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Zehntausende protestieren gegen Regierung der Slowakei

Heute, 06:45 · Lesedauer 3 min

Zum 36. Jahrestag der "Sanften Revolution" vom November 1989 gegen das kommunistische Regime haben am Montagabend in der Slowakei Zehntausende Menschen gegen die Regierung des linksnationalen Ministerpräsidenten Robert Fico demonstriert. Aufgerufen hatten dazu mehrere Oppositionsparteien und NGOs wie die Initiative "Mier Ukrajine" (Friede der Ukraine). An der größten Kundgebung auf dem Freiheitsplatz in Bratislava nahmen nach Angaben der Organisatoren 50.000 Menschen teil.

Sie gedachten des Sturzes der kommunistischen Diktatur und forderten mehr Unterstützung für die Ukraine. Vor allem aber skandierte die Menge Parolen wie "Wir haben genug von Fico!" und hielt Transparente in die Höhe, die ein Ende der von Fico geführten Dreiparteienregierung verlangten. Der Regierung warfen sie Gefährdung der Demokratie vor und kritisierten aktuelle Sparmaßnahmen zur Bekämpfung der hohen Staatsschulden.

Fico bezeichnete unterdessen die Ermittlungen zur Ermordung des Investigativjournalisten Ján Kuciak als fragwürdig. Fico äußerte sich bei einer Veranstaltung in der südslowakischen Stadt Nitra, zu der nur geladene Gäste Zutritt hatten. Der vierfache Chef der slowakischen Regierung kam in seiner Ansprache auch auf sein Versprechen eines Referendums zu vorgezogenen Neuwahlen zurück und meinte, seine Partei Smer hätte die Wahlen im Jahr 2020 gewinnen können, wenn er die Kandidatenliste angeführt hätte.

Kuciak und seine Verlobte Martina Kušnírová wurden 2018 in ihrem Haus in der Ortschaft Veľká Mača tot aufgefunden. Kuciak war damals dabei, Verbindungen zwischen der Staatsspitze und kriminellen Netzwerken aufzudecken. Infolge landesweiter Proteste trat Fico im selben Jahr zurück.

Fico hielt zum 36. Jahrestag der Samtenen Revolution hielt keine Ansprache im öffentlich-rechtlichen STVR. Vergangene Woche meinte der slowakische Premierminister während einer Debatte mit den Schülern: "Die Samtene Revolution war nur ein gewöhnlicher kommunistischer Putsch." Schon früher sagte Fico gegenüber den Medien, seine Beziehung zum 17. November 1989 sei lauwarm, und in seinem Leben bedeute dieser Tag keinen grundlegenden Wendepunkt.

Der liberale Oppositionsführer Michal Simecka, dessen Partei in jüngsten Umfragen bereits vor Ficos Partei Smer-SD (Richtung Sozialdemokratie) führt, zog in seiner Rede eine Parallele zwischen damals und heute: Mut und die Sehnsucht nach Freiheit hätten die Demonstranten 1989 zu ihren am Ende erfolgreichen Protesten motiviert. "Das sind genau die zwei Werte, die die Kommunisten nicht verstanden haben und die auch Robert Fico heute nicht versteht. Deshalb wird er ebenso verlieren, wie die Kommunisten verloren haben", zitierte die Nachrichtenagentur TASR den Oppositionspolitiker.

Internetaufruf zur "Kreidenrevolution"

In den Tagen davor hatte ein lokaler Schülerprotest mediale Aufmerksamkeit auch im Ausland geweckt. Vor einem geplanten Besuch des Premiers am Gymnasium in Poprad malte ein Schüler mit Kreide auf die Straße vor dem Eingang "Fico ist ein Verräter". Dabei wurde er von der Schuldirektorin auf ihrem Handy gefilmt. Der Schüler wurde anschließend von der Polizei verhört.

Dass sich Regierungspolitiker daraufhin empörten, die Opposition schrecke nicht vor dem Aufhetzen Jugendlicher zurück, löste erst recht eine Welle von Unmut aus und mündete in den Internetaufruf zu einer "Kreidenrevolution". Das Internet ist seither voll von Bildern mit Kreide geschriebener Parolen gegen die Regierung.

Zusammenfassung
  • Am 36. Jahrestag der Samtenen Revolution demonstrierten laut Organisatoren rund 50.000 Menschen in Bratislava gegen die Regierung von Ministerpräsident Robert Fico und forderten mehr Unterstützung für die Ukraine.
  • Die Demonstrierenden warfen der Dreiparteienregierung Demokratieschwächung und Sparmaßnahmen vor, während Fico bei einer separaten Veranstaltung Zweifel an den Ermittlungen zum Mord an Ján Kuciak äußerte und ein Referendum zu Neuwahlen ansprach.
  • Ein Schülerprotest mit dem Slogan "Fico ist ein Verräter" führte zu polizeilichen Verhören und löste eine Internetbewegung aus, bei der zahlreiche Kreideparolen gegen die Regierung im Netz kursieren.