puls24 Logo

US-Entwurf sieht erhebliche Zugeständnisse der Ukraine vor

Heute, 03:16 · Lesedauer 5 min

Erhebliche Zugeständnisse an Moskau: Der aktuelle Entwurf des bisher unveröffentlichten US-Plans zur Beendigung des russischen Angriffskrieges in der Ukraine sieht unter anderem deren Verzicht auf die wichtige Industrieregion Donbass vor. Die Regionen Donezk und Luhansk würden ebenso wie die Halbinsel Krim "de facto als russisch anerkannt werden, auch von den Vereinigten Staaten", hieß es dem am Donnerstag von der Nachrichtenagentur AFP eingesehenen Entwurf.

Mehrere Medien wie das US-Nachrichtenportal "Axios" veröffentlichten die Auflistung, deren Inhalt demnach auch von Regierungsvertretern aus den USA und der Ukraine bestätigt wurde. Der ukrainische Parlamentsabgeordnete Olexij Hontscharenko, der zur Oppositionsfraktion Europäische Solidarität gehört, stellte den Plan via Telegram ins Netz.

Dem Weißen Haus zufolge handelt es sich derzeit noch um ein "Arbeitsdokument". Das Weiße Haus hatte zuvor Bedenken wegen einer Begünstigung Moskaus zurückgewiesen.

Dazu gehören weitreichende Gebietsabtretungen an Russland. Bereits jetzt ist etwa ein Fünftel der Ukraine von russischen Truppen besetzt. Ein Großteil davon ist nach fast vier Jahren Krieg weitgehend zerstört.

Laut dem Entwurf des 28 Punkte umfassenden US-Plans würde sich die ukrainische Armee aus dem von ihr kontrollierten Teil der Region Donezk zurückziehen, der zu einer entmilitarisierten Pufferzone unter russischer Kontrolle werden würde. Die beiden teilweise von Russland kontrollierten Regionen Cherson und Saporischschja im Süden der Ukraine würden dem Plan zufolge entsprechend der aktuellen Frontlinie aufgeteilt.

Zudem sieht der Plan vor, dass das Atomkraftwerk Saporischschja der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA unterstellt und der dort produzierte Strom zu gleichen Teilen zwischen der Ukraine und Russland aufgeteilt wird.

Verzicht auf NATO-Beitritt

Die Ukraine hatte auf eine von Europa angeführte Friedensmission gehofft, doch Russlands Weigerung, dem zuzustimmen, spiegelt sich auch in diesem Plan wider. So würde sich die NATO verpflichten, keine Truppen in die Ukraine zu entsenden. Im Gegenzug würde die Ukraine "zuverlässige Sicherheitsgarantien" erhalten, heißt es in dem Plan vage. Nähere Angaben werden zwar nicht gemacht, allerdings sollen im NATO-Land Polen "europäische Kampfflugzeuge" stationiert werden.

Sollte die ukrainische Regierung dem Plan in seiner jetzigen Fassung zustimmen, würde Kiew auch auf einen künftigen NATO-Beitritt verzichten und diese Verpflichtung in seiner Verfassung verankern. Das westliche Militärbündnis würde seinerseits in seiner Satzung jeden künftigen Beitritt der Ukraine ausschließen - und damit einer Kernforderung Russlands nachkommen. Die Ukraine müsste atomwaffenfrei bleiben - und die Truppenstärke der Armee auf 600.000 Mann begrenzen.

Die Souveränität der Ukraine sollte bestätigt - und Russland, die Ukraine und Europa die Konflikte der vergangenen 30 Jahre für beendet erklären. Sie sollten vereinbaren, sich gegenseitig nicht anzugreifen. Russland und die USA würden laut dem US-Plan wieder über nukleare Rüstungskontrolle sprechen. Russland sollte sich per Gesetz dazu verpflichten, Aggressionen gegenüber Europa und der Ukraine abzuschwören.

