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Vorarlberger Spitallandschaft wird radikal umgestaltet

Heute, 12:20 · Lesedauer 6 min

In Vorarlberg wird es künftig jedes Fach nur mehr einmal in den beiden Spitalregionen Nord und Süd geben. Das Konzept für den Strukturplan Gesundheit 2030, das die Landesregierung am Donnerstag vorstellte, bringt Verlegungen mit sich, etwa jene bereits durchgesickerte, vielkritisierte der gynäkologischen Stationen vom Stadtspital Dornbirn ins Landeskrankenhaus Bregenz. Die sieben Standorte bleiben vorerst, über 2030 hinaus gibt es aber keine Standortgarantien.

Über 14 Fächer wurde in einem großen Strukturprozess seit Frühjahr diskutiert. Generell gelte noch stärker: Digital vor ambulant vor stationär, betonte Gesundheitslandesrätin Martina Rüscher (ÖVP). Deutlich wurde eine Stärkung des Schwerpunkthauses Feldkirch, wo auch Fächer angesiedelt werden, die für eine Teilung aufgrund zu geringer Fallzahlen zu klein wären. Neu aufgebaut werden Strukturen für Psychosomatik für Kinder und Jugendliche sowie Akutgeriatrien in Dornbirn und Bludenz. Weitere Zusammenziehungen, Verlagerungen und Anpassungen betreffen unter anderen Urologie, Neurologie, Dermatologie, Augenheilkunde, Onkologie, Anästhesie und Radiologie. In der Neurochirurgie vernetzt man sich mit Tirol.

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) betonte in Hinblick auf die Debatte um das Stadtspital Dornbirn, er nehme die Diskussionen wahr, es brauche aber nun "Mut zu Entscheidungen". Es gehe darum, das Land vorzubereiten auf die Anforderungen der Zukunft, allem voran stehe dabei die Qualität der Versorgung. Dazu brauche es den "Blick übers ganze Land". Gerade der demografische Wandel sei eine Herausforderung. Schon 2025 entfielen 48 Prozent der Ausgaben auf Über-65-Jährige. Angesichts weiterer Kostensteigerungen könne man "nicht zuschauen". Die Umsetzung des Konzepts beginne mit dem heutigen Tag.

Rüscher betonte, es handle sich nicht um einen Schnellschuss, der "intensive Prozess" habe bereits 2014 begonnen. "Wir haben damit auch Unsicherheit produziert das ist mir völlig bewusst", so die Landesrätin. An die 56.000 Unterzeichner der Petition zum Erhalt der Geburtenstation in Dornbirn gerichtet wolle sie klarstellen: "Wir schließen keine Geburtshilfe, wir führen zwei Standorte an einem Standort zusammen, um dort das Angebot auszubauen und für Zukunft sichern zu können." Man werde alles tun, um die beste Versorgung für Frauen zu gewährleisten, eine Gefährdung der Versorgung "würde ich nie zulassen". Die eigentliche Arbeit beginne nun erst. Man beginne ab 2026 mit den Planungen.

Standortbündelung bringt Einsparungen

Berater Johannes Hohenauer erklärte, die Standortbündelung bringe ein Einsparpotenzial von rund 10,9 Mio. Euro jährlich, eine Entlastung der Beschäftigten, eine bessere Versorgung der Patienten und bessere Ausbildungsmöglichkeiten. Allein die Zusammenführung im Unterland bringen 6,7 Mio. Euro jährlich an Einsparungen, die nötigen Investitionen amortisierten sich binnen drei Jahren. Nicht eingerechnet sind dabei aber die baulichen Anpassungen, diese liegen laut Rüscher im dreistelligen Millionenbereich.

Gynäkologie-Primar sieht "unnötigen Marathon"

Unterstützung holte sich das Land am Podium von Primaren und einem Pflegedirektor, die die Zusammenführungen gut hießen. Gerade Michael Rohde, Leiter der Gynäkologie und Geburtshilfe in Bregenz und Dornbirn, ließ aber durchblicken dass er und sein Team mit der Entscheidung des Landes nicht glücklich waren, er sprach angesichts der schon getätigten Investitionen am Stadtspital Dornbirn von einem "unnötigen Marathon drei Jahre lang in die eine Richtung, nun einen in die andere". Man habe sich für den arbeitsreicheren Weg entschieden, der viel Unterstützung brauchen werde. "Wir haben keine klare Präferenz des Trägers bekommen, welche Variante ihm lieber ist, bis auf die Information: keine davon", so Rüscher über die Entscheidung, warum die Gynäkologie nun nach Bregenz geht, die Orthopädie und Traumatologie nach Dornbirn.

Wohl weitere Bündelungen in der Zukunft

Die Fusionen in der Spitallandschaft sind damit noch nicht abgeschlossen. "Die Zeit für Standortgarantien ist vorbei, wir werden weiter Fächer bündeln, aber dafür brauchen wir Zeit", so Rüscher. KHBG-Direktor Gerald Fleisch sprach von einer "gewaltigen Herausforderung", denn "Planung ist das eine, Umsetzung ist das andere". Er sah sich vor "hochsensiblen Prozessen" und betonte, auch mit dem Krankenhaus Dornbirn suche man weiter das Miteinander. Rüscher stellte dabei noch einmal klar: Investitionen werden nur in Landeskrankenhäuser fließen.

