Wiener Gemeinderat debattiert Rechnungsabschluss 2024
Der Rechnungsabschluss dürfte für intensive Debatten sorgen, da die Finanzlage der Stadt als höchst herausfordernd gilt. Im Jahr 2024 wurde allerdings noch besser bilanziert als im Budget veranschlagt. Wie zuletzt kommuniziert wurde, beträgt das Budgetdefizit für das abgelaufene Jahr 1,77 Mrd. Euro. Ursprünglich hatte man für 2024 einen Abgang von 2,24 Mrd. Euro erwartet. Dadurch ist auch die Neuverschuldung geringer ausgefallen. Insgesamt belaufen sich die Finanzschulden der Gemeinde nun auf 11,9 Mrd. Euro, was einen Anstieg um 1,77 Mrd. Euro bedeutet.
Ausgezahlt wurden im Vorjahr 19,9 Mrd. Euro. Bei den Ausgaben standen erneut die Bereiche Soziales, Gesundheit, Bildung sowie Kinderbetreuung und der öffentliche Verkehr im Mittelpunkt. Hier wurden in Summe rund 11,4 Mrd. Euro an Zuflüssen verzeichnet. Konkret wurden 3,3 Mrd. Euro in den Bereich Soziales und 3,1 Mrd. Euro in die Gesundheit investiert. 2,6 Mrd. Euro gab es für die Bildung und 1,2 Mrd. Euro für Kindergärten bzw. Kinderbetreuung. Rund 1,2 Mrd. Euro wurden für die Öffis aufgewendet.
Dass sich die Entwicklung fortsetzt, gilt als unwahrscheinlich: Das Defizit im Jahr 2025 dürfte höher ausfallen als geplant. Laut jüngsten Prognosen wird es nicht 2,3 Mrd., sondern 3,8 Mrd. Euro betragen. Angesichts der Entwicklung wird im Rathaus derzeit über ein Sparpaket verhandelt. Details dazu ließ sich die rot-pinke Koalition aber bisher noch nicht entlocken.
Novak mit erster Rede als Stadträtin
Auch die neue Finanzstadträtin Barbara Novak (SPÖ) ging in ihrer ersten Rede im Gemeinderat heute auf die Prognosen ein. Zunächst versicherte sie jedoch: "Ich freue mich sehr, heute in meiner neuen Funktion den Rechnungsabschluss-Entwurf 2024 präsentieren zu dürfen." Sie bedankte sich unter anderem beim ehemaligen Ressortchef Peter Hanke, der in den Bund gewechselt ist, für seine frühere Tätigkeit. Anschließend erinnerte sie an die Rahmenbedingungen im vergangenen Jahr. "Nach Corona-Pandemie und Energiekrise hat sich die wirtschaftliche Lage nur sehr, sehr schleppend erholt."
Die Inflation sei noch immer hoch, auch die Arbeitslosigkeit sei gestiegen, betonte Novak. Es gebe aber auch Sektoren, die in Wien florieren würden, wie etwa der Tourismus oder auch der Biotech-Sektor. Dass im Vorjahr das "Kunststück" gelungen sei, besser abzuschließen als im Voranschlag ausgewiesen, liege unter anderem am "strengen Haushaltsmonitoring", wie die Stadträtin ausführte. Auch beim Vollzug sei man konsequent gewesen. Zudem habe man Rücklagen aufgelöst, um Finanzierungen zu ermöglichen. "Das ist natürlich etwas, was nicht auf Dauer geht", fügte sie hinzu.
Damit sei künftig immer mehr Budgetdisziplin gefragt. Man beschreite einen Konsolidierungspfad, zu dem strenges Budgetcontrolling gehöre. Daran werde schon gearbeitet, verriet Novak: "Ich weiß, dass das schon fleißig in den einzelnen Ressorts gemacht wird." Kürzungen bei Förderungen würden bereits vorgenommen. Aber man wolle auch die Investitionsquote nicht abwürgen. Der Budgeterstellungsprozess für 2026 startet jedenfalls bereits demnächst, kündigte sie an.
Weniger Ertragsanteile
Er wird laut Novak von Stabilitätspaktverhandlungen mit dem Bund begleitet werden. Sie kritisierte, dass die Erträge aus gemeinschaftlichen Bundesabgaben schon 2024 zurückgegangen sind. Hier führte sie etwa die Abschaffung der kalten Progression ins Treffen. Heuer werden es 500 Mio. Euro sein, die aus diesem Titel fehlen, wie die Stadträtin beklagte. Man leiste die Grundversorgung der Menschen in der Stadt und dürfe nicht ausgehungert werden, forderte sie.
Weiters stellte Novak klar, dass die Mindestsicherung das letzte soziale Netz sei. Dies solle man erhalten. Aber das heiße nicht, dass es nicht auch Reformen geben könne, hielt sie fest Sie bekräftigte die ebenfalls an den Bund gerichtete Forderung, die Mindestsicherung bei den arbeitsfähigen Personen über das AMS abzuwickeln. "Das ist das Ziel, aber wir werden auch unsere Hausaufgaben selber machen", versprach sie mit Verweis auf einen entsprechenden Passus im rot-pinken Regierungsprogramm.
