APA/APA/HBF/DANIEL TRIPPOLT

Van der Bellen kritisiert Machtfülle der Regierungen in EU

0

Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht die EU "nicht grundsätzlich gefährdet", sieht aber in der Machtfülle der Regierungen "eine Fehlkonstruktion". Bei einer Diskussion mit Jugendlichen zum Europatag sagte Van der Bellen am Mittwoch, der Brexit habe "die Resilienz der anderen 27 gestärkt". Auch rechten Parteien in Europa habe der Brexit gezeigt: "Es ist populär, über Brüssel zu schimpfen, aber der Austritt ist tabu."

Sorge bereite ihm eher die europäische Außen- und Sicherheitspolitik, so der Bundespräsident. Er sei weniger optimistisch zu schwelenden Konflikten im Umfeld Europas, die sich unter Umständen zu militärischen Auseinandersetzungen entwickeln könnten. Van der Bellen plädierte dafür, dass die EU zu den USA, Russland und China "ihr Verhältnis nachjustiert, selbstbewusst, aber ohne jede Arroganz". Durch die EU-Erweiterung könne die EU auf 33 Staaten anwachsen, "die müssen sich immer auf eine Strategie einigen, da sieht man schon, dass die Europäische Union kein Staat ist".

Der Bundespräsident wurde von einem Salzburger Studenten auch zur Idee der "Vereinigten Staaten Europas" gefragt. Es liege nahe, dabei das Konzept der USA zu übernehmen, "da fallen mir viele Dinge ein, die ich nicht übernehmen möchte", so Van der Bellen, der zwar Sympathie für "Europäische Eidgenossenschaft" oder "Europäische Republik" zeigte, aber im ersten Fall tauge die Übersetzung nicht, im zweiten stelle sich die Frage, was dann mit dem belgischen König passiere.

"Ich sehe manche Dinge schwer bis gar nicht lösbar", vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik, verwies der Bundespräsident auf die europäische Konstruktion. Die Blockade passiere nicht im EU-Parlament und "schon gar nicht in der Europäischen Kommission", sondern im Europäischen Rat, der einen "Minderheitenschutz für die europäischen Mitgliedstaaten" biete. Diese Machtfülle sei "eine Fehlkonstruktion", so der Bundespräsident.

"Wenn Österreich die politische Struktur der EU hätte, hätten wir eine österreichische Kommission mit neun Kommissaren und darüber eine Überregierung, den 'österreichischen Rat' mit neun Landeshauptleuten", so Van der Bellen. Dabei würden alle Politiker das beste wollen, "aber wo wird das politische Überleben gesichert, wenn es hart auf hart geht?". Das System wäre "ein total verkehrtes Anreizsystem", weil die Interessen des Bundes nicht berücksichtigt würden, "genau das haben wir auf europäischer Ebene". Auch die von ihm geschätzte deutsche Kanzlerin Angela Merkel habe während der Griechenland-Krise etwa Rücksicht auf Regionalwahlen in Nordrhein-Westfalen genommen, erläuterte der Bundespräsident.

Van der Bellen wurde von den Jugendlichen auch zur Bildungs- und Gesundheitspolitik sowie zur Digitalisierung gefragt, etwa zur europaweiten Einführung eines Faches Klimakunde. "Leicht wird es nicht", lautete die Antwort des Staatsoberhauptes. Aber auch die Verwirklichung des EU-Programms Erasmus habe lange gedauert. "Die Klimakrise wird bleiben, weil die Prozesse so langwierig sind." Ein Jugendlicher wollte wissen, warum die EU ein Feindbild für Rechtspopulisten sei und wie man damit umgehen sollte. Man dürfe nicht glauben, dass diese Bewegungen unaufhaltsam seien, "man kann sich schon zu Tode fürchten auch", so die Antwort Van der Bellens.

Van der Bellen räumte am Beispiel der Pandemie auch offen ein, dass Politiker jeden Tag Beschlüsse mit Unsicherheiten treffen müssten. Auch die Wissenschaft biete nicht immer Klarheit. "Wir haben immer eine Wahrheit für drei Tage." Die Digitalisierung sei an ihm "nahezu spurlos vorübergegangen", räumte der Bundespräsident weiters scherzhaft ein. "Das einzige, was ich bedienen kann ist mein Handy." Aber auch das habe hundert Funktionen, die er nicht kenne.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Bundespräsident wurde von einem Salzburger Studenten auch zur Idee der "Vereinigten Staaten Europas" gefragt.
  • Van der Bellen wurde von den Jugendlichen auch zur Bildungs- und Gesundheitspolitik sowie zur Digitalisierung gefragt, etwa zur europaweiten Einführung eines Faches Klimakunde.
  • Ein Jugendlicher wollte wissen, warum die EU ein Feindbild für Rechtspopulisten sei und wie man damit umgehen sollte.

Mehr aus Politik