Langer Anlauf zu Reformen

Ansätze zur Umstrukturierung der Spitallandschaft gibt es seit langem. Angesichts wachsender Spitalskosten sowie der Personalknappheit sah das Land eine radikalere Reform nun als alternativlos, Fachleute befürworten generell größere Einheiten mit mehr Fallzahlen. Mit Kritik hatte Rüscher bereits im Sommer gerechnet: "Es wird richtig viel Wirbel geben, aber wir werden das durchziehen." Diesen gab es bereits: Dass die Geburtshilfe und Kinderabteilung des Dornbirner Stadtspitals nach Bregenz verlegt werden sollen, dafür die Orthopädie & Traumatologie nach Dornbirn wandern soll, verunsicherte Belegschaft und Bevölkerung. Eine Petition zum Erhalt der Geburtshilfe in Dornbirn unterzeichneten 56.000 Personen, 400 demonstrierten vor dem Landhaus. Zudem vergrätzte das Land mehrere Stadtchefs: In Bludenz kam die Zusammenlegung der Geburtenstation mit Feldkirch nicht gut an. Markus Fäßler (SPÖ), Bürgermeister der Stadt Dornbirn, die das einzige Spital außerhalb der Landesgesellschaft betreibt, kritisierte das Land im Vorfeld wiederholt.

Dornbirner Bürgermeister enttäuscht, Freude in Bregenz

Am Donnerstag zeigte sich Fäßler enttäuscht: "Diese Entscheidung ist schwer nachzuvollziehen. Sie wirft viele Fragen auf - vor allem, wie die Gesundheitsversorgung im Unterland künftig organisiert werden soll." Er rechnete mit beträchtlichen Umbau- und Adaptierungskosten. "Wir setzen darauf, dass die Verantwortlichen bereit sind, die Ergebnisse der kommenden Monate offen zu analysieren", so Fäßler. Man sei weiter zur Zusammenarbeit bereit. Freude herrschte dagegen in Bregenz: Man begrüße die Entscheidung, dass Bregenz als Landeshauptstadt weiterhin Standort für Geburtenhilfe und Gynäkologie bleibe, so SPÖ-Bürgermeister Michael Ritsch und Vizebürgermeister Roland Frühstück (ÖVP).

Landtagsopposition unzufrieden

Unzufrieden war die Opposition. "Das Spitalschaos ist perfekt: das gleicht eher einem Kuhhandel denn einer Reform", so die NEOS. Die Landesregierung boxe ihre Spitalspläne trotz großer Widerstände der Ärzteschaft und der Bevölkerung durch, kritisierten die Grünen. Dem "Rasenmäher-Sparkurs von ÖVP und FPÖ" falle nun nach der Geburtshilfe in Bludenz auch jene in Dornbirn zum Opfer, so die SPÖ, "Diese Entscheidung ist verantwortungslos und unverzeihlich.". Die mitregierende FPÖ warb um Verständnis: "Wir wissen, dass es immer schwierig ist, etwas Bestehendes aufzugeben. Auch wir hätten am liebsten, wenn alles an allen Spitälern angeboten werden kann. Die Realität zeigt aber, dass das nicht möglich und vor allem auch nicht sinnvoll ist", so FPÖ-Klubobmann Markus Klien.

Derzeit gibt es sieben Krankenhäuser in Vorarlberg. Neben dem Stadtspital Dornbirn sind das die Landeskrankenhäuser Bregenz und Hohenems im Norden des Landes, Feldkirch und Bludenz im Süden. Dazu kommen das Krankenhaus der Stiftung Maria Ebene in Frastanz (Bez. Feldkirch) für Suchterkrankungen sowie das Landeskrankenhaus Rankweil mit seiner Spezialisierung auf Psychiatrie und Neurologie.

Zusammenfassung
  • Das neue Konzept für die Vorarlberger Spitallandschaft sieht vor, dass jedes medizinische Fach künftig nur noch einmal in den beiden Regionen Nord und Süd angeboten wird.
  • Die Verlegung der gynäkologischen Stationen vom Stadtspital Dornbirn nach Bregenz sorgte für Proteste, darunter eine Petition mit 56.000 Unterschriften und Demonstrationen.
  • Durch die Standortbündelung erwartet das Land ein jährliches Einsparpotenzial von 10,9 Mio. Euro, wobei allein im Unterland 6,7 Mio. Euro eingespart werden könnten.
  • Die baulichen Anpassungen für die Reform werden laut Landesregierung im dreistelligen Millionenbereich liegen und sind in den Einsparungen nicht enthalten.
  • Über 14 medizinische Fächer wurden im Rahmen des Strukturprozesses diskutiert, wobei weitere Zusammenlegungen und Anpassungen in zahlreichen Bereichen geplant sind.