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Van der Bellen besprach mit Schwedens Premier EU-Wahl

Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat am Mittwoch in Schwedens Hauptstadt Stockholm mit Premier Ulf Kristersson die kommenden EU-Wahlen erörtert. Im Mittelpunkt des dreitägigen Arbeitsbesuchs in Begleitung einer von WKÖ-Präsident Harald Mahrer angeführten Wirtschaftsdelegation, stehen aber Treffen mit ökonomischen und technologischen Schwerpunkten. "Die Kooperation in Europa funktioniert zumindest im wirtschaftlichen Bereich", zog der Bundespräsident eine erste Bilanz.

Im Gespräch mit Kristersson sei es vor allem um die verschiedenen Perspektiven vor den Europawahlen gegangen, berichtete Van der Bellen. Man habe sich über Umfragen unterhalten, aber auch über mögliche Entwicklungen oder Umbrüche, die in Europa bevorstehen könnten. Etwa wenn in Frankreich bei kommenden Wahlen die rechtspopulistischen Kräfte um Marine Le Pen an die Macht kommen sollten, deutete Van der Bellen an.

Der Bundespräsident erinnerte auch daran, dass Schweden gemeinsam mit Österreich vor fast 30 Jahren der EU beigetreten sei." Im Vorfeld zur EU-Wahl am 9. Juni biete sich daher eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen, kommentierte Van der Bellen seine Reise in den Norden. Im Mittelpunkt der Gespräche standen demnach "der gemeinsame Einsatz für eine weitere EU-Erweiterung, die europäische Sicherheitspolitik, die kommende Wahl zum Europäischen Parlament und die Bedeutung einer starken, selbstbewussten EU und eines geeinten Europas:"

Ministerpräsident Kristersson von der "Moderaten Sammlungspartei" vertritt einen konservativ-wirtschaftsliberalen Kurs. Er sieht sich momentan aber mit einer kleineren Regierungskrise konfrontiert. Nach den Wahlen 2022 hatte er eine Koalition mit zwei kleineren Mitte-Rechts-Parteien gebildet, konnte aber nicht genügend Stimmen für eine Mehrheit gewinnen. Er ist daher im Rahmen eines Kooperationsabkommens auf die Unterstützung der rechtsaußen angesiedelten und mitunter als rassistisch eingestuften Schwedendemokraten angewiesen. Zuvor hatte er stets versprochen, niemals mit dieser Partei zusammenarbeiten zu wollen.

Einem Bericht des Senders TV 4 zufolge lancierten die Kommunikationsmitarbeiter der Schwedendemokraten im EU-Wahlkampf aber geheime und illegale Online-Kampagnen. Sie nutzten anonyme Konten in den sozialen Medien, um ihre Konkurrenten zu trollen und zu diskreditieren, wie die Sendung zeigte. Kristersson verurteilte die Verwendung von Troll-Accounts in den sozialen Medien "als gefährliche politische Taktik".

Dem Aufruf der Opposition, den Duldungspakt mit den Schwedendemokraten aufzukündigen, kam er bisher aber nicht nach. Die Schwedendemokraten räumten anfangs ein, ihr Vorgehen überdenken zu wollen, schwenkten letztlich aber selbst auf Konfrontationskurs. Bei den Vorwürfen handle es sich um eine Diskreditierungskampagne des "linksliberalen Establishment", selbst habe man sich nur an "Satireprojekten" beteiligt.

Generell zeigt Schweden für Van der Bellen, wie gut sich "Umweltschutz und wirtschaftlicher Erfolg" vereinbaren ließen. "Tatsächlich können Maßnahmen zum Schutz des Klimas auch Ausgangspunkt für Innovationen und zukunftsweisende neue Ideen sein. Genau diesen Geist brauchen wir in Europa, um den Kampf gegen die Klimakrise zu gewinnen." Im Jahr 2017 verabschiedete Schweden ein Klimaschutzgesetz, das laut der Außenhandelsstelle der WKÖ eine Netto-Null-Emission von Treibhausgasen bis 2045 anstrebt und es somit zum ersten Land mit einem rechtlich verbindlichen Ziel der Kohlenstoffneutralität machte.

Während Schweden das Ziel verfolgt, bis 2040 zu 100 Prozent auf fossile Brennstoffe in der Stromerzeugung zu verzichten, werden die Windkraft und in geringerem Maße auch die Solarenergie im Prognosezeitraum zunehmen. Bis 2030 ist in Stockholm zu erwarten, dass etwa 30 Prozent der Stromerzeugung auf andere erneuerbare Energiequellen als Wasserkraft entfallen werden, gegenüber geschätzten 21 Prozent im Jahr 2023.

Am Mittwochvormittag besuchten Van der Bellen und Vertreter der Wirtschaftsdelegation in Stockholm die sogenannte "Wallenberg-Sphäre". Diese nach der einflussreichen schwedischen Familie Wallenberg benannte Institution spielt eine zentrale Rolle in der schwedischen Wirtschaft, auch in den Bereichen Technologie und Innovation. Sie kontrolliert große Teile der Industrie des Landes, darunter bedeutende Unternehmen in den Bereichen Technologie, Finanzen, Fertigung und Pharmazie wie Ericsson, Saab, SAS Scnadinavian Airlines, Husquvarna oder AstraZeneca.

Zu dem gemeinhin als "Wallenberg-Sphäre" bezeichneten Komplex gehören 16 gemeinnützige Stiftungen sowie öffentliche Investment- und privaten Holdinggesellschaften. Heute leiten Mitglieder der fünften Generation - allen voran Jacob, Marcus und Peter Jr. - die Aktivitäten der Familie. Die Stiftungen der begüterten und entsprechend einflussreichen Familie konzentrieren sich vor allem auf die Förderung von Forschung in den Bereichen Medizin, Technik und Naturwissenschaften, aber auch Projekte in den Feldern Bildung oder Sozial- und Geisteswissenschaften werden mit Spenden unterstützt.