Opposition vermisst Details zu Sparpaket
In der anschließenden Debatte bemängelte der - ebenfalls neue - ÖVP-Klubobmann Harald Zierfuß sogleich, dass die Finanzstadträtin Details zu Budgetmaßnahmen schuldig geblieben sei. Es habe kein konkretes Wort zum Thema Sparen gegeben, konstatierte er. Konkret ausgeführt habe sie lediglich, dass der Bund mehr Geld hergeben solle. "Das ist viel zu wenig im Rahmen der Probleme, die wir haben."
Wien stelle in Sachen Neuverschuldungen jedes Jahr aufs Neue Negativrekorde auf. Die Budget- und Wirtschaftssituation in Wien sei "alles andere als super". Ein klarer Trendwechsel in der Budgetpolitik sei nötig, urgierte Zierfuß.
Grünen-Chefin Judith Pühringer warnte unter anderem davor, dass die 365-Euro-Jahreskarte abgeschafft werden könnte. Dabei sei diese ein Symbol dafür, dass Wien leistbare Mobilität für alle möglich mache. "Das war immer so etwas wie ein Versprechen." Wien sei hier stolze Vorreiterin, das leistbare Öffi-Ticket dürfe kein Spielball für Kürzungen sein, verlangte Pühringer.
Sie warnte zudem vor einem Rückgang beim geförderten Wohnbau, wobei sie die Forderung nach einer Leerstandsabgabe erneuerte. Abgelehnt werden auch Kürzungen bei der Sozialhilfe. "Leben in der Mindestsicherung ist immer Leben am Limit", zeigte sich Pühringer überzeugt. Vor allem bei Familien dürfe nicht gespart werden.
Warnung vor neuen Belastungen
Wiens FPÖ-Landesobmann Dominik Nepp rügte die "verantwortungslose Politik" der Stadtregierung. Seit Jahren würde den Wienerinnen und Wienern Geld weggenommen. Er verwies unter anderem auf "Belastungslawinen" im Bereich Energie oder bei den Gebühren. Nepp warnte davor, dass nun weitere Erhöhungen etwa bei der Fernwärme oder den Wiener Linien bevorstünden.
Erstaunt zeigte er sich auch darüber, dass Wien nun den Bund in die Pflicht nimmt. Immerhin habe Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke (beide SPÖ) den Finanzausgleich mitverhandelt. "Jetzt regen sie sich auf, dass das alles so schlecht ist?" Man habe es nicht geschafft, einen Ausgleich bei einem Wirtschaftsabschwung auszuverhandeln, kritisierte er.
Dass die Stadtregierung keine Reformen plant, ist laut NEOS-Klubchefin Selma Arapovic schlicht nicht zutreffend - wie sie mit Verweis auf das Regierungsprogramm festhielt. Es werde auch viel investiert, etwa ins "pinke Herzensthema" Bildung, aber auch in Öffis, neue Radwege, leistbaren Wohnraum oder in den Gasausstieg.
Auch NEOS für Reform der Mindestsicherung
Dazu werde auch gespart, denn dies bedeute, Verantwortung zu übernehmen, wie Arapovic hervorkehrte. "Wir wollen in erster Linie alle Förderungen, die es gibt, ganz genau unter die Lupe zu nehmen." Es werde geprüft, ob sie nötig seien bzw. wie treffsicher sie sind. Auch die Mindestsicherung wolle man reformieren, mit dem klaren Ziel, dass sich Arbeit auch lohnen solle.
Nach dem zweitägigen Rechnungsabschluss-Marathon steht am Mittwoch der erste normale Gemeinderat der Regierungsperiode am Programm. Am Donnerstag folgt eine Sitzung des Landtags.
Zusammenfassung
- Der Wiener Gemeinderat hat mit der Debatte zum Rechnungsabschluss 2024 begonnen, der ein Defizit von 1,77 Mrd. Euro aufweist – deutlich weniger als die ursprünglich geplanten 2,24 Mrd. Euro.
- Die Finanzschulden der Stadt stiegen im vergangenen Jahr um 1,77 Mrd. Euro auf insgesamt 11,9 Mrd. Euro an.
- Für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kinderbetreuung und öffentlichen Verkehr wurden insgesamt rund 11,4 Mrd. Euro ausgegeben, wobei die Gesamtausgaben bei 19,9 Mrd. Euro lagen.
- Für das Jahr 2025 wird ein Defizit von 3,8 Mrd. Euro erwartet, weshalb im Rathaus aktuell ein Sparpaket diskutiert wird, dessen Details aber noch nicht bekannt sind.
- Finanzstadträtin Barbara Novak kündigte striktes Budgetcontrolling und Kürzungen bei Förderungen an, während die Opposition mehr Transparenz und Schutz sozialer Leistungen fordert.