungen kann das ja nicht so ablaufen wie in den Jahren zuvor.

Wolff: "Nein, es ist erstens die Kostengrenze, die dich einschränkt. Das gilt für Red Bull sowie für uns, da wir circa die gleiche Größe haben als Team. Und außerdem musst du deine Ressourcen schon zwischen jetzt und 2022 switchen. Es ist ein völlig neues Reglement, das allerdings für einige Jahre gelten wird. Deswegen kann dich jede Woche, die man jetzt in der Entwicklung verliert, am Saisonanfang nächstes Jahr richtig Zeit, richtig Performance kosten."

APA: Stimmt es, dass Lewis Hamilton auf einen weiteren Einjahresvertrag aus ist, und wie gerne würden Sie ihm einen längerfristigen Kontrakt geben?

Wolff: "Wir machen keine Einjahresverträge mehr und auch keine Verträge, die wir erst einen Monat vor Saisonanfang unterschreiben. Im letzten Jahr war es kaum anders möglich. Wir hatten beide Corona, als wir verhandeln wollten, dann waren die Weihnachtsferien, und dann ist es einfach in den Jänner gerutscht. Wir haben zwar ein gutes Verhältnis, dass wir das jederzeit machen können, aber jetzt haben wir früher begonnen."

APA: Könnte es da um einen längerfristigen Vertrag gehen, vielleicht den letzten für ihn, mit einer anschließenden Rolle nach der Karriere?

Wolff: "Nein, das ist zu weit weg. Es geht nur ums Rennfahren jetzt. Und es geht um die nächsten Jahre - nicht um ein Jahr, nicht um fünf. Irgendwo dazwischen."

APA: Es gibt derzeit eine sehr vielversprechende junge Garde an Formel-1-Piloten: Charles Leclerc, George Russell, Lando Norris, Mick Schumacher, und auch Max Verstappen ist ja mit 23 noch jung. Wer davon, glauben Sie, könnte am ehesten zu einem Serienweltmeister reifen, wie es Hamilton jetzt ist?

Wolff: "Rekorde sind da, um gebrochen zu werden. Aber so, wie sich das Reglement entwickelt, mit der Angleichung der Fahrzeuge, kann ich mir schwer vorstellen, dass ein Fahrer in der Zukunft sieben Weltmeisterschaften gewinnen kann. Das hat man aber nach Michael Schumacher auch gesagt. Es kommt jedenfalls eine super Generation, die können alle in einem guten Auto Weltmeister werden."

APA: Zurück zur Gegenwart: An den zwei Wochenenden jetzt steht der Doppelpack in Spielberg auf dem Programm. Was ist das Ziel von Mercedes?

Wolff: "So viele Punkte wie möglich. Wenn wir gut sind, gewinnen wir. Wenn wir nicht ganz so gut sind, müssen wir die bestmöglichen Punkte mitnehmen und einfach einen soliden Job machen. Es sind hier aber ganz enge Abstände zwischen den Teams insgesamt."

APA: Wäre ein Regenrennen eher ein Vorteil für Mercedes oder für Red Bull?

Wolff: "Wenn es regnet, wünsche ich mir niemand anderen in unserem Auto als Lewis. Wenn einer das kann, dann er."

(Das Gespräch führte Nikolaus Panny/APA in Spielberg)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Wiener Toto Wolff lenkt seit 2013 als Teamchef die Geschicke des Formel-1-Rennstalls Mercedes AMG.
  • Von 2014 bis 2020 räumte das im englischen Brackley beheimatete Team alle 14 Titel in den Sparten Fahrer und Konstrukteur ab.
  • In diesem Jahr muss sich der 49-Jährige, der kürzlich für seine Tätigkeit im Motorsport den Ehrendoktortitel der Universität Cranfield erhielt, aber mit massiver Gegenwehr von Red Bull Racing auseinandersetzen.

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