"Ohne Wallenberg geht hier gar nichts", hieß es dazu bereits am Dienstagabend bei einem Treffen Van der Bellens mit Auslandsösterreicherinnen und -österreichern, die in Schweden in den Bereichen Wissenschaft und Forschung, etwa im Bereich der Nachhaltigkeit, engagiert sind. Durch ihre langfristige Perspektive und das Engagement für Nachhaltigkeit und Forschung trage die Familie Wallenberg über ihre Institutionen "wesentlich zur Wettbewerbsfähigkeit und zum technologischen Fortschritt Schwedens" bei. Es sei beachtlich, dass die Familie Wallenberg seit nunmehr 170 Jahren wirtschaftlich engagiert sei, aber nicht nur "kapitalistisch" denke, sondern eben auch in Technologie und Forschung investiere, analysierte Van der Bellen. WKÖ-Chef Mahrer bestätigte: "So etwas kenne ich in dieser Superbreite in Österreich nicht."

Weitere Besuche führten Van der Bellen etwa zu Northvolt Volthouse, einem 2016 als Start-Up gegründeten Hersteller von grünen Lithium-Ionen-Batterien für die Elektromobilität sowie für stationäre Energiespeicher. Die Wirtschaftsdelegation informierte sich bei einem Lokalaugenschein auch über die Norrsken Foundation. Diese fungiert als gemeinnützige Organisation, die 2016 von Niklas Adalberth, einem der Mitgründer des schwedischen Zahlungsdienstleisters Klarna, ins Leben gerufen wurde. Die Stiftung hat es sich zum Ziel gesetzt, Unternehmen und Start-ups zu unterstützen, die innovative Lösungen für einige der drängendsten sozialen und ökologischen Herausforderungen der Welt entwickeln.

Wirtschaftskammerpräsident Mahrer erklärte dazu: "Schweden zählt bei Forschung und Innovation zur internationalen Spitzenklasse und hat sich damit einen strategischen Wettbewerbsvorteil erarbeitet." Es gelte, die Zusammenarbeit mit zentralen Vertretern des schwedischen Innovationssystems weiter zu vertiefen. "Unser Ziel ist es, wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, die nicht nur den Innovationsstandort Österreich stärken, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten für österreichische Unternehmen eröffnen." Zu den Möglichkeiten des Austauschs und der Kooperation in technologischen Feldern wurde am späten Nachmittag in der Schwedischen Akademie der Ingenieurswissenschaften (IVA) diskutiert. Eine verstärkte Zusammenarbeit im bilateralen und europäischen Kontext sei auch wichtig, um auch gegen wachsende Wirtschaftsmächte wie China oder Indien zu bestehen, lautete ein Tenor der verschiedenen Treffen.

Schweden übte sich wie Österreich jahrzehntelang in Neutralität. Diese wurde zwar bereits 2002 offiziell aufgegeben, ein Beitritt zur NATO erfolgte aber erst heuer. Angesichts des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurde die Entscheidung getroffen, sich dem Nordatlantik-Bündnis anzuschließen. Nach anfänglichem Widerstand aus der Türkei und Ungarn wurde der Pakt im März des heurigen Jahres besiegelt. König Carl XVI. Gustaf (78) hob zu diesem Anlass hervor, dass Schwedens NATO-Mitgliedschaft "gegen niemanden gerichtet" sei.

Beim Gespräch mit Regierungschef Kristersson sei zwar die Unterstützung Schweden für die Ukraine ("Sie leisten da mehr als Österreich") ein Thema gewesen, der durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine bedingten NATO-Beitritt Schwedens aber nur am Rand besprochen worden, berichtete der Bundespräsident.

Ein für Mittwoch ebenfalls geplantes Treffen Van der Bellens mit Parlamentspräsident Andreas Norlén wurde abgesagt. Nolén sei erkrankt, hieß es dazu aus Diplomatenkreisen. Der Bundespräsident werde aber von einem Stellvertreter empfangen werden. Zum Abschluss seines Besuchs wird Van der Bellen am Donnerstag von Monarch König Carl XVI. Gustaf im Stockholmer Königspalast zu einem Mittagessen empfangen werden. Zuvor wird der frühere Universitätsprofessor im Rahmen einer Veranstaltung in der "Stockholm School of Economics" wieder in universitäres Ambiente eintauchen. Für die WKÖ-Delegation ist auch ein Treffen mit dem schwedischen Rat für Künstliche Intelligenz programmiert.

ribbon Zusammenfassung
  • Bundespräsident Alexander Van der Bellen diskutierte in Stockholm mit Schwedens Premier Ulf Kristersson über die anstehenden EU-Wahlen und die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa.
  • Van der Bellen und Kristersson erörterten gemeinsame Ziele wie die EU-Erweiterung und europäische Sicherheitspolitik, im Kontext der fast 30-jährigen EU-Mitgliedschaft beider Nationen.
  • Schwedens Premier Kristersson, unterstützt von den rechtsextremen Schwedendemokraten, steht vor politischen Herausforderungen nach einer Regierungskrise.
  • Schweden setzt sich ambitionierte Klimaziele: Klimaneutralität bis 2045 und 100% erneuerbare Energien in der Stromerzeugung bis 2040.
  • Van der Bellen besuchte bedeutende schwedische Wirtschafts- und Forschungsinstitutionen wie die Wallenberg-Sphäre und das Start-Up Northvolt Volthouse.