Wahlen binnen 100 Tagen

Eine weitere zentrale Forderung Moskaus betrifft die ukrainische Innenpolitik: Die Ukraine müsste innerhalb von hundert Tagen Wahlen abhalten, heißt es in dem Plan. US-Präsident Donald Trump hatte sich diese russische Forderung Anfang des Jahres zu eigen gemacht, als er den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als "Diktator ohne Wahlen" bezeichnete.

US-Regierung: "Guter Plan"

Die US-Regierung hatte am Donnerstag Bedenken wegen einer Begünstigung Moskaus zurückgewiesen. Es sei ein "guter Plan, sowohl für Russland als auch für die Ukraine", sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt. Der Plan werde von US-Präsident Trump unterstützt.

Trump selbst würde laut diesem Plan einem "Friedensrat" vorstehen, der den Waffenstillstand überwachen soll - angelehnt an den Nahost-Friedensplan und die darauf basierende Waffenruhe zwischen der Hamas und Israel. Außerdem sieht Trumps Plan eine amerikanisch-russische Arbeitsgruppe zu Sicherheitsfragen vor, die über die Einhaltung des Abkommens wachen sollte.

Wiederaufbau der Ukraine - Rehabilitierung Russlands

In dem Vorschlag wird die Position zu Russlands thematisiert. Demnach soll Russland "wieder in die Weltwirtschaft integriert" und wieder in die G8-Staatengruppe aufgenommen werden, aus der es 2014 nach der Annexion der Krim ausgeschlossen worden war. Bei einer erneuten Invasion der Ukraine würden die Sanktionen gegen Russland wieder in Kraft treten, heißt es in dem Plan-Entwurf. Allerdings werden Moskau darin nur wenige militärische Einschränkungen auferlegt - der Plan besagt lediglich, dass "von Russland erwartet wird, dass es keine Nachbarländer angreift".

Gegründet werden soll nach den US-Vorstellungen ein internationaler Fonds zum Wiederaufbau und zur Entwicklung der ukrainischen Infrastruktur. 100 Milliarden US-Dollar des beschlagnahmten russischen Staatsvermögens sollen in von den USA angeführte Bemühungen für Wiederaufbau und Investitionen in der Ukraine fließen - und die USA dann 50 Prozent möglicher Gewinne erhalten. Die EU sollte 100 Milliarden US-Dollar zum Wiederaufbau beisteuern und beschlagnahmtes russisches Vermögen wieder freigeben.

Humanitäre Fragen

Der US-Plan sieht weiters vor, dass Gefangene und Tote nach dem Prinzip "Alle gegen alle" ausgetauscht werden. Zivilisten müssten freigelassen, Familien zusammengeführt werden - und für alle am Krieg Beteiligten sollte es eine umfassende Amnestie geben. Beide Seiten sollten sich verpflichten, in Schulen gegenseitiges Verständnis und Toleranz zu lehren. Die Ukraine müsste die sprachlichen und religiösen Rechte von Minderheiten nach EU-Standards zusichern.

Zusammenfassung
  • Der aktuelle US-Planentwurf zur Beendigung des Ukraine-Kriegs sieht vor, dass die Ukraine auf Donezk, Luhansk und die Krim verzichtet, die de facto als russisch anerkannt werden sollen.
  • Die ukrainische Armee müsste sich aus Teilen von Donezk zurückziehen, eine entmilitarisierte Pufferzone unter russischer Kontrolle würde eingerichtet und die Regionen Cherson und Saporischschja entlang der aktuellen Frontlinie aufgeteilt.
  • Die Ukraine müsste auf einen NATO-Beitritt verzichten und dies in ihrer Verfassung verankern, während das Militärbündnis einen künftigen Beitritt der Ukraine ausschließt.
  • Für den Wiederaufbau der Ukraine sollen 100 Milliarden US-Dollar beschlagnahmtes russisches Staatsvermögen und 100 Milliarden US-Dollar von der EU bereitgestellt werden, wobei die USA 50 Prozent möglicher Gewinne erhalten.
  • Der Plan fordert Wahlen in der Ukraine innerhalb von 100 Tagen, eine umfassende Amnestie für Kriegsbeteiligte und den Austausch aller Gefangenen und Toten nach dem Prinzip "Alle gegen alle".